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30 Jahre "Der bewegte Mann" – Teil III

Georg Roth: Aus Sister George wurde Dr. Rötger

Für die Verfilmung des Comics "Der bewegte Mann" wurde die Handlung von Düsseldorf nach Köln verlegt. Wir sprachen mit dem schwulen Kölner Schauspieler und Aktivisten Georg Roth, der eine Nebenrolle ergattern konnte.


Der Schauspieler Georg Roth ist u.a. Mitbegründer des Kölner Schwulen- und Lesbenzentrums SchuLZ, der Kölner Aidshilfe und der Bundesinteressenvertretung Schwuler Senioren (BISS) (Bild: privat)

Köln als eigentliche Hauptdarstellerin

Viele Filmszenen von "Der bewegte Mann" wurden in Köln gedreht. Wichtige Drehorte waren: das Gloria in der Apostelnstraße, der Mediapark, der sich zu dieser Zeit noch im Bau befand, die Außenfassade des Eduardus-Krankenhauses in Köln-Deutz sowie der Parkplatz neben dem Köln-Ehrenfelder Club Underground. Die Heirat von Axel (Til Schweiger) und Doro Feldheim (Katja Riemann) fand in St. Engelbert im Köln-Riehl statt. Wegen der Form des Daches wird diese Kirche von den Kölner*innen auch "Zitronenpresse" genannt.


"Der bewegte Mann" ist der bedeutendste Schwulenfilm, der bisher in Köln gedreht wurde

Das Kölner Gloria

Das Gloria ist der wichtigste Ort im Film. Der Film beginnt hier, zeigt Doro und Axel beim kellnern und Axel beim Sex auf dem Klo. Später ist hier zudem eine große Ballszene mit Max Raabe zu sehen. Das Kölner Gloria gibt es immer noch und ist nach wie vor auch für Veranstaltungen mit queerer Zielgruppe bekannt. Im Gloria fand bei Kaffee und Kuchen auch das Casting für eine Partyszene statt. Mit einem Poster im klassischen 90er Jahre Flair wurden "schrille Partygäste für Elses Party" und damit Komparsen für den Film gesucht. Diese Filmaufnahmen fanden jedoch später im Köln-Ehrenfelder Bel Air statt.


Die Statistensuche in Köln von 1994 und eine Filmszene, die im Gloria gedreht wurde

Die Party im Kölner Bel Air

Zu den vielen Partygästen gehörte auch Mario Kramp. Er ist in Köln weniger als Schauspieler, sondern eher als Historiker, vor allem später als Direktor des Kölnischen Stadtmuseums (2010-2022) bekannt. Sein schwarzes Kleid und die eleganten Damenschuhe, die er an diesem Abend im Jahre 1994 auf dem Ball trug, werden vom Centrum Schwule Geschichte bis heute als Erinnerung aufbewahrt. Wir bedanken uns beim Centrum Schwule Geschichte für die Recherche und eine Kopie des Posters.


Eine Filmszene mit Mario Kramp mit schwarzem Kleid, grünem Schal und Sonnenbrille. Das Kleid befindet sich heute im Bestand des Centrums schwule Geschichte

Wer ist Georg Roth?

Mit Georg Roth gibt es einen Kölner Schauspieler, der mit seiner Rolle sogar im Abspann des Films genannt wird. In seiner Rolle als Dr. Rötger hat er das Baby von Doro Feldheim (D: Katja Riemann) auf die Welt gebracht. Für alle Leser*innen außerhalb des Rheinlandes muss man ihn vielleicht kurz vorstellen. Zu seinem 70. Geburtstag schrieb queer.de 2019 über ihn: "Seit Ende der 1970er Jahre ist er in der schwulen Emanzipationsbewegung aktiv und Gründungsmitglied vieler Vereine wie Triviatas, dem ersten schwulen Männerchor Kölns, dem früheren Lesben- und Schwulenzentrum SchuLZ, der Aidshilfe Köln und später der Arcus-Stiftung. Seit 1986 ist er zudem unter seinen Bühnenfigur 'Sister George' bekannt und moderierte als Sister George jahrelang viele Veranstaltungen wie den CSD-Empfang in Köln. Für sein Engagement wurde er 2006 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet."

Zum 30. Jubiläum von "Der bewegte Mann" haben wir uns mit Georg Roth über den Film unterhalten.

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Georg, wie bist du zu dieser Filmrolle gekommen?

