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"Bundesregierung zuckt seit drei Jahren mit den Schultern"
18 Jahre AGG: Aktivist*innen kritisieren Untätigkeit der Ampel
Am Sonntag wird das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz "volljährig". Aktivist*innen beklagen jedoch, dass es weiterhin nur ein Rumpf-Gesetz sei – und rufen die Ampel auf, die versprochene AGG-Stärkung endlich umzusetzen.

Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag 2021 eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes versprochen, aber bislang nichts umgesetzt (Bild: IMAGO / Wolfilser)
- 16. August 2024, 13:28h 3 Min.
Das zivilgesellschaftliche "Bündnis AGG-Reform – Jetzt!" hat angesichts des 18. Geburtstages des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) die Ampelregierung aufgefordert, den Diskriminierungsschutz zu verbessern. Das AGG war am 18. August 2006 in Kraft getreten.
"Die Bundesregierung zuckt seit drei Jahren mit den Schultern, trotz kontinuierlich steigender Diskriminierungszahlen und rechter Bedrohung", so das Bündnis. "Dabei ist die Lage ernst: Bis in die Mitte der Gesellschaft hinein sind Menschen der Überzeugung, dass sie bestimmte Gruppen diskriminieren und ihnen ihr Existenzrecht absprechen dürfen. Dies widerspricht demokratischen Prinzipien und dem Grundrecht auf Nicht-Diskriminierung."
Hintergrund ist, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in den letzten fünf Jahren eine Verdopplung der Beratungsanfragen zu Diskriminierung verzeichnet. Zivilgesellschaftliche Beratungsstellen berichteten ebenfalls über einen kontinuierlichen Anstieg der Diskriminierungsfälle. Nach wie vor gibt es aber höhere Hürden als in anderen EU-Ländern, um Opfern von Diskriminierung zu helfen.
Im 2021 von SPD, Grünen und FDP geschlossenen Koalitionsvertrag war eigentlich eine Stärkung des Antidiskriminierungsrechts versprochen worden. In dem Papier heißt es wörtlich: "Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden wir evaluieren, Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten." Aber selbst fast drei Jahre später hat die Bundesregierung die Reform noch immer nicht angepackt.
Elf Forderungen an Ampel
Das "Bündnis AGG-Reform – Jetzt!" hatte bereits letztes Jahr elf Forderungen zu einer AGG-Reform (PDF) gestellt. Diese wurden von mehr als 100 Menschenrechtsorganisationen beschlossen, darunter auch der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD). Zu den Forderungen zählt etwa, dass das AGG auch auf Behörden angewendet werden kann, dass Fristen verlängert werden oder dass das sogenannte Kirchenprivileg abgeschafft wird. Letzteres erlaubt den Amtskirchen, beispielsweise Schwule oder trans Menschen nach Gutdünken zu diskriminieren.
"Wenn sich über 100 Organisationen aus unterschiedlichsten Bereichen, aus ganz Deutschland, auf elf Forderungen für die AGG-Reform einigen können, dann ist es ein Armutszeugnis für Deutschland, wenn drei Koalitionsparteien keinen Konsens zustande bringen und der Mut für mehr Fortschritt fehlt", erklärte Rebecca Kronsteiner von der Berliner Fachstelle für Arbeitsmarkt und Antidiskriminierung. "Diskriminierung ist kein 'Nischenthema', sondern betrifft einen Großteil der Gesellschaft."
FDP gilt als Bremsklotz
Ein möglicher Bremsklotz könnte die FDP sein, die in den letzten drei Jahren bereits viele Projekte der anderen Koalitionspartner infragegestellt hatte. Die Liberalen stimmten 2006 gemeinsam mit der Linkspartei gegen das AGG. Während den Linken das Gesetz nicht weit genug ging, wollte die FDP jeglichen gesetzlichen Diskriminierungsschutz verhindern, weil dies mehr Bürokratie bedeute und daher schlecht für die Wirtschaft sei. Auch letztes Jahr lehnten FDP-Politiker*innen daher entsprechende Reformvorschläge der Antidiskriminierungsstelle des Bundes – trotz der Vereinbarung im Koalitionsvertrag – rundweg ab (queer.de berichtete). (dk)














