https://queer.de/?50778
Kinotipp
Eine schwierige Trennung, ein sterbender homophober Vater und ein traumatisierter Hund
In der subtilen griechischen Komödie "Der Sommer mit Carmen" hat Demosthenes nicht gerade die beste Zeit seines Lebens. Aber vielleicht lässt sich daraus mit dem schwulen besten Freund wenigstens ein guter Film machen?

Demosthenes (Yorgos Tsiantoulas) hat immer noch Gefühle für seinen Ex (Bild: Salzgeber)
- Von
31. August 2024, 11:28h 4 Min.
Es ist eher ungewöhnlich, dass ein Film am Ende die Botschaften einblendet, die das Publikum mit nach Hause nehmen soll. "Der Sommer mit Carmen" tut dies augenzwinkernd und mit dem gleichen subtilen Humor, der den ganzen Streifen durchzieht. Hier also sind sie: Es gibt Heteros, die nicht danach aussehen. Jede Mutter hat sich schon mal für ihr Kind geschämt. Die Realität ist nicht immer realistisch. Wir sind alle traurige kleine Tunten. Selbsterkenntnis ist eine bequeme Selbsttäuschung. Bisexuelle gibt es wirklich.
Die Rahmenhandlung dieses Werks mit so vielen Weisheiten spielt an einem einzigen Sommertag am Limanakia-Strand in der Nähe von Athen – ein bei Schwulen populärer felsiger Ort voller leicht oder gar nicht bekleideter Männer. Von denen viele dort nicht nur Sonne und Meer, sondern auch Sex suchen. Mitten drin sind Demosthenes und Nikitas, zwei gute Freunde aus Athen, die gemeinsam das Drehbuch für einen Film schreiben wollen. Mangels zündender Ideen und weil die Story aus Budgetgründen nicht zu komplex werden darf, haben sie dafür die Ereignisse ihres Sommers vor zwei Jahren im Auge.
Ein Held, der sich weiterentwickeln soll

Poster zum Film: "Der Sommer mit Carmen" läuft im September 2024 in der Queerfilmnacht sowie beim Queerfilmfestival
Dieser wird in Rückblenden erzählt, immer unterbrochen durch die Spekulationen der beiden, wie sich dieses oder jenes am besten umsetzen lässt. Im Zentrum steht der Anspruch, dass der Held der Geschichte (Demosthenes) am Schluss etwas gelernt haben sollte über sich und das Leben. Ob er das wirklich tut, ist nicht ganz sicher, dafür gibt's andere Erkenntnisse (siehe Botschaften oben). Und mittendrin plötzlich eine skurrile Musical-Einlage.
Jener schicksalshafte Sommer beginnt mit der Trennung von seinem mehrjährigen Freund Panos. Die Beziehung war schon länger schwierig, und so zieht Demosthenes nach einem weiteren Streit über mangelnde Kommunikation die Reißleine. Was er jedoch schon bald zu bereuen scheint, auch wenn er bei jeder Gelegenheit das Gegenteil beteuert. Erschwerend hinzu kommt, dass er die Sommerferien nicht wie sonst irgendwo auf einer Insel verbringen kann, weil es seinem homophoben Vater gesundheitlich schlecht geht und seine ebenfalls nicht gerade queer-euphorische Mutter offensichtlich Unterstützung braucht.
Sommerkomödie mit ernsteren Untertönen
Von den diversen Sexdates ist eines zwar halbwegs vielversprechend, doch hat Demosthenes sich geschworen, sich nicht gleich auf eine neue Beziehung einzulassen. Außerdem ist es offensichtlich, dass er mit Panos noch nicht abgeschlossen hat. Und praktischerweise verfügt dieser über ein nicht mehr genutztes Krankenbett, das Demosthenes für seinen Vater gerade gut gebrauchen kann. Aber es ist dann Hund Carmen, ein niedlicher Streuner, den Panos aus Mitleid adoptiert hat, der die beiden einander wieder näherbringt. Und überraschenderweise auch Demosthenes und seine Mutter.
|
"Der Sommer mit Carmen" ist eine vergnügliche, leichte Sommerkomödie mit gelegentlich ernsteren Untertönen, die ihre Idee über einen Film im Film aber letztlich etwas sehr ausreizt. Dafür hätte die Geschichte der zwei besten schwulen Freunde Potenzial für mehr gehabt. Denn es blitzt bei Nikitas – ganz ohne Sex oder romantische Gefühle – dennoch ab und zu Eifersucht durch, wenn Demosthenes sich wieder nur um irgendwelche Dates kümmert und von Panos einfach nicht loskommt.
Die queere Community braucht eine starke journalistische Stimme – gerade jetzt! Leiste deinen Beitrag, um die Arbeit von queer.de abzusichern.
Queere Freunde als Ersatzfamilie
Regisseur Zacharias Mavroeidis stellte diese Beziehung absichtlich in den Mittelpunkt, auch weil dies in queeren Filmen sonst eher selten geschieht. "Dabei sind solche Freundschaften für queere Menschen oft viel mehr als das. Diese Beziehungen werden so eng wie in einer Familie, besonders wenn die biologische Familie wegen der Queerness auf Distanz gegangen ist", sagte er in einem Interview am Filmfestival von Venedig, wo "Der Sommer mit Carmen" 2023 seine Premiere feierte.
Mavroeidis sieht sein Werk letztlich als eine "Kollektion von unterschiedlichen Liebesgeschichten" – zwischen Liebhabern, zwischen Freunden, innerhalb von Familien und natürlich zwischen Mensch und Tier. "Carmen ist ein Katalysator. Wer immer im Film gerade am meisten Liebe braucht, bekommt den Hund."
Der Sommer mit Carmen. Komödie. Griechenland 2023. Regie: Zacharias Mavroeidis. Cast: Yorgos Tsiantoulas, Andreas Lampropoulos, Nikolas Mihas, Roubini Vasilakopoulou, Vasilis Tsigristaris. Laufzeit: 106 Minuten. Sprache: griechische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 16. Verleih Salzgeber. Im September 2024 in der Queerfilmnacht sowie beim Queerfilmfestival
Links zum Thema:
» Alle Kinotermine im Rahmen der Queerfilmnacht
» Alle Kinotermine beim Queerfilmfestival
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de
Di, 20:15h, 3sat:
Requiem für einen Freund
Hildegard und ihre Lebensgefährtin Hüthchen sind Opfer eines Immobilienhais geworden, Hildegards Sohn vertritt die beiden bei einer Räumungsklage vor Gericht.
Spielfilm, D 2021- 7 weitere TV-Tipps für Dienstag »















