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Interview
"Den Namen Fabian Stumm muss man sich merken!"
Voriges Jahr überzeugte Gorki-Spieler Jonas Dassler im Körpertausch-Drama "Aus meiner Haut", das mit dem "Queer Lion" prämiert wurde. Nun ist der Jungstar in "Sad Jokes", dem zweiten Streich von und mit Fabian Stumm dabei.

Jonas Dassler wurde im Juni 2023 mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet (Bild: IMAGO / Sven Simon)
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10. Juli 2024, 08:01h 6 Min.
Bayerischer Filmpreis, First Steps Award, European Shooting Star – über mangelnde Preise kann sich Jonas Dassler, 28, kaum beschweren. Im vergangenen Jahr überzeugte der Gorki-Spieler im Körpertausch-Drama "Aus meiner Haut", das in Venedig mit dem "Queer Lion" prämiert wurde.
Im August ist Dassler im Thriller "Berlin Nobody" zu erleben, den Jordan Scott, die Tochter des "Alien"-Machers Ridley Scott, inszenierte. Einen Monat später, am 12. September, gibt er den Ex-Lover des Helden in "Sad Jokes". Der neue Film von Fabian Stumm wurde gerade beim Filmfest München gleich doppelt prämiert (queer.de berichtete).
Herr Dassler, neben "Berlin Nobody" sind Sie in der schwulen Lovestory "Sad Jokes" zu sehen. Wie kam es zu dieser Rolle?
Regisseur Fabian Stumm und ich haben denselben Freundeskreis, so haben wir uns kennengelernt. Ich bewundere ihn als Mensch und seine Arbeit sehr, und als er mich fragte, ob ich eine kleine Rolle in seinem neuen Film spielen möchte, habe ich sofort zugesagt. Der Dreh war schnell und unkompliziert, was sehr besonders ist, da Fabi alles nur mit Freunden und Bekannten ohne viel Geld selber macht. Er schreibt, spielt, produziert. Mit Fabi und seinem unfassbaren Team zu arbeiten, ist der Beweis, dass Kino eigentlich nicht viel braucht in der Herstellung und jede und jeder sich unabhängig an seine eigene Vision wagen kann. Trotzdem kann dies natürlich nicht der Normalzustand sein, dass Menschen alles aus eigener Tasche bezahlen und nichts verdienen.

Jonas Dassler in "Sad Jokes" (Bild: Salzgeber)
Eher mit Hollywood-Budget bewegt sich "Berlin Nobody". War dieser Genre-Thriller eine Erholung zu "Aus meiner Haut", wo Sie eine sehr komplexe Figur gespielt haben?
Jede Rolle bringt ihre eigenen Herausforderungen mit sich. Bei "Aus meiner Haut" war es die Körpertausch-Geschichte, hier war es die Zusammenarbeit mit einem internationalen Cast auf Englisch und die Erkundung einer klassischen Thriller-Dramaturgie.
Es ist Ihr erster englischer Film. Wie unterscheidet sich die Atmosphäre bei einer internationalen Produktion vom deutschen Set?
Die Unterschiede waren kaum spürbar, da wir in Berlin gedreht haben und größtenteils mit einem deutschen Team arbeiteten. Abgesehen von der englischen Sprache hat sich nicht viel geändert. Der Produktionsprozess bleibt ähnlich.
Unterscheidet sich die Arbeit, wenn eine Frau auf dem Regiestuhl sitzt?
Interessante Frage. Sie weist ja auf den Missstand hin, dass es tatsächlich eher immer noch eine Ausnahme ist, dass Frauen oder nicht männliche Personen Regie führen. Dies ist international, aber auch gerade in Deutschland immer noch im Ungleichgewicht, und wenn sich da nicht bald etwas Konkretes auch im Fördergesetz verändert, werden wir nie diese Vielfalt der Perspektiven, von der wir so gerne sprechen, erreichen. Vielleicht ist die Erfahrung eben dieses Missstandes der größte Unterschied zu männlichen Regisseuren, denen viel öfter mehr Türen offenstanden. Aber konkret, die Arbeit mit Jordan war unglaublich genau, kreativ und inspirierend.
Jordan Scott hat einen berühmten Vater. Redet man mit ihr über "Alien" und Co. von Papa Ridley?
