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Event-Blog
Queerfilmfestival 2024: Ein großartiges Jahr für das queere Kino!
Mit über 8.500 Besucher*innen feierte das Queerfilmfestival von 5. bis 11. September das nicht-heteronormative Kino und zeigte, wie stark und divers der queere Filmjahrgang 2024 ist.
- 29. August 2024, 08:46h
Vom Donnerstag, den 5. September, bis Mittwoch, den 11. September 2024, feiert das Queerfilmfestival wieder eine ganze Woche lang die Vielfalt des queeren Kinos – dieses Jahr parallel in elf Städten und 16 Kinos. Mit dabei sind Berlin, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Halle, Köln, Leipzig, Nürnberg, Potsdam, Stuttgart und Wien.
Das Programm umfasst 25 herausragende Filme des nicht-heteronormativen Weltkinos. Mit dabei sind Highlights aus Cannes und Venedig sowie von der Berlinale. Eine Retrospektive zum kanadischen Kultregisseur und Queercore-Pionier Bruce LaBruce ergänzt online das Kinoprogramm.
Auch in diesem Jahr begleitet queer.de das Queerfilmfestival mit einem täglichen Event-Blog. Wir wünschen viel Vergnügen im Kino!
Live-Ticker (abgeschlossen, )
Fazit: Ein großartiges Jahr für das queere Kino!
Vom 5. bis 11. September feierte das Queerfilmfestival wieder eine Woche lang das nicht-heteronormative Kino und zeigte, wie stark und divers der queere Filmjahrgang 2024 ist. Über 8.500 Besucher*innen sahen einen (oder mehrere) der 18 Filme des Kinoprogramms, das von der lesbischen Rom-Com aus Österreich ("What a Feeling") über das trans Selbstermächtigungsdrama aus Polen ("Frau aus Freiheit") und das schwule Liebesdrama aus Vietnam ("Viet und Nam") bis zur queeren Tragikomödie aus Deutschland ("Sad Jokes") reichte. Bei vielen Vorführungen konnte das Publikum die anwesenden Regiseur:innen und Schauspieler*innen wie Caroline Peters, Anthony Schatteman, Bishop Black, Mikko Mäkäla, Jonas Dassler und Godehard Giese live erleben.
Für alle, die das Queerfilmfestival verpasst haben oder ihre Lieblinge nochmal schauen wollen – viele Filme laufen bereits in den nächsten Monaten im Kino an: "Frau aus Freiheit" startet am 7. November, "Baldiga – Entsichertes Herz" am 28. November, "The Visitor" am 5. Dezember, "Chuck Chuck Baby" am 26. Dezember und "Young Hearts" am 16. Januar. In der Queerfilmnacht ist in diesem Monat noch "Der Sommer mit Carmen" zu sehen, "What a Feeling" folgt im Oktober, "Close to You" im November und "Sebastian" im Dezember. Wegen der großen Nachfrage in Berlin zeigt das delphi LUX zudem bis kommenden Dienstag sechs Festivallieblinge gleich noch einmal, jeweils um 20:45 Uhr. Die Termine dazu gibt es hier.
Die Queere Kulturstiftung bedankt sich ganz herzlich bei allen Besucher*innen, die das Queerfilmfestival auch in diesem Jahr wieder zu einem großartigen Gemeinschaftserlebnis gemacht haben! Ein herzlicher Dank geht zudem an alle Kinobetreiber*innen, Freund*innen und Partner*innen, den Buchladen Erlkoenig, die Buchhandlung Löwenherz, das Pornfilmfestival Berlin, das XPosed Queer Film Festival Berlin, das British Council, L-Support, das Finnland-Institut, das Schwulen Museum, Vision Kino, queer.de, die Filmlöwin, die Siegessäule, Le Monde diplomatique, die Sissy und die Queerfilmnacht sowie an die Filmverleiher Port au Prince, GMfilms und Salzgeber. Und natürlich an die wunderbaren Filmpat*innen sowie die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien!
Am Ende steht die Freiheit
Am Dienstag, dem vorletzten Festivaltag, ging es beim Queerfilmfestival mit zwei Filmen auf eine ekstatische Reisen: mit dem Road-Movie "On the Go" im Cabrio durch sonnendurchflutete spanische Landschaften und mit dem Arbeiter:innen-Musical "Chuck Chuck Baby" in eine Hühnchenfabrik nach Nord-Wales.
In Berlin war Regisseurin María Gisèle Royo zu Gast und sprach im Q&A über weibliche Diversität im Kino, ihre filmischen Einflüsse und darüber, wie die experimentelle Form von "On the Go" ein Ausdruck kollaborativen Filmschaffens ist.
"Chuck Chuck Baby" startet am 26. Dezember im Kino; "On the Go" ist im Januar in der Queerfilmnacht zu sehen.
Am letzten Festivaltag feiert das Queerfilmfestival mit zwei herausragenden Filmen die Freiheit. Der Abend beginnt mit "Sunflower", dem Debütfilm des australischen Filmemachers Gabriel Carrubba, der voller Empathie von der bewegenden Zeit in unseren Leben erzählt, in der sich alles – Scham und Wut, Liebe und Hoffnung – einfach überwältigend anfühlt: In einem Vorort von Melbourne führt der 17-jährige Italo-Australier Leo ein typisches Teenager-Leben: Er quält sich durch die Schultage, treibt Sport, chillt mit seinen Freunden und knutscht mit seiner Freundin. Dass er eigentlich auf Typen steht, will er sich selbst noch nicht richtig eingestehen. Doch er fühlt sich immer mehr zu seinem besten Freund Boof hingezogen. Als Gerüchte über seine Sexualität in der Schule die Runde machen und der heteronormative Druck immer größer wird, muss Leo Position beziehen.