Ich kenne Ralf König seit vielen Jahren, schon als er in Dortmund Tunten-Theater gespielt hat. Er hatte mich vorgeschlagen und die Produzenten gefragt, ob sie nicht eine kleine Rolle für mich hätten. Ich fühlte mich geehrt und fand es toll, dass Ralf an mich gedacht hat. Und dann haben die mir die Rolle von Dr. Rötger angeboten und mir den Ausschnitt aus dem Drehbuch geschickt. Vom Eduardus-Krankenhaus sind im Film ja nur die Außenaufnahmen. Die Innenaufnahmen wurden, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, im ehemaligen belgischen Militärkrankenhaus in Köln-Ehrenfeld gedreht. Das war für mich ein Drehtag. Morgens wirst du geschminkt, dann werden Kostüme anprobiert. Das dauert beim Filmdreh ja immer ewig lang – mit Licht, Ton und den vielen Proben.

Wie war denn die Zusammenarbeit mit Katja Riemann und Sönke Wortmann?

Ich kann mich noch gut an Katja Riemann erinnern, weil die so lebensecht ihre Wehen gespielt hat. Es ist ja nur ein ganz kurzer Take, als sie auf dieser Trage lag und wir diese so durch den Flur geschoben haben.

Sönke Wortmann ist ein super Regisseur, der das sehr locker machte. Dabei hatte er ja einen echten Stress-Job, weil er für alles verantwortlich war. Für mich war der Dreh insgesamt sehr angenehm. Es gab zwar kaum jemanden, den ich kannte, aber alle sind sehr professionell mit einem umgegangen. Das waren dann drei oder vier Takes, bis das dann alles im Kasten war. Mit Til Schweiger und Rufus Beck hatte ich keinen Kontakt, weil beim Dreh ja immer nur die Leute vor Ort waren, die für diese Szene auch tatsächlich gebraucht werden.

Ich kann mich noch gut an die korpulente Krankenschwester vom Empfang erinnern, eine sehr raumgreifende und präsente Figur in dieser Krankenhausszene. Als Sister George hätte ich genauso gut auch diese Schwester spielen können.


Filmszene mit Dr. Rötger (Georg Roth. l.), der die hochschwangere Doro (Katja Riemann) in den Kreißsaal schiebt. Norbert Brommer (Joachim Król) muss sich alles mit ansehen

Hast du 1994 einen großen Erfolg oder eher einen Flop für möglich gehalten?

Ich kannte ja die ganzen Comics von Ralf und war sehr gespannt, was dabei rauskommt, konnte aber 1994 überhaupt nicht abschätzen, ob der Film ein Erfolg wird. Das war schließlich die erste Verfilmung eines Comics von Ralf König.

Mitte der 1990er Jahre war eine sehr männerbewegte Zeit, Männer waren soft und durften Probleme haben. Das war ja auch wichtig für gesellschaftliche Veränderungen und die ganzen geschlechtsspezifischen Rollenbilder. Ich hatte das Gefühl, dass es toll wäre, wenn der Film so funktioniert und was bewegen könnte, auch weil es Ralf mit seinen Comics einen Erfolg gegönnt hätte. Auch wenn im Film ja vieles ganz anders ist als im Comic, habe ich mich später über den Erfolg gefreut und dass es der erste große Mainstream-Film wurde, in dem Schwule präsent waren und der überall gezeigt wurde.

Ist der Film eine kongeniale Umsetzung eines Comics geworden?

Zum Zeitpunkt des Drehs konnte ich das nicht vergleichen, weil ich gar nicht das ganze Drehbuch kannte. Hinterher habe ich gedacht: Die wollten ein großes Publikum erreichen und haben da schon einiges begradigt. Aber wir Schwulen sind da ja nicht schlecht bei weggekommen. Ich fand es einen gelungenen Wurf, sonst wären ja auch nicht so viele Leute ins Kino gegangen. Ralf König war kritisch und hat angemerkt, dass man einiges auch anders hätte machen können.

Wie bei diesem Kinofilm frage ich mich manchmal auch bei den vielen Heteros beim Kölner CSD, was das alles bei denen wohl so auslöst. Auch durch eine Komödie werden nicht nur viele Menschen erreicht, sondern sie eröffnet die Möglichkeit des Nachdenkens. Brücken zu bauen ist wichtig, und dieser Film hat eine Brücke gebaut.

Und die Unterschiede? Nur im Comic kann sich Axel Sex mit einem Mann vorstellen und es wird Aids thematisiert

Die haben Aids vermutlich aus dem Drehbuch rausgelassen, weil es den Zugang zu Schwulen erschwert und diese Gleichsetzung Schwule und Aids transportiert hätte. Und das sage ich ganz bewusst vor dem Hintergrund, dass ich so eine alte Aids-Bewegungsschwester bin. Es geht auch darum, was die Hauptbotschaft von diesem Film ist, und das sind die Bilder von Männern und die männliche Geschlechterrolle.

