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Jahresbericht

Anti­diskriminierungs­stelle: Beratungsanfragen auf Rekordhoch

Auch die Anfragen in den Bereichen sexuelle Identität und Geschlecht stiegen an, so die Bundesstelle im neuen Jahresbericht. Leiterin Ferda Ataman ermahnt die Politik zur versprochenen Reform der Gesetzgebung.


Die ADS-Leiterin Ferda Ataman am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts in der Bundespressekonferenz (Bild: Screenshot Phoenix)

  • 25. Juni 2024, 11:43h 3 Min.

Im vergangenen Jahr haben sich deutlich mehr Menschen wegen Diskriminierungserfahrungen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt als im Jahr davor. 2023 gab es 10.772 Beratungsanfragen, rund 2.000 mehr als im Vorjahr und ein erneuter Rekordwert. Das geht aus dem Jahresbericht der Stelle (PDF) hervor, den die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, am Dienstag in Berlin vorlegte. Ataman sprach vor der Bundespressekonferenz von einem alarmierenden Trend.

Rassismus äußere sich offener, direkter und härter, sagte sie. "Eine 'Ausländer-Raus'-Stimmung und zunehmende Menschenverachtung beobachten wir nicht nur beim Feiern auf Sylt oder auf Volksfesten." Migranten, Menschen mit Behinderung und queere Menschen erlebten sie ganz konkret in ihrem Alltag, Ataman nannte etwa Diskriminierungen im Job oder bei der Wohnungssuche. Die Betroffenen fühlten sich zunehmend alleine gelassen und bekämen "zunehmende gesellschaftliche Polarisierung und Radikalisierung unmittelbar zu spüren".

Der Jahresbericht 2023 der Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung zeigt: Erneut haben wir Rekordzahlen...

Posted by Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) on Tuesday, June 25, 2024
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Nach dem Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dürfen Menschen in den Bereichen Arbeitsleben und Dienstleistungen nicht "aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität" benachteiligt werden. Auf dieser Grundlage berät die Stelle seit 2006 Betroffene bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Sie holt dazu auch Stellungnahmen der Gegenseite ein und vermittelt gütliche Einigungen.

Anstieg der Anfragen in allen Bereichen

Die meisten Anfragen bei der Stelle bezogen sich 2023 mit Blick auf dieses Gesetz auf rassistische oder antisemitische Diskriminierung (41 Prozent). In 25 Prozent der Fälle ging es um Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung, in 24 Prozent wegen des Geschlechts – das Merkmal umfasst auch den Bereich Geschlechtsidentität. 14 Prozent der Anfragen bezogen sich auf Benachteiligungen aufgrund des Alters, 7 Prozent auf den Bereich Religion und Weltanschauung sowie vier Prozent auf das Merkmal sexuelle Identität. Konkret stiegen die Anfragen im Bereich sexuelle Identität von 273 im Jahr 2022 auf 347, im Bereich Geschlecht von 1.395 auf 1.954.


Grafik aus dem Bericht

"Die Zahlen ergeben kein repräsentatives Bild der Diskriminierungsfälle in Deutschland", heißt es in dem Bericht. So gebe es weitere Anlaufstellen, an die sich Menschen wenden können. Außerdem würden die meisten Betroffenen Diskriminierung auch gar nicht melden. "Wir müssen daher von einer hohen Dunkelziffer ausgehen."

Besonders oft findet Diskriminierung dem Bericht zufolge weiterhin im Arbeitsleben statt: Ein Drittel (2.646) der geschilderten Fälle betraf negative Erlebnisse im Job. Der zweitgrößte Teil der Beratungsfälle (1.525) bezog sich auf Ausgrenzungserfahrungen im Bereich alltäglicher Dienstleistungen, zum Beispiel im Restaurant, beim Einkaufen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln.

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Reform des AGG gefordert

An dritter Stelle der gemeldeten Diskriminierungen liegen Erfahrungen mit Ämtern, Behörden, Polizei und Justiz (1.146). Entsprechende behördliche Diskriminierung wird vom Antidiskriminierungsgesetz allerdings nicht umfasst, ebensowenig wie diskriminierende Erfahrungen im öffentlichen Raum und in der Freizeit (840 Anfragen). Auch bei den regelmäßigen Beschwerden über diskriminierende Aussagen und menschenfeindliche Beleidigungen in den (sozialen) Medien und im Internet (circa 280 Anfragen) sei das Gesetz nicht anwendbar.

Ataman forderte die Bundesregierung dazu auf, nun rasch die im Koalitionsvertrag versprochene Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes anzugehen. Ein besserer Schutz vor Diskriminierung sei angesichts der explodierenden Fallzahlen "überfällig", sagte Ataman: "Die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss jetzt oberste Priorität haben. Das darf jetzt nicht weiter verschleppt werden. Ich erwarte von der Bundesregierung entschlossenes Handeln gegen den alltäglichen Hass und Rassismus. Das ist die Regierung den Betroffenen schuldig".

Direktlink | Die einstündige Pressekonferenz mit der Vorstellung des Berichts durch Ataman
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Die Beauftragte hatte im letzten Jahr mehrere Vorschläge für die AGG-Reform gemacht, darunter die Streichung der Kirchenklausel, die Erweiterung der Diskriminierungsmerkmale um "sozialen Status" und "Staatsangehörigkeit" (eine Airline könne bislang etwa israelische Passagiere ablehnen, so Ataman bei der Pressekonferenz) und die Ausweitung auf den staatlichen Bereich (queer.de berichtete). Ataman fordert auch immer wieder, wie im Koalitionsvertrag versprochen queere Menschen in den Diskriminierungsschutz des Grundgesetzes aufzunehmen (queer.de berichtete). (dpa/cw/pm)

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