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Und auch der Abschlussfilm des Festivals, der seine Premiere im letzten Jahr in Venedig feierte, trägt die Kraft der Veränderung in sich. "Frau aus Freiheit" des polnischen Regie-Duos Małgorzata Szumowska und Michał Engler erzählt die epische Geschichte der Selbstermächtigung einer trans Frau über einen Zeitraum von knapp 50 Jahren parallel zu den politischen Umwälzungen des Landes: Während Polen in den frühen 1980ern dem Kommunismus allmählich den Rücken kehrt und sich zu einem demokratischen Staat wandelt, sucht Aniela Wesoły in einer Kleinstadt ihre Freiheit als Frau. Schon während ihrer Kindheit und Jugend als Andrzej beginnt sie, anders zu fühlen. Doch ihre Umgebung reagiert mit Unverständnis und Verdrängung. Ein halbes Leben lang lebt Aniela als Mann, sie hat einen Job im Büro, heiratet eine Frau, bekommt zwei Kinder. Doch weder die Widerstände in ihrer Familie noch staatliche Repressionen können sie davon abhalten, endlich die Person zu werden, die sie schon immer war.
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Im Berliner Delphi Lux wird der Buchshop trans*fabel einen Stand haben und vor Ort Bücher und Pride-Merch anbieten!
Spermapirat*innen auf großer Fahrt und eine Liebe in der Hühnchenfabrik
Am Montag zeigte das Queerfilmfestival zwei mitreißende Filme über das Suchen und Finden der eigenen Identität: In "Tandem – In welcher Sprache träumst du?" glänzten die beiden Newcomerinnen Lilith Grasmug und Josefa Heinsius als zwei Sprachschülerinnen in Leipzig und Straßburg; und in "Close to You" war Elliot Page das erste Mal seit seiner Transition wieder auf der großen Leinwand zu sehen. "Close to You" war in mehreren Städten ausverkauft. Wer den Film deswegen verpasst hat, kann ihn in der Queerfilmnacht im November nachholen.
Im Berliner Delphi Lux war das Anti-Gewalt-Projekt L-Support mit einem Stand vertreten, um über die eigene Arbeit aufzuklären. Am Stand des Buchshops trans*fabel gab es sowohl Pride-Merch als auch Elliot Pages Biografie "Pageboy".
Instagram / queer.filmfestival | Galerie vom Montag
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Mit "On the Go" beginnt der vorletzte Festivaltag wild und leidenschaftlich. Das ungestüme Roadmovie von María Gisèle Royo und Julia de Castro schäumt geradezu über vor unerwarteten Abzweigungen, sexuellen Anspielungen und surrealen Dialogen: Milagros möchte schwanger werden, schreckt aber vor der Anonymität der künstlichen Befruchtung zurück. Mit dem alten Chevrolet ihres Vaters macht sie sich auf nach Sevilla und gabelt ihren besten Freund Jonathan auf, dessen Grindr-Sucht und Männergeschmack sie für ihre Zwecke nutzen möchte. Die benutzten Kondome seiner Sexdates können ja schließlich auch noch zu etwas gut sein! Zu den beiden Freibeuter*innen gesellt sich eine dritte Person dazu: das internationale Sexsymbol La Reina de Triana. Und dann gibt es da auch noch einen mysteriösen Verfolger aus Jonathans Vergangenheit.
Bei der Filmvorführung in Berlin wird Co-Regisseurin María Gisèle Royo als Gast erwartet.
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Filmpatin Annabelle Georgen, die Filmredakteurin der Siegessäule, hält "On the Go" für den "Weirdo" des diesjährigen Festivalprogramms, der mit wilden, surrealen Ästhetik und experimentellen Erzählweise überzeugt. Hier gibt es einen Ausschnitt aus Annabelles Videobotschaft:
Instagram / queer.filmfestival | Grußwort Annabelle Georgen
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Mit dem zweiten Film des Tages geht es ungestüm weiter. Das romantische Arbeiter*innen-Musical "Chuck Chuck Baby" entführt das Publikum in eine Hünchenfabrik nach Wales: Helen ist Ende 30 und Single. Tagsüber pflegt sie die Mutter ihres Exmannes, nachts verdient sie Geld als Packerin in einer Hühnchenfabrik. Helens trister Alltag wird aufgewirbelt, als plötzlich die lange verschollene Joanne wieder auftaucht, ihr geheimer Schwarm aus Jugendtagen. Die beiden Freundinnen von früher lernen sich noch einmal neu kennen und lassen sich auf einen Flirt ein. Und auf einen Schlag ist Helens alte Lebensfreude wieder da! Doch dann wird Joanna von ihrer Vergangenheit eingeholt – und Helen von ihrer Gegenwart. Die beiden Frauen sind entschlossen, für ihre Liebe zu kämpfen, zu singen und zu tanzen!
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Helga Stellmacher vom British Council Germany richtet vor dem Film einen Videogruß an das Kinopublikum und spricht über die Bedeutung queerer Kulturarbeit und die Rolle, die dabei gerade positive Geschichten wie "Chuck Chuck Baby" spielen.
