Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?50786

Anwältin und LGBTI-Aktivistin

Maria Sabine Augstein zum 75. Geburtstag

Queere Menschen in Deutschland haben der Rechtsanwältin Maria Sabine Augstein viel zu verdanken. Die lesbische trans Tochter von "Spiegel"-Gründer Rudolf Augstein kämpfte jahrzehntelang gegen das diskriminierende Transsexuellengesetz und für die Ehe für alle.


Maria Sabine Augstein, hier im Interview für das "Archiv der anderen Erinnerungen", feiert im September 2024 ihren 75. Geburtstag (Bild: BMH)

Die Jüngeren unter uns werden wohl fragen: Maria Sabine Augstein, wer ist das? Und das muss uns in unserer schnelllebigen und leider auch vergesslichen Zeit nicht wundern, denn es ist mittlerweile ruhig um sie geworden. Das letzte große Ereignis, das ihren Namen in die Öffentlichkeit brachte, war 2015 die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes für ihr Engagement für die queeren Communitys. In unserer noch ungeschriebenen trans Geschichte ist ihr auf jeden Fall ein prominenter Platz sicher.

Im September 1949 kam sie als Kind des "Spiegel"-Gründers Rudolf Augstein und der Journalistin Lore Ostermann in Hannover zur Welt. Sie studierte Jura und wurde Rechtsanwältin. 1976 outet sie sich als trans und entscheidet sich im Jahr darauf für eine geschlechtsangleichende Operation in Singapur. Sie ist davon überzeugt, dass wir trans geboren werden und lehnt deshalb psychologische Erklärungen kategorisch ab. Noch vor dem Transsexuellengesetz (TSG) erreicht sie eine Namens- und Personenstandsänderung und nannte diesen Erfolg in eigener Sache stolz ihr "Gesellenstück" als Juristin.

Sie spricht von sich als gewordene Frau, die sich binär verortet und für die es wichtig war, die Binarität im eigenen Körper erfolgreich realisiert zu haben. Für ihren Vater, so gestand sie in einem Interview, sei es kein Problem gewesen, dass sie als Frau leben wolle, wohl aber, dass sie außerdem lesbisch ist. Von Problemen in lesbischen Kreisen berichtete sie ebenfalls, weil man sie dort nicht als Frau akzeptieren wollte. Was ihr die Einsicht vermittelte, dass trans Menschen, sofern sie homosexuell begehren, eine doppelte Unterdrückung erfahren. Kommt uns bekannt vor.

- Werbung -

Augstein bestellte das Aufgebot für Hella von Sinnen und Cornelia Scheel

Als Anwältin setzte sie sich seit den 1980er Jahren für die Interessen von trans Menschen ein, um der Politik und auch der Gesellschaft immer wieder aufs Neue zu erklären, dass trans Rechte Menschenrechte sind. Unsere Emanzipation hat sie wie unseren Kampf um Selbstbestimmung und um ein Ende der Pathologisierung wesentlich mit vorangebracht.

Hinzu kam ihr Einsatz für die rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Und auch da trat sie gewissermaßen in eigener Sache auf, denn sie ist trans und lesbisch und lebte seit 1978 mit der Malerin und Fotografin Inea Gukama zusammen. Dass Lebenspartnerschaften eine gesetzliche Grundlage erhalten, dafür kämpfte sie wie überhaupt für die Öffnung der Ehe.

Zu erinnern wäre hier an die "Aktion Standesamt" des LSVD von 1992, die eine große mediale Aufmerksamkeit bewirkte, als Maria Sabine Augstein das Aufgebot für Hella von Sinnen und Cornelia Scheel bestellte, das dann allerdings – und wenig überraschend, weil vorhersehbar – abgelehnt wurde. Immerhin gab es ab 2001 das Lebenspartnerschaftsgesetz als Etappensieg auf dem Weg hin zur Ehe für alle.

Immer wieder neue Klagen gegen das TSG

Maria Sabine Augstein hat nie einen Hehl aus ihrer Abneigung gegen das TSG gemacht. Deshalb ergriff sie jede Gelegenheit zur Verfassungsbeschwerde gegen bestimmte Regelungen des Gesetzes, wo sie sich bot. Die erste bot sich sogleich 1982, mit der die Altersgrenze von 25 Jahren bei der sogenannten "großen Lösung" (Namens- und Personenstandsänderung) fiel.

