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Reisebericht
Wie offen ist die "Open City" Stockholm tatsächlich für queere Reisende?
Im Rahmen des Stockholm Pride erkundete unser freier Mitarbeiter Fabian Girschick die schwedische Hauptstadt – und nahm dabei vor allem die queeren Seiten der Metropole ins Visier.

Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit austauschen? Kein Problem in Stockholm! (Bild: Fabian Girschick)
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14. September 2024, 12:04h 5 Min.
Schweden haben viele (queere) Reisende vermutlich nicht an erster Stelle auf ihrer Travel-Liste (und allgemein auch eher weniger auf dem Radar). Dabei beeindruckt das Land durch zahlreiche Errungenschaften im Bereich der Popkultur – und das nicht zuletzt aufgrund von schwedischen Popstars wie ABBA, Zara Larsson oder Tove Lo. Doch auch der schwedische Musikproduzent Max Martin ist hoch im Kurs und arbeitete bereits mit Künstlerinnen wie Lady Gaga, Ariana Grande oder Pink zusammen. Ein echtes "Überflieger"-Land also, das auch schon Unternehmen wie H&M oder Spotify hervorbrachte.
Für die vielen queeren Instagramer*innen, die in ihrer Bio "Popkultur" als Interesse angegeben haben, dürfte Schweden – und vor allem Stockholm – also ein wahrgewordener Traum sein. Zumal sich die schwedische Hauptstadt obendrein auch immer wieder selbst als "Open City" bezeichnet und somit noch mehr Tourist*innen aus der LGBTI-Community anlocken müsste. Warum also ist Stockholm noch nicht dort, wo Amsterdam, Berlin und London bereits seit vielen Jahren sind? Dieser Frage bin ich als freier Mitarbeiter von queer.de im Rahmen einer Pressereise nachgegangen.
Keine Schaafenstraße und kein Regenbogenkiez
Die Queers kennen sie alle: diese schier endlos langen Straßen, in denen sich eine Schwulenbar neben der anderen befindet, und in der man vom Schlager- bis zum Fetisch-Lokal alles vorfindet – sei es die Schaafenstraße in Köln oder der Regenbogenkiez rund um den Nollendorfplatz in Berlin. So manch queere Person mag dort auch schon schlechte Erfahrungen gemacht haben oder auf zu viel Toxizität getroffen sein, im Endeffekt sind die meisten aber froh, einen Platz zu haben, an dem sie sich ausleben und wohlfühlen können. Und vor allem zu wissen, dass dies ein queerer Ort ist.
In Stockholm wird man vergeblich nach einem solchen Ort suchen. Es gibt ihn einfach nicht. Keine Straße, keinen Platz. Den Schwed*innen ist dies auch bewusst – doch sie haben ihre ganz eigene Erklärung hierfür: "In Schweden sind queere Personen überall willkommen!" Demnach würde es keine rein queeren Orte geben müssen, da alle Orte irgendwie queer seien. Es gäbe zwar über die gesamte Stadt verteilt auch vereinzelte Lokale speziell für die LGBTI-Community, im Großen und Ganzen gehöre sie aber einfach dazu.
Während der Stockholm Pride ist alles ganz anders