Instagram / queer.filmfestival | Grußwort Helga Stellmacher
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Sprachen der Liebe und die Rückkehr von Elliot Page
Allein am gestrigen Sonntag zeigte das Queerfilmfestival, wie vielgestaltig das nicht-heteronormative Gegenwartskino ist: Trương Minh Quý erzählt in "Viet und Nam" mit poetischen Bildern die wunderschöne Liebesgeschichte zwischen zwei Bergwerksarbeitern in Vietnam. "Sad Jokes" von Fabian Stumm ist eine meisterhafte tragikomische Reflektion unterschiedlicher menschlicher Beziehungsformen. Und mit dem sinnlichen Begehrensreigen "Dämonen der Dämmerung" zeigte das Queerfilmfestival erstmals einen Film des zweifachen Teddy-Preisträgers Julián Hernández, der als wichtigster queerer Filmemacher Mexikos gilt. Und dann lief auch noch Juliet Bashores lesbischer Filmklassiker "Kamikaze Hearts" in restaurierter Fassung auf der großen Leinwand.
Im Berliner Delphi Lux waren gleich vier Schauspieler:innen aus "Sad Jokes" zu Gast: Haley Louise-Jones, Jonas Dassler, Godehard Giese und Knut Berger erzählten vom familiären Klima auf dem Set und von den zahlreichen Referenzen auf französische und italienische Filmklassiker, die Fabian Stumm in "Sad Jokes" versteck hat.
Für alle, die es nicht ins Kino geschafft haben: "Sad Jokes" läuft am 12. September im Kino an; im Rahmen einer Kinotour, die am 13. September startet, ist Regisseur Fabian Stumm in neun deutschen Städte auch live zu erleben. Und "Kamikaze Hearts" erscheint bereits diese Woche am Donnerstag, 12. September, als DVD & VoD.
Instagram / queer.filmfestival | Bilder vom Wochenende
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Heute ist auf den Queerfilmfestival zunächst ein romantischer Freundinnenfilm zu sehen, der schon während der Berlinale für Aufsehen sorgte. In "Tandem – In welcher Sprache träumst du?" begibt sich Regisseurin Claire Burger mit einem raffinierten Drehbuch, zwei fabelhaften Newcomerinnen und magischen Kinobildern nicht nur auf die Suche nach einer Sprache der Wahrheit, sondern auch nach einer Sprache der Liebe: Die 17-jährige Französin Fanny reist zum ersten Mal nach Deutschland. Bei ihrer Brieffreundin Lena in Leipzig will sie die Sprache der Nachbarn lernen. Fanny ist schüchtern und noch auf der Suche nach sich selbst, Lena hingegen weiß schon ziemlich genau, wo sie hin will, und engagiert sich als Ökoaktivistin. Nach einem holprigen Start werden die beiden Teenager schnell enge Freundinnen. Fanny will Lena unbedingt gefallen – und hat auch kein Problem damit, mit ihrer eigenen Biografie kreativ umzugehen. Als Lena zum Gegenbesuch nach Straßburg kommt, droht Fannys Identitätskonstrukt aufzufliegen.

Szene aus "Tandem – In welcher Sprache träumst du?"(Bild: Salzgeber)
Filmpatin Charlotte Kaiser von L-Support findet, dass der Film über die schauspielerischen Glanzleistungen von Lilith Grasmug und Josefa Heinsius und die Inszenierung der beiden Städte – Leipzig und Straßburg – eine ganz besondere Wirkung entfaltet. L-Support ist ein Antigewalt-Projekt, dass sich für FLINTA* einsetzt und Beratungsangebote für Personen anbietet, die antilesbische Gewalt erlebt haben. Zudem erhebt L-Support Statistiken, die Gewaltverbrechen gegen FLINTA* dokumentieren, um damit Sichtbarkeit zu schaffen und Betroffene zu unterstützen. Bei Fragen, oder wenn ihr die Arbeit von L-Support unterstützen wollt, erreicht ihr sie über ihre Website. Heute ist L-Support außerdem mit einem Stand im Delphi Lux vertreten.
Instagram / queer.filmfestival | Grußwort Charlotte Kaiser
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Und im zweiten Film des Tages kehrt Elliot Page das erste Mal seit seiner Transition wieder auf die Kinoleinwand zurück! In Dominic Savages "Close to You" glänzt er in der sehr persönlichen Geschichte eines trans Mannes, der nach Hause zurückkehrt: Sam lebt seit vier Jahren in Toronto und war seit seiner Transition nicht mehr in seinem Heimatort Coubourg. Zum Geburtstag seines Vaters macht er sich nun auf den Weg dorthin. Er hat Angst vor der Reise, weil die Trennung damals nicht gut verlief und weil er keine Lust auf dumme Kommentare und neue Verletzungen hat. Im Zug nach Hause trifft er Katherine, eine alte Freundin aus der Highschool, die selbst mit Geistern aus der Vergangenheit kämpft – und für Sam noch immer tiefe Gefühle hat.
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Im Delphi Lux wird der Buchladem trans*fabel einen Stand haben und neben Elliot Pages Autobiografie "Pageboy" auch andere queere Bücher sowie Pride-Merch verkaufen.