Diese Altersgrenze war damals der faule Kompromiss im Vermittlungsausschuss, damit die Union beim TSG zustimmt. Das war zugleich der Preis dafür, dass die Union die "kleine Lösung" (also nur Namensänderung) überhaupt akzeptierte, die sie zuvor strikt ablehnte. Nebenbei bemerkt: Was heute Unionspolitiker*innen gerne als Sieg der politischen Konsensbildung feiern, war nur ein übler Kuhhandel zu Lasten von trans Menschen.


Maria Sabine Augstein, hier 2015 bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, hat sieben erfolgreiche Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bestritten (Bild: LSVD)

Augstein hatte sich immer wieder mit Stellungnahmen und Kommentaren zum TSG zu Wort gemeldet. Ihr realistischer Blick für die Fakten hat immer auch all die Gesetz gewordenen Widersprüche und Diskriminierungen erfasst. Als sie sich 1996 zur Gutachten-Frage äußerte, argumentierte sie noch zurückhaltend und votierte für die Reduzierung auf lediglich ein positives Gutachten, auch um die Prozesse zu beschleunigen. Aber das war wohl juristischem Pragmatismus geschuldet, geändert hat es in diesem Fall ohnehin nichts.

Gewiss, das alles ist mittlerweile Geschichte, aber eine, die zeigt, ein welch langer und steiniger Weg zur Selbstbestimmung zurückzulegen war. Das TSG kann nun endlich entsorgt werden, das zur Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Gerichte wurde. Und ich bin sicher, dass Maria Sabine Augstein das ebenfalls gefeiert hat. Dass dieses TSG am Ende nur noch eine Gesetzesruine war, ist auch Augsteins Verdienst.

Maria Sabine Augstein haben wir viel zu verdanken

Später fand sie deutlichere Worte der Kritik, obschon ihr bereits 1982 klar war: "Um die Geschlechterbinarität in ihrem heteronormativen Charakter zu bewahren, nahm der Gesetzgeber die Verletzung hochrangiger Grundrechte in Kauf." Das klang 2014 in einem Gespräch für das "Archiv der anderen Erinnerungen" der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld dann so: Dieses TSG sei aus einer "totalen Panik der Politik" geboren – das Resultat: "blanker Schwachsinn". Dass dem so ist, hatte sie und mit ihr noch andere zuvor mit den erfolgreichen Verfassungsbeschwerden bewiesen.

Die Queer-Kollekte
Die queere Community braucht eine starke journalistische Stimme – gerade jetzt! Leiste deinen Beitrag, um die Arbeit von queer.de abzusichern.
Jetzt unterstützen!

Das Recht auf Selbstbestimmung hielt sie für absolut notwendig. Denn über die Geschlechtszugehörigkeit können nur wir selbst Auskunft geben. Wobei das voraussetzt, dass körperverändernde Maßnahmen keine Bedingung für eine Personenstandsänderung sein dürfen. Auch das ist für sie nicht verhandelbar und wird nun durch das Selbstbestimmungsgesetz endlich Realität.

Tierschutz-Stiftung gegründet

Das Letzte, was wir von ihr im Internet finden können, ist 2022 die Gründung einer "Maria Sabine Augstein Stiftung – Tierschutz mit Herz", verbunden mit der Errichtung der "Tierwelt Gut Egling" auf einem ehemaligen oberbayerischen Bauernhof. Unklar, was daraus geworden ist, denn dass dort Katzen, Hunde und Wildtiere Schutz finden, ist offenbar noch nicht der Fall.

Wie immer dieses Projekt weitergehen mag, eines ist sicher: Maria Sabine Augstein haben wir viel zu verdanken. Als ihr 2015 das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, ehrte sie Manfred Bruns, der damalige Vorstand des LSVD, mit diesen Worten: "Wir kennen und schätzen sie als Vorreiterin, Wegbegleiterin und Unterstützerin für eine gerechtere, demokratischere und offenere Gesellschaft, die selbstbestimmte Lebensentwürfe schützt und ermöglicht."

Dass sie außerdem dafür gesorgt hat, dass die Geschichte des LSVD eine andere wurde als vor ihrem Eintritt, blieb nicht unerwähnt. Der Verband hat Augstein das "L" im Namen zu verdanken.

Herzlichen Glückwunsch zum 75. und alles Gute!

-w-