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Aufstieg

Macron schlägt schwulen Außenminister als EU-Kommissar vor

Der schwule französische Außenminister kehrt offenbar nach Brüssel zurück: Stéphane Séjourné soll Thierry Breton ersetzen, der die Kommission im Streit verlässt.


Erst vor einem Dreivierteljahr ist Stéphane Séjourné von Brüssel nach Paris gezogen – jetzt geht es offenbar wieder zurück (Bild: European Parliament / wikipedia)
  • 17. September 2024, 07:44h 4 Min.
  • Zu Update springen: Séjourné soll Industrie-Kommissar werden (12:40 Uhr)

Kurz vor der Vorstellung des neuen Teams für die EU-Kommission tritt der derzeitige französische Kommissar Thierry Breton überraschend zurück. Als Grund führte der 69-Jährige in einem auf der Plattform X (früher Twitter) veröffentlichten Brief Differenzen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) an. Breton war bisher Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen.

Neuer Kandidat aus Paris wird der 39-jährige Stéphane Séjourné, der im Januar das Amt des Außenministers übernommen hatte – als erster offen schwuler Mann (queer.de berichtete). Nach der Parlamentswahl im Juli ist er – wie der ebenfalls offen schwule Premierminister Gabriel Attal – nur noch geschäftsführend im Amt. Séjourné und Attal waren in der Vergangenheit ein Paar und lebten zwischen 2017 und 2022 in einer eingetragenen Partnerschaft.

Breton hatte von der Leyen in dem Brief vorgeworfen, dass sie Frankreich vor einigen Tagen dazu aufgefordert habe, seinen Namen für die neue Kommission zurückzuziehen – und das aus persönlichen Gründen, die sie nicht direkt mit ihm besprochen habe. Der Franzose schrieb weiter, dass er "angesichts dieser jüngsten Entwicklungen, die einen weiteren Beweis für fragwürdige Regierungsführung darstellen", mit sofortiger Wirkung als EU-Kommissar zurücktreten müsse.

Von der Leyens neue Kommission soll diese Woche im EU-Parlament in Straßburg vorgestellt werden. Breton galt als gesetzt – und es wurde erwartet, dass er wieder ein wichtiges Ressort erhalten würde. 

/ ThierryBreton

Der französische Präsident Emmanuel Macron schlug nun Séjourné für das Amt vor. Séjourné war in der vergangenen Legislaturperiode Vorsitzender der liberalen Renew-Fraktion im Europaparlament, bevor er Anfang des Jahres als Außenminister nach Paris wechselte.

In einer Mitteilung des Élysée-Palasts hieß es, Séjourné erfülle alle erforderlichen Kriterien. Macron sprach Breton seinen Dank aus und bezeichnete ihn als "bemerkenswerten EU-Kommissar". Er habe stark dazu beigetragen, eine europäische Souveränitätspolitik in der Digitalpolitik voranzutreiben und den EU-Binnenmarkt während der Corona-Krise zu widerstandsfähiger zu machen. Zu einem möglichen Konflikt mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte er sich nicht.

Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, dass von der Leyen den Rücktritt zur Kenntnis nehme und Breton für seine Arbeit als Kommissar während der gesamten Amtszeit danke. Zu den scharfen Vorwürfen gegen die Deutsche wollte sich die Sprecherin nicht äußern. Im Zuge der Ernennung des früheren französischen Wirtschaftsministers Breton zum Binnenmarktkommissar im Jahr 2019 hatte es bereits Ärger zwischen von der Leyen und Macron gegeben. Und auch während seiner Amtszeit übte er öfter öffentlich Kritik an von der Leyen.

Nationale Interessen zu sehr im Fokus?

In Berlin und anderen europäischen Hauptstädten dürfte der Abgang von Breton nicht mit besonders großem Bedauern gesehen werden. Regierungsvertreter hatten dem Franzosen in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, einseitig die wirtschaftspolitischen Interessen seines Heimatlandes zu vertreten, obwohl Kommissionsvertreter eigentlich unabhängig von den nationalen Interessen einzelner Regierungen agieren sollen. Zudem wurde etwa kritisch gesehen, dass sich Breton zuletzt unabgesprochen mit dem amerikanischen Tech-Milliardär Elon Musk anlegte.

Der Führung der EU-Kommission sind rund 32.000 Mitarbeiter*innen unterstellt, die unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge überwachen. Die Auswahl von Kommissarinnen und Kommissaren für die neue EU-Kommission ist der letzte große Schritt zur Neubesetzung von politischen Spitzenpositionen nach der Europawahl im Juni, bei der die extremistische Rechte gestärkt worden war.

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Von der Leyens Wunsch nach Geschlechterparität wird großteils missachtet

Von der Leyen will bei der Besetzung auch auf eine Geschlechterparität achten. Daher bat sie die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten schriftlich darum, sowohl einen Mann als auch eine Frau für die Kommissionssposten vorzuschlagen. Die meisten EU-Mitgliedsstaaten widersetzten sich jedoch von der Leyens Forderung und nominierten nur eine Person für die Kommission – die Mehrheit von ihnen war männlich.

Ausnahmen gab es für EU-Länder, die ihren amtierenden EU-Kommissar – wie Breton – für eine weitere Amtszeit nominieren wollten. Die EU-Verträge schreiben nicht vor, dass Mitgliedstaaten einen Mann und eine Frau nominieren müssen.

Von der Leyen war von den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der mächtigen Behörde nominiert und vom Europaparlament gewählt worden. Nach dem Nominierungsprozess für die Kommissar*innen muss sie diesen nun Aufgabenbereiche zuordnen. (dpa/cw)

Update 12:40 Uhr: Séjourné soll Industrie-Kommissar werden

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Personalvorschläge für ihre Behörde vorgestellt. Demnach soll Séjourné Kommissar für die Industriestrategie werden. Dieser Posten gilt als sehr einflussreich, da die Kommission nach Angaben ihrer Chefin in den nächsten Jahren eine ambitionierte Industriepolitik betreiben wolle.

Der Frauenanteil liegt bei diesem Vorschlag bei 40 Prozent – von der Leyen verfehlt also ihr Ziel, Geschlechterparität in der Europa-Regierung herzustellen. Die gesamte Kommission muss nun noch vom Europaparlament bestätigt werden.

/ EU_Commission

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