Geister der Vergangenheit, traurige Witze und sexy Nachtgestalten
Gestern reiste das Queerfilmfestival einmal quer durch Europa und präsentierte drei Filme, von denen jeder auf seine eigene Art queere Lebensentwürfe feiert: das finnische Coming-of-Age-Drama "Light Light Light", den griechischen Buddie-Film "Der Sommer mit Carmen" und "Baldiga – Entsichertes Herz", den neuen Dokumentarfilm über den legendären Fotografen Jürgen Baldiga und die schwule West-Berliner Szene der 1980er und 1990er Jahre.
Beim Q&A im Berliner Delphi Lux erzählte "Baldiga"-Regisseur Markus Stein über die aufregende Arbeit mit dem immensen Nachlass Erbe Jürgen Baldigas und wie er und sein Team mit Hilfe von ehemaligen Weggefährt*innen des Fotografen und Künstlers das alte SchwuZ nachgebaut haben, um darin möglichst authentisch die Zeit von damals wiederzubeleben.
Für alle, die es nicht ins Kino geschafft haben: "Light Light Light" erscheint bereits am 24. Oktober auf DVD; "Der Sommer mit Carmen" am 28. November. "Baldiga" startet am 28. November in den Kinos!
Der Sonntag beginnt mit einer Perle der queeren Filmgeschichte, die frisch restauriert auf die große Leinwand zurückkehrt: In Juliet Bashores "Kamikaze Hearts" verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion: Jungregisseurin Tigr versucht in der Pornoindustrie Fuß zu fassen. In ihrem neuen Film, einer Sexparodie der Oper "Carmen", spielt ihre erfahrene Partnerin Mitch die Hauptrolle. Nach der letzten Klappe haben die Frauen miteinander Sex und sprechen darüber, was die Erlebnisse am Set mit ihnen und ihrer Beziehung machen. Es entsteht das schonungslose Porträt einer Branche, in der damals Misogynie, Machtmissbrauch und intensiver Drogenkonsum an der Tagesordnung waren – aber auch ein selbstreflexiver sexpositiver und queerfeministischer Film über eine leidenschaftliche und alles verzehrende Liebe (Filmkritik von Manuela Kay).
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Im Anschluss folgt ein Paradebeispiel des jungen vietnamesischen Autor*innenkinos: In "Viet und Nam" erzählt Trương Minh Quý die Geschichte einer Liebe, die nicht nur von schwierigen Lebensumständen geprägt ist, sondern auch von nationalen und familiären Traumata, von Geistern der Vergangenheit.

Szene aus "Viet und Nam" (Bild: Nicolas Graux)
Die jungen Bergleute Viet und Nam lieben sich. Zusammen schuften sie tausend Meter unter der Erde, wo Dunkelheit herrscht und Gefahren lauern. Die Kohle umschließt sie, unbarmherzig, staubig, nass. Gemeinsam machen sich die beiden auf die Suche nach Nams Vater, der im Krieg verschollen ist, und durchqueren das Land von Norden nach Süden. Doch eigentlich will Nam im Ausland ein neues Leben beginnen. Als er beschließt, Vietnam im Inneren eines Schiffscontainers zu verlassen, droht zwischen den Geliebten etwas zu zerbrechen. Trương findet Bilder, die in ihrer poetischen Kraft dem Kino Apichatpong Weerasethakuls gleichkommen.
Ein Videogruß zum Film kommt von "Spiegel"-Redakteurin Hannah Pilarczyk aus, die von "Viet und Nam" bereits in Cannes begeistert wurde. In ihrer kurzen Einführung begibt sich Hannah auf eine Deutungsreise durch die komplexe, fluide Symbolik des Films. Hier ein Auszug:
Instagram / queer.filmfestival | Grußwort Hanna Pilarczyk
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Kurz vor dem Kinostart am 12. September präsentiert das Queerfilmfestival zudem "Sad Jokes", den neuen Film von Fabian Stumms, dessen Debüt "Knochen und Namen" letztes Jahr auf dem Festival zu sehen war. "Sad Jokes" ist absurd und banal, hoffnungsvoll und anrührend oder – wie im wirklichen Leben – alles auf einmal: Joseph und Sonya sind durch eine enge Freundschaft und ihren kleinen Sohn Pino verbunden, den sie gemeinsam aufziehen. Während sich Regisseur Joseph an einer neuen Filmidee und der Trennung von seinem Ex-Freund Marc abarbeitet, leidet Sonya unter einer Depression, die sie zusehends aus ihrem Leben herausreißt. Als sie in einer Klinik unterkommt, muss Joseph nicht nur mit seinem Familienalltag, sondern auch seinen künstlerischen Ambitionen jonglieren (Filmkritik von Ralf Kaminski).
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Regisseur Fabian Stumm präsentiert "Sad Jokes" dieser Tage beim Toronto International Film Festival. Beim Berliner Screening wird er von gleich mehreren seiner großartigen Darsteller:innen vertreten: Zum Q&A werden Haley Louise Jones, Jonas Dassler, Godehard Giese und Knut Berger erwartet.
Der Festivalsonntag endet mit "Dämonen der Dämmerung", dem neuen Spielfilm des zweifachen Teddy-Gewinners Julián Hernández aus Mexiko. Es geht um eine leidenschaftliche Liebe, die kompromisslos allen Widrigkeiten trotzt: Orlando verdient sein Geld in Go-go-Bars, will aber eigentlich seriöser Tänzer werden. Marco arbeitet hart daran, seine Krankenpflegeschule abzuschließen. Als sich die beiden zufällig auf der Straße begegnen, ist es Liebe auf den ersten Blick. Wie schon in Filmen wie "Das Glück dieser Erde" (2014) oder "Die Spur deiner Lippen" (2023) setzt Julián Hernández dabei auf eine höchst sinnliche Bildsprache, leicht bekleidete Hauptdarsteller und Tanzsequenzen voll prickelnder Erotik.
