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Das tragische Schneiderlein: Brühl brilliert als Lagerfeld

In der Disney-Serie "Becoming Karl Lagerfeld" setzt Daniel Brühl der schillernden Ikone ein bewegendes Denkmal. Dem Erfolg als Mode-Zar steht die unglückliche Liebe zu einem jungen Lover gegenüber.


Daniel Brühl als Karl Lagerfeld (Bild: The Walt Disney Company)

"I will get no satisfaction", tönt es, gleichsam programmatisch, zur Ouvertüre. Ein Rolls-Royce rollt durchs Bild. Für wenige Sekunden huscht, kaum erkennt man ihn, ein mondän gekleideter Typ durch die Glitzerwelt einer angesagten Disco. Ein hübscher Jüngling beobachtet fasziniert die Szene. Er wird sich fortan an die Fersen des damals noch kaum bekannten Modedesigners heften. Denn Jacques de Bascher (Théodore Pellerin), so heißt der Schönling, hat ein exzellentes Gespür für Menschen mit Promi-Potenzial. Und er weiß genau, wie er an sein Ziel kommt.

"Die Welt ist grau. Die Menschen sind grau. Doch Sie sind in Farbe!", schreibt er einen ersten Liebesbrief. Karl (Daniel Brühl) ist prompt beeindruckt. Doch Mama Lagerfeld (Lisa Kreuzer) warnt: "Das ist ein Raubtier und du hast keine Peitsche, mein Lieber", mahnt Madame, die mit dem 38-jährigen Sohn die luxuriöse Wohnung teilt.

Das attraktive Raubtier darf Karl alsbald zur glamourösen Party von Yves Saint Laurent (Arnaud Valois) begleiten. Sein Ex-Lover und Design-Konkurrent soll eifersüchtig auf den neuen Begleiter werden. Der Coup von Karl gelingt. Doch der coole Kaiser hat die Rache-Rechnung ohne den selbstbewussten jungen Dandy gemacht. Denn der junge Mann versteht es aufs Beste, wie er den heftig verknallten Yves von sich begeistern und dessen masochistischen Leidenschaften für sich nutzen kann.

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Tässchen Tee unter Diven


Poster zur Serie: "Becoming Karl Lagerfeld" kann ab 7. Juni 2024 exklusiv auf Disney+ gestreamt werden

Für Karl bahnt sich derweil ein ungeahnter Karrieresprung an. Marlene Dietrich (grandios gespielt von Sunnyi Melles) höchstpersönlich ruft ihn an und lädt zum Tee. "Haben Sie Stil?", will die Diva wissen und gibt ein Kostüm in Auftrag. Klar, dass der Designer diese großartige Chance nutzen will. "Vogue" wird den neuen Kleidern der Dietrich eine ganze Ausgabe widmen, Helmut Newton ist als Fotograf engagiert. Gefeiert werden soll der Coup samt dem 40. Geburtstag in Lagerfelds Lieblingsladen. Doch überraschende Ereignisse sorgen für eine dramatische Entwicklung.

Dramaturgisch bietet die sechsteilige Serie "Becoming Karl Lagerfeld", die ab dem 7. Juni 2024 exklusiv auf Disney+ gestreamt werden kann, eine emotionale Achterbahn vom Feinsten. Da geht es zum einen um den Aufstieg des deutschen Modemachers in Paris, und da kennt der clevere Kreative kein Pardon. Die Intrigen des mächtigen Gegenspielers Pierre Bergé, mittlerweile der aktuelle Lover von Laurent, zahlt Lagerfeld mit gleicher Münze heim.

Um sein geplantes Imperium zu errichten, gibt er, je nach Bedarf, den charismatischen Charmeur oder den knallharten Geschäftsmann, der auch vor geschickt gestreuten Gerüchten nicht Halt macht: Fake News nach Maß anno 1978. Auf der anderen Seite steht Mensch Karl. Ein ewiges schwules Muttersöhnchen. Ein tief enttäuschter Liebhaber, der das Ende der leidenschaftlichen Liaison mit Yves Saint Laurent nicht verwunden hat. "Ich arbeite seit 20 Jahren für ein bisschen Respekt. Niemand mag mich. Keiner gönnt mir den Erfolg", klagt Karl einmal wehmütig. Erst der selbstbewusste, junge Dandy Jacques de Bascher versteht es raffiniert, den geschäftstüchtigen Designer aus dem emotionalen Dornröschenschlaf zu locken. Immer mehr verfällt Lagerfeld dem attraktiven Gigolo, ohne seine wahren Gefühle offenbaren zu können. Derweil sein Ex, YSL, immer besessener von dem attraktiven Jüngling scheint.

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Die gelungen hübsche Retro-Ausstattung fällt so eindrucksvoll aus wie die das abwechslungsreich besetzte Figurenkarussell. Von den geschliffenen Dialogen ganz zu schweigen: "Wie soll ich denn ich selbst sein, wenn ich dich nicht mehr habe" oder "Mit dir zu sein ist so einsam" heißt es da oft philosophisch.

Mode-Star beim Cruising erwischt

Ein bisschen Sex darf's gleichfalls sein. Laurent tobt sich mit dem Gigolo nackt auf dem Teppich aus oder sucht in dunklen Cruising-Ecken seine Befriedung. Prompt wird der Promi verhaftet. "Er hat gegen das Gesetz verstoßen. Er hat gegen die Natur verstoßen", erklärt der Polizist.

Bei Karl geht es derweil weniger leidenschaftlich zu. "Mit dir zu sein ist so einsam!", klagt sein Jacques. "Ich kann dir nur geben, was ich habe. Nimm es oder geh fort", entgegnet Karl klamm. Als der enttäuschte Lover später wieder einmal im Streit in die Disco flüchtet, macht das Biopic die Lage mit einer eindrucksvollen Szene deutlich. Bascher vergnügt sich auf einer Tanzfläche, Lagerfeld verzweifelt allein mit unbeholfenen Bewegungen vor einem Spiegel im dunklen Zimmer. Und dazu läuft "Take on me" von "Aha" als Unpluggend-Version. Ein ziemlich perfekter Song für diese Gefühlswelten des Kaiser Karl. Dass es "Aha" anno 1978 zum Zeitpunkt der Handlung noch gar nicht gegeben hat? Egal!

Diesem traurigen Tanz verleiht Daniel Brühl mit einer intensiven, intimen Darstellung von verzweifelter Einsamkeit geradezu Klassiker-Qualitäten. Mit charismatischem Charme beweist der 45-jährige Schauspieler einmal mehr, dass er zu den besten Darstellern seiner Generation gehört. Brühl gibt dem tragischen Schneiderlein eine Grandezza, die Lagerfeld sicher gefallen hätte. "Becoming Karl Lagerfeld" erweist sich als filmischer Maßanzug für den Mann mit Jogginghosen-Phobie. Ein idealer Sechsteiler fürs Binge-Watching mit Prosecco!

Galerie:
Becoming Karl Lagerfeld
11 Bilder
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