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Backstage-Interview beim Superbloom Festival
Berq: "Ich vermisse den Feierabend, den es nicht gibt"
Mit der Single "Rote Flaggen" stürmte Berq auf Platz acht der deutschen Charts. Jetzt begeisterte er beim Superbloom Festival in München. Dort sprachen wir mit ihm über seine Karriere, queere Fans und das kommende Album.

Berq, bürgerlich Felix Dautzenberg, veröffentlichte im Mai 2023 seine Debüt-EP "Rote Flaggen" (Bild: Adam Haranghy)
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22. September 2024, 11:15h 5 Min.
Schaut man sich an, welche Künstler*innen 2023 in Deutschland auf Spotify am meisten gehört wurden, stechen vor allem Namen wie Apache 207, Bonez MC, RAF Camora, Luciano und Sido hervor. Klar, jeder von ihnen hat seinen eigenen Style und seine Message, aber unterm Strich ähneln sie sich doch: Rapper, die mit luxuriösem Lifestyle prahlen, in ihren Lyrics auch mal härter werden und sich in Videos mit teuren Uhren, krassen Autos und schönen Frauen präsentieren.
Das ist aktuell der Sound, der in Deutschland gefeiert wird: Deutschrap und Hip-Hop. Doch inmitten dieser großen Namen hat sich ein Newcomer platziert, der mit seinem eigenen Vibe und tiefgehenden Texten überzeugt: Berq (20). Seine Stimme ist unverwechselbar, seine Lyrics gehen unter die Haut, und sein visueller Stil hat definitiv etwas Künstlerisches.
Kein Wunder also, dass er beim Superbloom Festival in München am 8. September schon um 11:45 Uhr die Menge anlockte und für begeisterten Applaus sorgte. Wenige Stunden später traf ihn unser freier Mitarbeiter Fabian Girschick backstage zum Interview und erfuhr mehr darüber, was den talentierten Musiker ausmacht.
Du hast deine Karriere schon in sehr jungem Alter gestartet. Gibt es etwas, das du gerne von Anfang an gewusst hättest?
Ja, wie wichtig es ist, auf die Stimme zu achten. Und dass ich es schaffen kann – momentan sieht es gut aus. Ich hatte anfangs einfach nicht die Stimme, die man braucht, um auf der Bühne zu stehen. Das hat mich sehr gestresst, und tut es immer noch. Ich habe noch nie eine Tour gespielt, und jetzt stehen gleich zwei vor der Tür. Ich mache mir immer noch Druck, aber ich merke, wie viel Fortschritt ich mache. Ich hätte mir gewünscht, mir schon früh zu sagen, dass ich viel üben muss. Das bringt mir etwas.
Was würdest du als die größten Privilegien und als die größten Schattenseiten des Künstlerseins bezeichnen?
Das größte Privileg ist, dass ich oft vergesse, dass ich arbeite – es fühlt sich nicht so an. Es ist ein Geschenk, das zu tun, was ich liebe, und es "Arbeit" nennen zu dürfen. Die Schattenseite ist, dass es so viel Spaß macht, dass man nie abschaltet. Man arbeitet ständig – tagsüber, abends, nachts. Mein Kopf ist immer voller Gedanken: das Album, die Tour, der Druck, den ich mir selbst mache. Manchmal wünschte ich, ich könnte den Kopf ausschalten. Ich vermisse den Feierabend, den es nicht gibt.
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Du bist von Hamburg nach Berlin gezogen. Hatte dieser Umzug etwas mit deiner Karriere zu tun?
Nein, mein Umzug hatte eigentlich nichts mit meiner Karriere zu tun. Mein bester Freund ist nach Berlin gezogen, und ich habe gesagt, ich ziehe dorthin, wo er hingeht. Dass er jetzt an der UDK studiert, war Zufall.
Vermisst du etwas an Hamburg?
Hamburg ist eine angenehmere Großstadt, aber ich schätze Berlin auch immer mehr. Hamburg wirkt einseitiger, was die Menschen angeht. Ich genieße die Vielfalt in Berlin.
In Deutschland gibt es viele erfolgreiche Künstler, die sehr aggressive und teils fast schon toxische Lyrics in ihren Songs haben. Du verfolgst einen ganz eigenen Stil. Glaubst du, du hättest noch mehr Erfolg, wenn du eine ähnliche Richtung einschlagen würdest?
Auf meinem Album gibt es zwei Songs, die ich heute auch gespielt habe. Einer davon heißt "Mein Hass tritt dir die Haustür ein". Er verwendet viele gewaltvolle Bilder, aber bei mir steckt eine andere Absicht dahinter. Es gab jemanden, den ich sehr gehasst habe, und dabei fühlt man sich stark. Es hat etwas Selbstermächtigendes, ohne es gewaltverherrlichend zu meinen. Auch der Song "Alleine" ist kein lieber Text. Da bin ich ziemlich hart, aber es war auch etwas, wo ich dachte, dass viele Menschen, besonders die Verletzten, oft so hart zu anderen sind. Man fragt sich, warum man so lange so drauf ist.
Ich versuche, den Finger in die Wunde zu legen und ein bisschen der Sündenbock zu sein. Ich bin gespannt, wie die Leute reagieren, wenn ich diesen Song rausbringe. Für mich ist es teilweise unangenehm, ihn auf der Bühne zu spielen, weil ich mich damit nicht mehr identifizieren kann. Aber ich hatte dieses Gefühl einmal und – ich denke – andere Menschen auch. Ich bin gespannt, ob die Leute mich kritisieren oder sagen: "Hey, ich habe das auch schon gefühlt." Wenn man es aus diesem Grund macht, ist es anders als die Musik, auf die du angespielt hast.

Berq beim Superbloom Festival (Bild: Samantha Isted)
Welche Berührungspunkte hast du zur LGBTI-Community? Hast du vielleicht eine besonders große Fanbase unter queeren Menschen?
Ja, ich habe auf jeden Fall eine Fanbase, aber wie groß sie ist, ist schwer zu sagen. Ich habe auch queere Familienmitglieder, und das Thema ist dadurch für mich präsent. In meinem Umfeld ist es so normal, dass es "Berührungspunkte" fast zu wenig beschreibt. Es ist einfach Teil meines Lebens.
Gibt es etwas, das du queeren Menschen, die oft mit Hass und Hetze konfrontiert sind, sagen möchtest?
Ich bin selbst nicht direkt betroffen, aber ich fühle mit, weil ich das in meiner Familie erlebt habe. Es gab jemanden, der sich lange nicht traute, darüber zu sprechen, und ich glaube, es hat ihn sehr belastet. Ich wünsche viel Kraft, ein gutes Umfeld und hoffe, dass es immer normaler wird.
Dein neues Album steht kurz vor der Veröffentlichung. Kannst du uns schon etwas darüber verraten?
Es ist eine Momentaufnahme – vieles ungefiltert und sehr persönlich. Ein Querschnitt der wichtigsten Momente des letzten Jahres. Es gibt Liebeslieder und Heartbreak-Songs, aber auch ganz andere Themen: das Ausziehen, das Alleinsein in einer Wohnung, die veränderte Beziehung zu den Eltern. Ich glaube, es ist vielseitig genug, ohne komplett anders zu sein.
Links zum Thema:
» Die EP "Rote Flaggen" bei amazon music
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