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Entsicherte Herzen und leuchtende Bilder
Am gestrigen zweiten Festivaltag ging es in gleich drei Filmen sinnlich zur Sache: Gaël Lépingles "Jungs vom Lande", Mikko Mäkeläs "Sebastian" und Bruce LaBruces "The Visitor" zeigten Sehnsucht, Begehren und Lust in der sonnendurchfluteter französischer Provinz, im schummrigem Londoner Nachtleben und im Kontext einer bürgerlichen Familie, die von einem mysteriösen Fremden besucht wird.
In Berlin begrüßte das Festival Mikko und seinen Produzenten James Watson, die im Q&A Einblicke darin gaben, wie Grenzen zwischen Autor:inen und Figuren im Wunsch nach einer authentischen Ausdrucksweise verschwimmen. Und zum Late-Night-Screening von "The Visitor" war Performance-Star Bishop Black zu Gast und erzählte unter anderem von der Drehatmosphäre bei den expliziten Sexszenen und einer denkwürdigen Dinnersequenz.
Instagram / queer.filmfestival | Eindrücle vom zweiten Tag
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Solltet ihr es gestern nicht geschafft haben: "Jungs vom Lande" erscheint am 17. Oktober auf DVD; "Sebastian" kommt im Dezember in der Queerfilmnacht und am 5. Dezember "The Visitor" in den Kinos!
Der Samstag startet mit "Light Light Light" von Inari Niemi in ein melancholisches Erinnern in das erste Verliebtsein. Es geht zurück in den Sommer 1986: Während in Tschernobyl ein Atomreaktor explodiert, explodieren in einem kleinen Städtchen im Westen Finnlands die Gefühle. Mimi ist die Neue in der Klasse und erfüllt das Leben der 15-jährigen Mariia auf einen Schlag mit strahlendem Licht. Die beiden küssen sich am Strand, teilen ihre Ängste, erleben die erste große Liebe. Dass sie aus unterschiedlichen sozialen Schichten kommen, ist den Teenagerinnen völlig egal, ja noch nicht einmal richtig bewusst. 20 Jahre später kehrt Mariia in ihre Heimat zurück, um sich um ihre schwerkranke Mutter zu kümmern. Und plötzlich werden wieder die Erinnerungen an jenen Sommer lebendig, der alles veränderte.
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Beim Berlin-Screening gibt Marion Holtkamp vom Finnland-Institut eine Einführung.
Von der finnischen Provinz geht es als nächstes ins West-Berlin der 1980er Jahre: "Baldiga – Entsichertes Herz" entwickelt entlang poetischer Tagebucheinträge und schonungsloser Fotografien ein empathisches, widerständiges Filmessay über den Ausnahmekünstler und Aids-Aktivisten Jürgen Baldiga. Seine Bilder zeigen Freunde und Lover, wilden Sex und das Leben auf der Straße und immer wieder die lustvollen Tunten des Schwulenclubs SchwuZ. Zwischen Verzweiflung und Begehren, Auflehnung und unbändigem Überlebenswillen wird Baldiga im Angesicht des nahen eigenen Todes zum Chronisten der West-Berliner Subkultur.
Zur Vorführung in Berlin ist Regisseur Markus Stein anwesend und spricht mit dem Publikum über seinen Film.
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Vor dem Film gibt es einen Videogruß durch Filmpaten Romain Pinteaux vom Archiv des Schwulen Museums Berlin. Dort wird der Jürgen-Baldiga-Nachlass, der aus tausenden Fotografien und 40 Tagebüchern besteht, aufbewahrt und in Ausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Hier ein Ausschnitt aus Romains Botschaft:
Instagram / queer.filmfestival | Grußwort von Romain Pinteaux
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Am Abend geht es dann nochmal heiß her: "Der Sommer mit Carmen" spielt am Limanakia Beach, einem sozialen und sexuellen Hotspot der queeren Community Athens. Hier treffen sich die Freunde Demos und Nikita, beide Anfang 30 und angehende Filmemacher. Schauspieler Nikita hat es satt, immer nur für die gleichen schwulen Rollen besetzt zu werden, und will endlich seine eigenen Erfahrungen auf der Leinwand sehen. Während die Männer um sie schwimmen und rummachen, pitcht Nikitia seinem Freund eine Filmidee. Es soll um die Ereignisse des vergangenen Sommers gehen, um Demos emotionale Wiederbegegnung mit seinem Ex Panos und um Panos' süßen Hund Carmen.
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Pate des Films ist Journalist und queer.de-Autor Fabian Schäfer. In seinem Videogruß hält er ein kleines Plädoyer für queere Freund*innenschaften, die in anderen Filmen oft zu kurz kommen. Hier gibt es schonmal einen Vorgeschmack:
Instagram / queer.filmfestival | Grußwort von Fabian Schäfer
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Großartiger Auftakt und ein expliziter zweiter Tag
Gestern startete das Queerfilmfestival mit gleich mehreren ausverkauften Vorstellungen – und mit wunderbaren Gästen! In Berlin stellte Regisseurin Kat Rohrer "What a Feeling" zusammen mit ihren Hauptdarsteller*innen Caroline Peters und Heikko Deutschmann sowie der Editorin Ruth Schönegge vor. Die vier sprachen in zwei vollen Sälen darüber, wie viel Spaß der Dreh und später auch die Montage des Films gemacht haben und warum wir unbedingt mehr lesbische Rom-Coms über Frauen mittleren Alters im Kino sehen sollten!