Hätte sich Axel auch im Film Sex mit einem Mann vorstellen können, wäre das aus heutiger Sicht bestimmt aufklärerischer gewesen. Das Weglassen von diesem Detail war dem Ziel des Films, die Männerrolle so ein bisschen aufzuweichen, bestimmt nicht dienlich. Axel konnte zwar mit der Homosexualität anderer Männer umgehen, aber seine eigenen Fantasien wie im Comic blieben leider außen vor. Heute denke ich, dass man an diesem Punkt noch mehr draus hätte machen können, denn für mich ist einer der Hauptgründe für Homophobie das klassische Männerbild und die Vorstellung, dass Schwule keine richtigen Männer sind. Aber ehrlich gesagt, habe ich mir früher mit meiner kleinen Statistenrolle gar nicht so viele Gedanken darüber gemacht.


Nicht im Film übernommen: Die homosexuellen Wünsche von Axel und seine Angst vor Aids

Was deutlich vom Comic umgesetzt wurde, ist ja der lustvolle Umgang mit Analverkehr?

Es gibt ja diese Szenen in der Männergruppe und wo Waltraud im Fitnesscenter erzählt, dass nur der
Schließmuskel trainiert ist. Das ist für eine deutsche Produktion schon beachtenswert, weil diese ja eher so ein bisschen prüde sind. Ausländische Produktionen sind da deutlich frecher. Ich habe gerade die Serie "Bananas" und den Film "Bros" gesehen und finde es angenehm, wenn dort auf Analverkehr lustvoll und deutlich eingegangen wird.


Im Film übernommen: Die lustvolle Betonung des Analverkehrs

Macht sich der Film zu einseitig fast nur über Schwule lustig?

Die Comic-Figuren von Ralf sind ja alle sehr selbstbewusst, was seine Comics ja auch ausmacht. Ralf war enttäuscht, aber das ist bei vielen Autoren so, deren Werke adaptiert wurden. Er hat sich auf diesen Film eingelassen, und es sind die Produzenten, die letztendlich entscheiden, was da an Inhalten reinkommt und wie es inszeniert wird. Vorher kann man das kaum abschätzen.

Trotzdem hat der Film seine positive Wirkung gezeigt, und er ist bei weitem nicht so platt wie die tuntigen Filme von Bully Herbig. Mit einer Komödie erreichst du auf jeden Fall mehr Menschen als mit einem Drama. Ich habe selber viel Comedy auf der Bühne gemacht und weiß, dass Menschen gerne lachen. Das Leben ist ja schon anstrengend genug mit diesem ganzen "Wo komm ich her?", "Wo geh ich hin?" und "Was soll das Ganze?". Also hast du einen großen Bedarf an Entlastung und Lachen. Viele in meiner Generation kennen den Film. Er ist nicht so bedeutend wie "Nicht der Homosexuelle ist pervers…" (1973), aber er ist hängengeblieben und hatte ebenfalls seine Wirkung.

Gab es am Ende der Dreharbeiten noch eine Filmparty?

Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob es ein Abschlussfest gab. Aber ich kann mich noch gut an eine andere Veranstaltung erinnern: Arndt Klocke, der schwule NRW-Landtagsabgeordnete, veranstaltet in Köln bis heute die Filmreihe "Grünes Kino" und hat am 20. Juni 2014 zum 20-jährigen Jubiläum noch einmal "Der bewegte Mann" gezeigt. Sönke Wortmann, einige Statisten und darunter auch ich waren eingeladen und gekommen. Nach dem Film haben wir ihn und unsere Rollen noch mal resümiert. Eigentlich waren wir uns alle einig, dass es ein sehr guter Film geworden ist. Einige haben kritisch angemerkt, was man noch besser hätte machen können. Sönke Wortmann war offen, nicht nur eine Jubelveranstaltung zu machen, sondern seinen eigenen Film auch kritisch zu hinterfragen und so habe ich ihn auch von dieser Veranstaltung als sehr geerdet und reflektiert in Erinnerung behalten. Übrigens kann man – ganz unabhängig von diesem Abend – den Film sehr gut zum Anlass nehmen, um über die gesellschaftliche Situation von Schwulen zu reflektieren.