Nein, wir haben nicht über ihren Vater gesprochen. Jordan ist eine eigenständige, beeindruckende Person, und zusammen mit Kamerafrau Julie Kirkwood hatten wir zwei großartige Filmemacherinnen am Set, die genug zu erzählen hatten. Ihr Vater war nur formal als Produzent involviert.
Daniel Brühl macht jetzt den nächsten Film. Ist das kein Ansporn, die Seiten zu wechseln und Regie zu führen?
Ehrlich gesagt, nicht. Ich bevorzuge es, mich auf das Spielen zu konzentrieren. Wenn Regie, dann eher in einer Art Kollektiv, so haben wir es gerade am Gorki Theater mit unserem Projekt "Ciao" probiert. Kollektive Arbeit und das Teilen von Verantwortung sind für mich momentan interessanter. Regie erfordert ein anderes Set an Fähigkeiten, für das ich mich derzeit nicht bereit fühle.
Sandra Hüller macht im Herbst in Leipzig ebenfalls Kollektivregie. Finden Sie das Konzept interessant?
Ja, das Konzept der Kollektivregie ist sehr lohnenswert, weil man neue Regeln und Wege der Kommunikation finden muss. Es ist anstrengend, aber es hilft, das Ego loszulassen und Solidarität zu üben. Diese Erfahrung kann auch ein Trainingscamp für das wirkliche Leben sein. Kollektive Arbeit kann im besten Fall eine tiefere Zusammenarbeit und gemeinsames Wachstum an Empathie fördern.
Sie übernehmen oft ambitionierte Rollen. Ist ein Auftritt in der TV-Serie "Doppelhaushälfte" dann just for fun?
Ich kenne und schätze die Menschen hinter "Doppelhaushälfte" und finde die Serie großartig, weil sie eine Vision für neue Erzählungen hat. Es war für mich eine Gelegenheit, Spaß zu haben und Teil einer anspruchsvollen und unterhaltsamen Serie zu sein. Die Serie vereint Humor und gesellschaftliche Themen auf eine innovative Weise. Das empfinde ich auch schon als sehr ambitioniert. Daher fühlte ich mich sehr geehrt, dass das "Doppelhaushälfte"-Team an mich gedacht hat bei ihrem – wie ich finde – sehr wichtigem Unterfangen, dass öffentlich-rechtliche Fernsehen mit einem neuen narrativen Angebot zu verändern.
Wäre ein Projekt mit Lars Eidinger noch auf der Bucket-List?
Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich denke eher über das Kino und die Bedeutung von Filmen nach, besonders in einer zunehmend rechteren, autoritären Welt. Es geht darum, welche Geschichten wir erzählen und wie wir neue Narrative und Diversität fördern können und gleichzeitig und vielleicht gerade dadurch auch eine Vielfalt und Diversität in der Filmsprache und Kunst erreichen. Projekte mit inspirierenden Künstlern sind immer interessant. Aber wichtiger ist die Frage, wie wir das Medium Film nutzen wollen angesichts der Weltlage…
Wäre das kein spannendes Thema für soziale Medien?
Meine Sprache ist nicht Social Media. Ich fühle mich wohler, durch Filme und andere Engagements zu sprechen.
Sie haben sich komplett von Insta und Co. abgemeldet, weshalb?
Ich habe keine sozialen Medien, weil ich mich nicht dazu berufen fühle, dort aktiv zu sein. Meine Sprache ist eher das Medium Film, und ich glaube, dass Social Media auch Teil des Problems ist. Trotzdem kann man nicht ignorieren, dass es existiert und viele es klug nutzen. Für mich ist es wichtiger, durch meine Arbeit und persönliche Interaktionen zu kommunizieren. Jeder sollte den Kommunikationsweg wählen, der ihm am besten liegt.
Was ist Ihre Ratschlag für Kinogänger*innen bei "Berlin Nobody"?
Am besten gemeinsam mit anderen ins Kino gehen. Danach könnte man sich "Sad Jokes" ansehen, um ein Doublefeature zu erleben, das sowohl einen klassischen Thriller als auch neues, junges, queeres deutsches Kino bietet. Jordan Scott und Fabian Stumm sind Namen, die man sich merken sollte.
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