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Großbritannien

London: Junge trans Personen protestieren gegen den Gesundheitsdienst

Mit der Besetzung der oberen Fassade eines Verwaltungsgebäudes machen die Teenager seit Freitag auf ihre Lage aufmerksam.


Der Protest soll bis Dienstagnachmittag anhalten (Bild: Trans Kids Deserve Better)
  • 2. Juli 2024, 09:36h 4 Min.

"Wir sind keine Schachfiguren für eure Politik" – mit einem großen Plakat mit diesem Spruch protestieren seit Freitag mehrere trans Jugendliche in London gegen den Umgang des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS und der Politik mit ihren Anliegen. Wenige Tage vor der Unterhauswahl in Großbritannien an diesem Donnerstag besetzten sie einen Teil der Außenfassade eines NHS-Verwaltungsgebäudes.


(Bild: Trans Kids Deserve Better)

Laut einer Mitteilung des Protestnetzwerks Trans Kids Deserve Better, das den Protest mit einer Kampagnenwebseite und einem Instagram-Kanal begletet, waren am Freitag zunächst zwei Jugendliche auf einen Vorsprung der ersten Etage des Gebäudes an der Waterloo Road geklettert. Mit einer Trans-Flagge und Papierschildern sorgten sie an dem Gebäude zudem für eine Umsetzung ihres Spruchs "Trans Kids verdienen besseres". Die von Security-Personal gerufene Polizei sei nicht eingeschritten.

Der Protest ging über das Wochenende, an dem in London der CSD abgehalten wurde, rund um die Uhr weiter und soll an diesem Dienstagnachmittag offiziell beendet werden. Mehrere weitere Jugendliche hatten sich in den letzten Tagen dem Protest auf dem Gebäudesims angeschlossen, während unten auf dem Bürgersteig weitere Aktivist*innen und spontane Unterstützer*innen für Verpflegung sorgten, Gespräche suchten und mit weiteren Schildern und Aktionen für die Anliegen demonstrierten. Trans Kids Deserve Better veröffentlichte auf der Webseite Stellungnahmen von Organisationen und Aktivist*innen, die den Protest unterstützten.

Geschlechtsbejahende Gesundheitsversorgung und Mitbestimmung gefordert

Das Aktionsnetzwerk betonte in einer Stellungnahme, man fordere "Zugang zu geschlechtsbejahender Gesundheitsversorgung für trans Kinder und Jugendliche, Schutz vor Diskriminierung und Respektlosigkeit in ihrem täglichen Leben und das Recht, bei allen Entscheidungen, die sie betreffen, gehört zu werden".


(Bild: Trans Kids Deserve Better)

Im März hatte der staatliche Gesundheitsdienst in England die Vergabe von Pubertätsblockern an Minderjährige außerhalb von klinischen Studien gestoppt (queer.de berichtete). Damit reagierte der NHS vorab auf eine von ihm in Auftrag gegebene Untersuchung seiner medizinischen Begleitung von trans Jugendlichen, die unter anderem regionalisierte und bessere Angebote forderte, aber auch den Nutzen von Pubertätsblockern und Hormontherapien als wissenschaftlich unzureichend belegt darstellte. Während der im April vorgestellte sogenannte Cass-Report von Fachverbänden und queeren Organisationen in vielen Bereichen als rückschrittlich, einseitig bis pseudowissenschaftlich kritisiert wurde, wurde er in der transfeindlichen politischen und gesellschaftlichen Debatte (nicht nur) in Großbritannien weit ausgenutzt. Kurz vor Auflösung des Parlaments im Vorfeld der Wahlen erließ die konservative Gesundheitsministerin Victoria Atkins Ende Mai eine Notverordnung, die die Verschreibung von Pubertätsblockern an Minderjährige in England, Wales und Schottland komplett untersagt – was der Cass-Report nicht gefordert hatte.


(Bild: Trans Kids Deserve Better)

"Es werden Entscheidungen getroffen, die unser Leben beeinflussen, ohne dass trans Personen dabei sind, ganz zu schweigen von jungen trans Personen", kritisierte laut der Protestwebseite eine teilnehmende Person im Alter von 17 Jahren. "Allzu oft werden trans Kids als ein Block verwirrter, depressiver Teenager dargestellt. Uns wird die eigene Entscheidung verwehrt und wir werden unserer Autonomie beraubt. Aber man sollte uns zutrauen, dieselben Entscheidungen über unsere Gesundheitsversorgung zu treffen wie alle anderen Menschen."

Die Gruppe protestiere, um Politik und Wähler*innen daran zu erinnern, dass man reale Kinder bzw. Menschen sei und nicht nur ein politisches Gesprächsthema. "Wir mögen kein Stimmrecht haben, aber es geht um unser Leben", so eine protestierende Person. "Geschlechtsbejahende Gesundheitsversorgung ist für uns eine Frage von Leben und Tod, und wir hoffen, dass unsere Aktionen das Bewusstsein für diese Tatsache schärfen und andere ermutigen, für die Gesundheitsversorgung und Menschenwürde zu kämpfen, die uns so schändlich verweigert werden."

In den letzten Jahren und im Wahlkampf hatte die aktuelle konservative Regierung unter Premierminister Rishi Sunak auf transfeindliche Rhetorik und Politik gesetzt (queer.de berichtete). Die in Umfragen führende Labour-Partei unter Herausforderer Keir Starmer war unter Druck zunehmend von progessiven Aussagen und Haltungen zurückgewichen, strich etwa die frühere Forderung nach einem Selbstbestimmungsgesetz (queer.de berichtete). Schatten-Gesundheitsminister Wes Streeting hatte das von Atkins erlassene Verbot von Pubertätsblockern, das zunächst bis September gilt, begrüßt. (cw)

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