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Streaming

Nett gewinnt! Endlich eine schwule Kuppelshow ohne Gezicke, Gezeter und Getue

Die japanische Netflix-Show "The Boyfriend" überzeugt mit einem erfrischend anderen, überraschend freundlichen Konzept fürs Dating-Genre – ohne gängige Gockel-Auftritte, inszenierte Peinlichkeiten und die üblichen Fake-Feelings.


Drei der acht Kandidaten (v.l.n.r.): Kazuto, Alan und Ryota (Bild: Netflix)

In der zehnteiligen Netflix-Show "The Boyfriend" ziehen acht junge Männer für einen Monat in ein Haus, um zusammen einen Kaffee-Truck zu betreiben – und nach dem potenziellen Partner mit den titelgebenden Qualitäten Ausschau halten. Ein Quantensprung für queeres Leben im Kaiserreich, denn schwules Leben spielt in den dortigen Medien bislang kaum eine Rolle. Und findet im realen Leben vielfach unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

"Greenroom" nennt sich das lauschige Strand-Domizil am Rande von Tokio, ein Name aus der Surfer-Sprache für jene Welle, die beim Brechen eine hohle Röhre bildet. Als schwule Wellenreiter treten an: Dai (22), Taeheon (34), Ryota (28), Gensei (34) und Shun (23). Ergänzt wird das Quintett später von Koch Kazuto (27), dem bekannten Bodybuilder Usak (37) sowie dem Nachzügler Alan (29).

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Kennenlernen im Kaffee-Truck


Poster zur Reality-Show: "The Boyfriend" kann seit 9. Juli 2024 auf Netflix gestreamt werden

Gemeinsam basteln die Jungs an einem Namen des neuen Unternehmens. "Brewtiful U" soll der lindgrüne Kaffee-Truck fortan heißen – die wortverspielte Idee stammt aus einer Antwort von KI! Für die Schichten sieht der Dienstplan vor, dass täglich zwei Kandidaten gemeinsam den Kaffee kochen. Wer mit wem auf Tour geht, das entscheidet der Fahrer, der seinen Partner auswählt

Umsatz machen ist wichtig, weil die Kaffeekasse entscheidend für den Lebensunterhalt in der Villa ist. Die tägliche Protein-Ration mit Hühnerfleisch-Drinks für Bodybuilder Usak erweist sich schnell als zu teuer und sorgt für Streit – der hier freilich ausgesprochen freundlich ausgetragen wird. Die umwerfende Art der Höflichkeit fällt von Anfang an angenehm aus. Mit kleinen Verbeugungen stellen sich die Japaner vor. Nettigkeiten stehen auf der Tagesordnung, Rücksichtslosigkeiten sucht man vergeblich. Dazu passt die erste Tagesaufgabe, bei der jeder einem anderen einen anonymen Brief schreiben soll, der vor dessen Zimmer deponiert wird. Die Nervosität am Morgen danach ist groß, tatsächlich bleiben manche Briefkästen leer, während andere gleich dreifache Verehrerpost vorfinden.

Bäumchen-wechsel-dich-Spiel zwischen Milchschaum und Latte

Kommentiert wird das Geschehen von einem fünfköpfigen Panel im Studio, darunter Dragqueen Durian Lollobrigida, die zunächst ohne Maske und Kostüm auftritt. Sowie Schauspielerin Megumi, Influencerin Thelma Aoyama oder Comedian Yoshimi Tokui. Von ihnen werden die Akteure brühwarm bewertet und Prognosen über potenzielle Boyfriend-Chancen gestellt.

"Passt", heißt das einstimmige Jury-Urteil über Ryota und Gensei, die sich bei der ersten Kaffee-Fahrt ein bisschen näher kommen. Am nächsten Tag werden die Tour-Karten neu gemischt. Nun hat Dai die Partnerwahl, die auf den schüchternen Shun fällt. Der wird freilich am Tag drei auch von Taeheon nominiert. Derweil am Tag vier Dai von Gensei ausgesucht wird. Das tägliche Bäumchen-wechsel-dich-Spiel zwischen Milchschaum und Latte legt zunehmend die Sympathien der Bewohner offen. Die zunächst vielleicht verwirrend wirkenden Namen werden erstaunlich schnell vertraut. Kleine Geschichten aus dem Nähkästchen bringen die Figuren näher.


Im Kaffee-Truck "Brewtiful U" wird geflirtet (Bild: Netflix)

"Ein kleiner Bauch gefällt mir besser"

"Bei zu viel Muskeln fühle mich eingeschüchtert. Ein kleiner Bauch gefällt mir besser", kommentiert Ryota den gemeinsamen Strandbesuch, bei dem diverse Sixpacks bewundert werden. Unschlagbar in dieser Kategorie ist natürlich Bodybuilder Usak, der als berühmter Go-Go-Tänzer sein Geld verdient. Ausgerechnet dieser Muskelprotz entpuppt sich als sensibler Mensch, der mit den Erwartungshaltungen seiner Umgebung zu kämpfen hat und sich um seine wahre Identität sorgt.

Den schüchternen Eye-Catcher Shun plagen derweil ganz andere Probleme. Kaum hat er auf dem Smartphone von seinem heftigen Schwarm Dai dessen freizügige Fotos entdeckt, ist Schluss mit flirten. Denn Sex-Bilder erinnern Shun an seinen Ex, von dem er sich noch immer traumatisiert fühlt. Am Morgen danach wird man gespannt sein, wen Shun als Partner für die Kaffee-Tour auswählt. Noch mehr Dynamik ins Liebeskarussell bringt Neuzugang Alan aus Osaka, der offensichtlich Usak und Dai bereits gut beziehungsweise sehr gut kennt. Und dann ist da ja noch die Frage der Briefchen vom Auftakt. Wer hat da wem geschrieben? Wie viel von der Liebe auf den ersten Blick ist mittlerweile noch geblieben?

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Unterhaltsame Show mit viel Empathie-Potenzial

Das Konzept dieser japanischen Date-Show überzeugt durch den Verzicht des sonst üblichen Zickentheaters samt Stippenziehereien aus dem Regie-Raum. Stattdessen dominiert eine umwerfenden Höflichkeit unter dem Neunett charmanter Kandidaten jenseits der Klischeekiste. Erstaunlich ehrlich und offen, zumal für japanische Befindlichkeiten, reden die Sympathieträger über Selbstwertgefühle, Ängste und Hoffnungen. Und wenn reden nicht hilft, tischt Koch Kozuto eben ein verlockendes Mahl auf. Weil das Auge mit isst, dürfen die halbnackten Körper bei fröhlichen Balgereien am Strand oder in der hauseigenen Sauna präsentiert werden.

"The Boyfriend" bietet nicht nur eine überaus unterhaltsame Show mit viel Empathie-Potenzial fürs Publikum. Sondern betritt zudem wichtiges Neuland für die japanische Medienszene. Immerhin ist das Land der einzige G7-Staat, in dem die gleichgeschlechtliche Ehe noch nicht legalisiert ist. Regie-Ikonen haben das Thema derweil gleichfalls entdeckt. Ob Takeshi Kitano mit seinem schwulen Samurai-Spektakel "Kubi" oder Hirokazu Koreeda, der für sein Jugenddrama "Monster" in Cannes die Queer Palm bekam.

Galerie:
The Boyfriend
12 Bilder
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