Aus Belgien reiste Anthony Schattemann an, der Regisseur des berührenden Coming-of-Age/Coming-out-Films "Young Hearts". Nach dem Film sprach Anthony in einem emotionalen Q&A über den Einfluss seiner eigenen Kindheit und Jugend auf den Film, über die Arbeit mit den jungen Schauspieler:innen und was "Young Hearts" von "Close" unterscheidet, den Film seines guten Freundes Lukas Dhont.
Für alle, die es gestern nicht ins Kino geschafft haben: "What a Feeling" ist im Oktober in der Queerfilmnacht zu sehen; "Young Hearts" startet am 16. Januar in den Kinos.
Instagram / queer.filmfestival | Bildergalerie vom ersten Tag
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Der zweite Festivaltag beginnt mit abgelegenen Dörfern, vertrödelten Nachmittagen und der Sehnsucht, ganz woanders zu sein. Mit präzisem Blick und tief atmosphärischen Bildern zeigt Gaël Lépingle in "Jungs vom Lande" queeres Leben abseits der großen Metropolen als eine sommerschwüle Mischung aus wilden Wünschen und romantischen Abenteuern.
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Vor dem Film präsentiert das Queerfilmfestival das Grußwort eines Filmpaten: Schauspieler Pierre Emö, der mit dem Regisseur befreundet ist, spricht über heiße Sommertage mit Gaël in Berlin, das Stadt-Land-Gefälle in Frankreich und die französische Variante des Bildungsromans, in dessen Tradition "Jungs vom Lande" steht. Hier gibt einen kleinen Auszug aus der Videobotschaft:
Instagram / queer.filmfestival | Grußwort von Pierre Emö
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Der zweite Film des Tages ist "Sebastian". Darin erzählt der finnisch-britische Regisseur Mikko Mäkelä ("Die Hütte am See") die Geschichte eines jungen Mannes, der sich in zwei recht unterschiedlichen Branchen behaupten muss: Max arbeitet tagsüber bei einem Literaturmagazin und lässt sich abends und nachts unter dem Pseudonym "Sebastian" als Escort buchen. Seine Erfahrungen als Sexworker in London fließen in seine Kurzgeschichten ein, die immer mehr Leser*innen erfreuen. Für Max ist "Sebastian" sein Werkzeug, die eigene Literatur mit authentischen Erfahrungen zu grundieren. Offiziell ist natürlich alles reinste Fiktion.
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[Trailer "Sebastian"]
"Sebastian" ist ein bemerkenswert sexpositiver Film, der in Transgression und Kinkyness Momente der Befreiung findet, ohne die komplexen Mechanismen und Gefahren von Sexarbeit außer Acht zu lassen. In Berlin stellen Mikko Mäkelä und Produzent James Watson ihren Film persönlich vor.
Noch expliziter als in "Sebastian" wird es in "The Visitor", dem neuen Film von Bruce LaBruce, der den zweiten Festivaltag abschließt. Der kanadische Kultregisseur interpretiert darin Pier Paolo Pasolinis Klassiker "Teorema" (1968) auf radikale Weise neu: Während bei Pasolini ein mysteriöser Fremder ohne akzentuierten sozialen Hintergrund als erotisch-spiritueller Aufrührer in eine Mailänder Industriellenfamilie eindringt, schickt LaBruce einen Schwarzen Geflüchteten zu einem anarchistisch-queeren Revolutionsakt in die Londoner Upper Class von heute.
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Vor dem Film grüßt Bruces langjähriger Produzent Jürgen Brüning von der Leinwand. Jürgen hat neun Filme mit Bruce gemacht; sieben davon sind in der Online-Retrospektive im Salzgeber Club zu sehen. Jürgen ist übrigens auch der Gründer des Pornfilmfestivals Berlin, bei dessen nächster Ausgabe im Oktober "The Visitor" ebenfalls zu sehen sein wird, bevor der Film dann am 5. Dezember in den Kinos startet.
Instagram / queer.filmfestival | Grußwort von Jürgen Brüning
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Das Festival beginnt mit großen Gefühlen
Heute ist es endlich soweit: Das Queerfilmfestival startet in elf Festivalstädten von Berlin bis Wien! Bis zum kommenden Mittwoch, 11. September, sind 18 Perlen des aktuellen nicht-heteronormativen Weltkinos zu sehen.
Am Eröffnungsabend laufen gleich zwei Filme mit ganz viel Herz:
In der lesbischen Rom-Com "What a Feeling" von Kat Rohrer glänzen Caroline Peters und Proschat Madani als zwei Frauen, die erst in der Mitte des Lebens zueinander finden – aber dann so richtig: An ihrem Hochzeitstag bekommt die Wiener Ärztin Marie Theres ein besonderes Geschenk von ihrem Mann präsentiert – er will sich von ihr trennen! Zur Nervenberuhigung greift Marie Theres erstmal zum Glas. Ziemlich betrunken stolpert sie in Bigis Lesbenbar und trinkt dort mit der bindungsscheuen Stammkundin Fa einfach weiter. Am nächsten Morgen kann sie sich nur noch daran erinnern, dass Fa sie nach Hause gebracht hat. Aber haben sie danach auch...? Jedenfalls bekommt sie die aufregende Frau nicht mehr aus dem Kopf. Eine stürmische Romanze nimmt ihren Lauf, von der sich selbst Marie Theres' spießiger Freundeskreis und Fas persische Mama mitreißen lassen.