Während der Pride-Woche schmücken zahlreiche Pride-Flaggen die Cafés und Restaurants (Bild: Fabian Girschick)
Ganz anders sieht dies jedoch während der Pride-Woche in Stockholm aus, die dieses Jahr vom 29. Juli bis zum 3. August stattfand. Während Queerness sonst eher eine Begleiterscheinung in Stockholm darzustellen scheint, präsentierte sich die schwedische Hauptstadt in diesem Zeitraum fast ausschließlich in Regenbogenfarben. Selbst an den Bussen waren Flaggen angebracht – und in den Cafés und Restaurants konnte man diese schier gar nicht mehr zählen. Darüber hinaus gab es auch eine queere Party nach der nächsten!
Schnell könnten deshalb Stimmen laut werden, dass Stockholm reines "Pinkwashing" betreibe. Und sicherlich möchten die vielen Geschäftsführer*innen in diesem Zeitraum auch in erster Linie eines: viele Queers anziehen und daraus ordentlich Kohle scheffeln! Aber ganz so leicht ist die Rechnung dann doch nicht. Denn es gibt Orte wie den "Mälarpaviljongen", eine Café-Bar auf einem Ponton, in der ein Großteil der Mitarbeitenden queere Geflüchtete sind und die die Möglichkeit bekommen, Anschluss in Stockholm zu finden – zu einem fairen Lohn! Im Klartext: Das erwirtschaftete Geld wird häufig auch wieder an die Community zurückgegeben.
Diese Orte muss man als queere Person besucht haben

Im Café "Chokladkoppen" wurde die erste Pride-Flagge in Stockholm gehisst (Bild: Fabian Girschick)
Doch welche Orte sind für die LGBTI-Community nun unverzichtbar während eines Stockholm-Besuchs? Ganz oben auf der Sightseeing-Liste dürfte für viele wohl das ABBA-Museum stehen, in welchem man den ehemaligen Gewinner*innen des Eurovision Song Contests ganz nah kommen kann. Dort hat man die Möglichkeit, mit den nachgebildeten Band-Mitgliedern auf der Bühne zu performen und auf die eindrucksvolle Karriere der "Dancing Queens" (and Kings) zurückzublicken. Ein Teil des ABBA-LGBTI-Merchandise kommt übrigens gemeinnützigen Organisationen zugute.
Ein besonders historischer Ort für die Community dürfte jedoch auch das Café "Chokladkoppen" sein, denn dort wurde einst die erste Regenbogen-Flagge in Stockholm gehisst. Bis heute gilt dieses als besonders queerfreundlich und konnte auch schon große Pop-Stars wie Christina Aguilera anziehen. Das "Chokladkoppen" befindet sich ohnehin in einer sehr schönen Kulisse mit bunten Häusern und jeder Menge kleiner Gassen. Wer stattdessen schon immer "über den Wolken" essen wollte, könnte ins "Gondolen" gehen und dort eine magische Aussicht über Stockholm genießen.
Rabatte und was es sonst noch zu wissen gilt
Für alle, die mit dem Flugzeug anreisen, empfiehlt es sich, mit dem "Arlanda Express" vom Flughafen Stockholm/Arlanda zum Hauptbahnhof in Stockholm zu fahren. Zu einem fairen Preis kann man diese Strecke innerhalb von nur 20 Minuten zurücklegen. Wer ein Ticket für zwei Personen kauft, spart übrigens 220 Schwedische Kronen (ca. 20 Euro) im Vergleich dazu, wenn man zwei Einzelfahrscheine kauft.

Im ABBA-Museum konnte ich mit den Bandmitgliedern auf der Bühne performen
Auch bei den Taxis sollte man immer darauf achten, auf die offiziellen Taxi-Anbieter "Taxi Stockholm" oder "TaxiKurir" zurückzugreifen, um sich nicht abzocken zu lassen. In jedem Fall lohnt sich ein Blick auf die Website von Stockholm LGBT, auf der man jede Menge Inspiration für seinen Aufenthalt in Stockholm findet – vom Hotel bis hin zu Events.
Stockholm wird dem Namen "Open City" gerecht
Angst haben muss man in Stockholm aber definitiv nicht. Noch nie zuvor habe ich mich in einer Stadt so sicher gefühlt wie dort und so wenig Kriminalität gesehen. Und darin liegt vielleicht auch auf gewisse Art und Weise die Magie von Stockholm. Es schreit nicht offensichtlich "Ich bin queer!", aber es ist eben doch die "Open City", in der einfach alle zusammen Spaß haben können, ohne sich direkt labeln zu müssen.
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