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Kinostart
Du bist queer, mein Kind, du musst nach Berlin!
Berlin hat eine lange Geschichte als Ziel queerer Menschen. Jochen Hicks neuer Dokumentarfilm "Queer Exile Berlin" begleitet sechs Menschen, die in der deutschen Hauptstadt ihre Freiheit finden.

Mit "Queer Exile Berlin" komplettiert Jochen Hick seine queere Berlin-Trilogie (Bild: missingFILMs)
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17. April 2024, 04:59h 4 Min.
"Du bist queer, mein Kind, du musst nach Berlin", so könnte eine Abwandlung des uralten Berliner Gassenhauers lauten. Seit über einem Jahrhundert übt die deutsche Hauptstadt eine gewaltige Anziehung aus für Menschen aus aller Welt, die anders lieben, anders fühlen, nicht der sexuellen und/oder geschlechtlichen Norm entsprechen.
Womöglich nirgendwo stand die queere Utopie so nah an ihrer Verwirklichung wie in Berlin. Weshalb die Stadt die idealen Bedingungen dafür bot, lässt sich eindrucksvoll in Robert Beachys Buch "Das andere Berlin" nachlesen. Wie die Nazis das queere Mekka zerstörten, zeigt die Netflix-Doku "Eldorado – Alles, was die Nazis hassen".
Dritter Film der queeren Berlin-Trilogie

Poster zum Film: "Queer Exile Berlin" startet am 18. April 2024 im Kino
Und dass Berlin sich zwar seit Jahrzehnten radikal verändert, seinen Status als queeren Sehnsuchtsort aber bewahren konnte, das stellt die neue Dokumentation "Queer Exile Berlin" dar. Mit ihr komplettiert der Filmemacher und Journalist Jochen Hick seine queere Berlin-Trilogie, nach "Out in Ost-Berlin" (2013) und "Mein wunderbares West-Berlin" (2017).
Verschachtelt, ohne Off-Kommentar und mit vielen großartigen Archivaufnahmen erzählt "Queer Exile Berlin" die Geschichten von sechs Protagonist*innen: Haidar, nichtbinär, aus Syrien, tanzt als "The Darwish" Tänze des Heimatlandes und überwindet so Gendergrenzen. Die trans Frau Eunice kam aus Portugal nach Berlin, wo sie ihre Transition begann.
Mit dabei: Gloria Viagra, Berlins dienstälteste Dragqueen
Der Künstler Mischa, geboren in Russland mit armenischen Wurzeln, suchte in Berlin seine Freiheit. Er wurde vor allem durch sein Kunstprojekt "Save the Date" bekannt, in dessen Rahmen er täglich mit einem anderen Mann Sex hatte. Auch Jean-Ulrick Déser ist Künstler, in Haiti geboren, und seit über 20 Jahren in Berlin.
Die Polin Monika setzt sich in Szczecin, kurz hinter der deutschen Grenze, für die dortige Community ein. Und schließlich Gloria Viagra, laut Eigenbeschreibung Berlins dienstälteste Dragqueen, die in den frühen 1970er Jahren aus Westdeutschland nach Berlin kam.
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Dem Film fehlt eine klare These
Es sind sechs ganz unterschiedliche Geschichten, die Regisseur und Produzent Jochen Hick zu einem großen Ganzen zu verweben versucht. Der sehr kleine gemeinsame Nenner der Protagonist*innen: In Berlin können sie der Mensch sein, der sie sein wollen. Die Herausforderungen könnten dabei unterschiedlicher nicht ein: Trans Frau Eunice ist sich unsicher, ob das Implantat für ihre Brust-OP groß genug ist. Mischa geht auf Distanz zur queeren Szene, weil sie ihm zu sehr gegeneinander arbeitet. Gloria Viagra merkt ihr Alter und dass sie nicht mehr auf jeder Party auflegen will.
Diese Vielfalt macht Berlin aus. Und auch wenn "Queer Exile Berlin" versucht, Überleitungen zwischen den Figuren zu schaffen (zur Not von der einen Party zur nächsten, denn irgendjemand macht fast immer Party, oder eine Demo, davon gibt's zum Glück auch genug), fehlt der Doku eine klare These, eine Stoßrichtung.
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Wohnungsnot, Gewalt, TERFs
So wird der Film leider etwas beliebig. Die Geschichten der einzelnen Personen sind durchaus erzählenswert, oft emotional und von Durchhaltewillen geprägt. Sie alle haben große Kraft bewiesen, sich in einer Mehrheitsgesellschaft oder einem komplizierten Einwanderungssystem zu behaupten – und niemand nimmt eine Opferrolle ein. Doch insgesamt fehlt die klare Linie. Stattdessen kommt "Queer Exile Berlin" kaleidoskopartig daher und richtet sich in der Draufschau eher weniger an ein queeres Publikum.
Denn immer dann, wenn es darum geht, dass dieses Berlin bedroht ist, führt der Film es nicht weiter: Gloria Viagra setzt sich für ihren Kiez ein, protestiert gegen Investor*innen und Wohnungsnot. Sie berichtet außerdem von einem Angriff in einem Park, auch Haidar spricht bei einer Demo davon, dass die Stadt für queere Menschen nicht sicher sei. Mischa findet, dass die Community wieder mehr miteinander klarkommen muss.
So viele relevante Themen
Eunice erzählt von Bekannten, die Berlin nach wenigen Jahren verlassen mussten, weil sie vor lauter Party und Drogen nicht mehr klarkamen. Sie erlebt beim Dyke March außerdem eine heftige Auseinandersetzung zwischen transfeindlichen Lesben und anderen Teilnehmer*innen.
Kurzum: Die Protagonist*innen sprechen selbst so viele Punkte an, die für die (Berliner) Community von allerhöchster Relevanz sind. Doch "Queer Exile Berlin" erzählt sie nicht. Vielleicht möchte Regisseur Jochen Hick ja eine Tetralogie machen.
Queer Exile Berlin. Dokumentarfilm. Deutschland 2023. Regie: Jochen Hick. Protagonist*innen: Eunice Franco, Monika Tichy, Haidar Darvish, Mischa Badasyan, Jean-Ulrick Désert, Gloria Viagra, Alyha Love. Laufzeit: 105 Minuten. Sprache: deutsch-englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 12. Verleih: missingFILMs. Kinostart: 18. April 2024
Links zum Thema:
» Alle Kinotermine auf der Homepage von missingFILMs
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