Bei der Vorführung in Berlin werden Regisseurin Kat Rohrer sowie die Hauptdarsteller*innen Caroline Peters und Heikko Deutschmann als Gäste erwartet. Aufgrund der großen Nachfrage wird es dort gleich drei Vorstellungen des Films geben.
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Im Anschluss stellt in Berlin der belgische Regisseur Anthony Schatteman sein Langfilmdebüt "Young Hearts" vor, das bereits auf der Berlinale im Februar die Herzen höher hat schlagen lassen. Schattemann sagt über "Young Hearts", dass dieser "die Art von Film ist, den ich damals hätte sehen wollen, der aber einfach nicht existierte".
Elias ist 14 und eigentlich mit Schulkram beschäftigt. Doch als der gleichaltrige Alexander ins Haus gegenüber zieht, gibt es da auf einmal ganz neue, aufregende Gefühle. Am liebsten würde Elias jede freie Minute mit seinem neuen Freund verbringen! Und dann erzählt ihm Alexander auch noch, dass er auf Jungs steht. Aber Elias hat Angst vor den Reaktionen der anderen, er behält seine Gefühle für sich und fängt an zu lügen. Erst nach einem Gespräch mit seinem Großvater wird ihm klar, was er wirklich will: mit allen Mitteln um Alexanders Herz kämpfen!

Szene aus "Young Hearts" (Bild: Salzgeber)
Das Queerfilmfestival hat in diesem Jahr Freund*innen des queeren Kinos gebeten, die Pat*innenschaften für einzelne Filme zu übernehmen und diese in Videobotschaften vorzustellen. Vor "Young Hearts" wird das erste dieser filmischen Grußwörter auf der großen Leinwand zu sehen sein: Aureliu Duisberg von Vision Kino, dem bundesweiten Netzwerk für Film- und Medienkompetenz, berichtet vom Engagement für Filmbildung für Kinder und Jugendliche und von der großen Vorfreude, "Young Hearts" im Herbst auch im Rahmen der Schulkinowochen Schüler*innen präsentieren zu können. Einen kleinen Vorgeschmack auf das Grußwort gibt es hier:
Morgen geht es los – und heute vorab schon eine ganze Online-Retro
Noch einmal schlafen, dann geht es schon los: Morgen startet das Queerfilmfestival! Das diesjährige Kinoprogramm umfasst 18 herausragende nicht-heteronormative Filme. Mit dabei sind Highlights aus Cannes und Venedig sowie von der Berlinale. Genau dort sorgte bereits "The Visitor" für Furore. Der neue Film des kanadischen Kultregisseurs und Queercore-Pioniers Bruce LaBruce ist ein höchst explizites Quasi-Remake von Pier Paolo Pasolinis "Teorema" (1968) und am Freitag, 6. September auf der großen Leinwand zu sehen.
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Wer es bis dahin nicht abwarten kann, hat jetzt schon die Chance, das Online-Programm des Festivals zu erkunden. Im Salzgeber Club gibt es ab sofort eine Bruce-LaBruce-Retrospektive, die das Kinoprogramm ergänzt.
Seit 35 Jahren gibt der kanadische Filmemacher Bruce LaBruce dem queeren Weltkino entscheidende Impulse. Seine widerständige Ästhetik, die ihren Ursprung im Queercore Movement der 1980er Jahre hat, nährt sich aus dem Wunsch, der heteronormativen und kapitalistischen Ordnung etwas Anderes, Abseitiges, Unangepasstes und Unkorrumpierbares entgegenzusetzen. Dafür braucht der Regisseur, der als eine der Schlüsselfiguren des New Queer Cinema der 1990er Jahre gilt, keine großen Budgets, aber eine radikale Formsprache. Wenn LaBruce in seinen Filmen mit anarchistischen Botschaften, blutigen Bildern oder sexuellen Akten operiert, so geschieht dies nie unreflektiert oder mit dem Ziel des reinen Erregungsaffekts. Sein künstlerisches Prinzip ist vielmehr höchst subversiv und geprägt von einer "Politik des permanenten Entreißens aus der Umarmung", wie es das Kino Arsenal einmal treffend formuliert hat. Seine Filme, die formal und motivisch nicht selten an transgressiven Genres wie dem Porno oder an trashigen B-Movies orientiert sind, unterwandern lustvoll das "Kino des guten Geschmacks" und erweitern gerade so unsere Blicke.

Bruce LaBruce (Bild: apolitical)
In "No Skin Off My Ass" (1990) gabelt ein Punk-Friseur mit besonderen Vorlieben einen hübschen jungen Skinhead in einem Park in Toronto auf. Er nimmt ihn mit nach Hause, zieht ihn aus, badet ihn und sperrt ihn im Schlafzimmer ein. Der erste Film von Bruce LaBruce, der selbst den Friseur spielt, hat nichts von seiner lustvollen Kraft verloren. Auf körnigem Super-8 gedreht und ausgestattet mit einem wilden Soundtrack von Punk-Bands wie Frightwig und Beefeater widerspricht "No Skin Off My Ass" politisch und ästhetisch jeder Hetero-Norm.

Szene aus "No Skin Off My Ass" (Bild: Salzgeber)
Mit zahlreichen Verweisen auf Fellinis Klassiker "Achteinhalb" (1963) reflektiert Bruce LaBruce in seinem zweiten Spielfilm "Super 8 ½" (1994) semi-autobiographisch den tiefen Fall eines selbstdestruktiven Porno-Auteurs. Randvoll mit Referenzen auf etablierte und weniger etablierte Filmgeschichte geht sein Film immer wieder bis dicht an die Grenze des guten Geschmacks – und darüber hinaus. Das absurde Biopic ist aber auch eine wüste Parade von Punk- und Underground-Stars wie Vaginal Davis, Ben Weasel und Richard Kern.
"Hustler White" (1996) erzählt abermals selbstreflexiv und verspielt von der unheilvollen Beziehung eines liebestollen Autors und eines bildhübschen Sexworkers auf dem Santa Monica Boulevard in Los Angeles. Mit Sinn für Authentizität und Trash haben Bruce LaBruce und Rick Castro eine romantisch-explizite Komödie und einen Klassiker des Stricherfilms geschaffen.

Szene aus "Super 8 ½" (Bild: Salzgeber)
Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich LaBruce dem exploitativen und traditionell systemkritischen Zombiefilm-Genre zuwendet. In "Otto; or, Up with Dead People" (2008), der in Berlin und Umgebung gedreht wurde, mischt der Regisseur gewohnt schamlos Versatzstücke des Stummfilms und des klassischen Horrorfilms mit Elementen des Pornofilms zu dem melancholischen, tief poetischen Porträt eines Zombies in der Identitätskrise. "Otto" ist radikal, gory und sehr, sehr sexy!
Arnold Schönbergs "Pierrot Lunaire" gilt als eines der innovativsten Musikwerke des 20. Jahrhunderts: 1912 von der Avantgarde-Bühnenkünstlerin Albertine Zehme in Auftrag gegeben, entlehnt das atonale Stück seinen Text aus Alberts Girauds gleichnamigem Zyklus von 50 Gedichten aus dem Jahr 1884. Bruce LaBruce transportiert in seinem experimentellen Film "Pierrot Lunaire" (2014) Schönbergs innovatives Werk auf die Straßen Berlins und in eine queere Geschichte um Sehnsucht und Liebe.

"Szene aus Otto; or, up with Dead People" (Bild: Salzgeber)
'Inspiriert von "They Saved Hitler's Brain" und "The Brain That Wouldn't Die", zwei berüchtigten B-Movies aus den 1960ern, erzählt Bruce LaBruce in "Ulrike's Brain" (2014), was passiert, wenn das Gehirn der RAF -Terroristin Ulrike Meinhof und jenes des schwulen Neonazi-Anführers Michael Kühnen aufeinandertreffen. Natürlich bricht Chaos aus!
Und in "Die Misandristinnen" (2017) bereitet eine Terroristinnen-Zelle den Umsturz des Patriarchats und die Installation einer neuen, weiblichen Weltordnung vor. Um die Revolution zu finanzieren und die eigene Ideologie zu verbreiten, drehen die Frauen auf einem abgelegenen Landgut in Brandenburg feministische Pornographie. Doch als ein verletzter linksradikaler Soldat bei den Misandristinnen strandet, droht die strikte Hausordnung aus den Fugen zu geraten. Wie gewohnt greift LaBruce bei der Besetzung auf queere Underground-Stars wie Susanne Sachsse und Kembra Pfahler zurück.
Prominente Gäste beim Queerfilmfestival in Berlin

Bishop Black (l.) im Film "The Visitor" von Bruce LaBruce (Bild: Salzgeber)
Beim Queerfilmfestival in Berlin werden zahlreiche Filmemacher*innen ihre Werke persönlich vorstellen.
Am Eröffnungsabend, Donnerstag, 5. September, stellen Regisseurin Kat Rohrer sowie die Schauspieler*innen Caroline Peters und Heikko Deutschmann die lesbische Rom-Com "What a Feeling" vor. Zudem wird Anthony Schatteman, der Regisseur des mitreißenden Coming-of-Age-Films "Young Hearts", erwartet.
Am Freitag, 6. September, kommt Regisseur Mikko Mäkelä aus Finnland, um sein Sexworker-Drama "Sebastian" vorzustellen. Und Schauspieler*in und Performer*in Bishop Black beantwortet Fragen zu "The Visitor", dem neuen Film von Bruce LaBruce.
Am Samstag, 7. September, berichtet Regisseur Markus Stein von den Dreharbeiten zu seinem Porträtfilm "Baldiga – Entsichertes Herz" über den bahnbrechenden schwulen Berliner Künstler Jürgen Baldiga (1959-1993).
Am Sonntag, 8. September, stellen die Darsteller*innen Haley Louise Jones, Jonas Dassler, Godehard Giese und Knut Berger die Tragikomödie "Sad Jokes" von Fabian Stumm vor.
Am Dienstag, 10. September, präsentiert Regisseurin Maria Gisèle Royo das wilde Roadmovie "On the Go".
Und am Mittwoch, 11. September, kommt Regisseurin Małgorzata Szumowska aus Polen, um das epische Selbstermächtigungsdrama "Frau aus Freiheit" vorzustellen.
In Berlin findet das Queerfilmfestival im delphi LUX statt. Alle Programminfos sowie die Spielzeiten gibt es auf der Festivalhomepage und auf der Eventseite des Kinos.
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