Diese Filmszene wurde auf einer Terrasse des Cinedoms im Mediapark gedreht. Der Rest des Mediaparks war 1994 noch im Bau

Wie gut oder schlecht ist der bewegte Film gealtert?

"Der bewegte Mann" kann man sich immer noch gut anschauen, auch wenn ich das länger nicht mehr gemacht habe. Die Schnitte in heutigen Filmen sind ja viel schneller, aber für seine Zeit ist er immer noch recht flott erzählt. Mir fallen zwei Filme ein, die nicht so gut gealtert sind: Neulich habe ich noch einmal Frank Ripplohs Film "Taxi zum Klo" (1980) und "Nicht der Homosexuelle ist pervers..." (1973) von Rosa von Praunheim und Martin Dannecker gesehen. Da braucht man schon historisches Interesse, um sich die noch mal anzugucken. Die sind natürlich toll gemacht für ihre Zeit. Aber die Sehgewohnheiten sind heute schon anders, das Filmformat ist für heutige Zuschauer gewöhnungsbedürftig.

Wurdest du auf deine Rolle in diesen Film angesprochen?

Einigen ist meine Rolle aufgefallen und haben mich darauf angesprochen. Ich kann mich erinnern, dass ich mal zusammen mit Hella von Sinnen, die damals noch mit Cornelia Scheel zusammen war, im Kino saß und mir den Film anschaute. Erst im Abspann las sie meinen Namen und brüllte rum: "Hey, du stehst ja auf der Liste. Ist ja toll, dass du da mitgemacht hast. Wo warst du denn im Film?" Ich fand das witzig, dass sie mich im Film gar nicht erkannt hatte.

Wesentlich häufiger werde ich allerdings darauf angesprochen, dass ich mal in zwei Folgen von "Ein Fall für die Erdmännchen" mitgespielt habe. Der Puppenspieler Martin Reinl hatte mich angesprochen und mich – wie auch andere Bekannte von ihm – in diese Serie integriert. "Ein Fall für die Erdmännchen" wird heute mehr geguckt als "Der bewegte Mann".

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Hättest Du in deinem Leben gerne mehr Filmrollen übernommen?

Bisher habe ich nur drei kleine Filmrollen in meinem Leben gehabt. Neben "Der bewegte Mann" hatte ich noch eine kleine Rolle in "Knockin' on Heaven's Door" (1997), wo ja auch Til Schweiger u.a. als Darsteller mitgewirkt hat. Vor ein paar Jahren habe ich dann in einer Produktion von Martin Reinl "Ein Fall für die Erdmännchen" mitgewirkt. Fürs Kinderprogramm. Das war sehr lustig. Mehr Filmrollen zu bekommen, hätte ich zwar spannend gefunden, ist aber auch anstrengend und "Film" ist so eine eigene Welt, in die du erst mal rein musst. Ich habe mich da nie so richtig reingekniet.

Das liegt daran, dass mein Metier vor allem das Theater ist. Rund 20 Jahre lang gehörte ich zum Ensemble der "Springmaus" [einem 1983 gegründetes Improvisationstheater aus Bonn; Anm. d. Red.]. Hier hatte ich immer das Gefühl, dass ich das gerne und gut mache. Mit meiner tollen Kollegin Margie Kinsky habe ich die Leute zum Lachen gebracht und konnte ein bisschen meinen Geist blitzen lassen. Ganz im Gegensatz zum Film, wo du nur das sagen darfst, was im Drehbuch steht und auf den Punkt alles genau noch mal genauso wiederholen musst. Auch mit Hella von Sinnen stand ich ja schon oft gemeinsam auf der Bühne und habe mit ihr einige Galas moderiert. Auf der Bühne haben wir uns gut ergänzt. Theater war für mich viel interessanter als Film.

Was bleibt nach 30 Jahren "Der bewegte Mann" für dich übrig?

Ich gucke gerne auf mein Leben zurück und ich habe das Gefühl, viel erreicht zu haben. Gerade die 1980er und 1990er Jahre waren eine spannende Zeit mit viel Selbstverwirklichung, Solidarität und Bewegung. Triviatas, SchuLZ, Aidshilfe, später dann BISS und die Aufhebung der 175er-Urteile, das alles sind wichtige Stationen. Brücken bauen war für mich immer ein wichtiger Terminus. "Der bewegte Mann" hat eine Brücke gebaut und ist daher ein kleiner, schöner Tupfer in meinem Leben!

Teil I: Der richtige Film zum richtigen Zeitpunkt
Teil II: So kam Max Raabe zu seiner ersten Filmrolle

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06.10.24 | 30 Jahre "Der bewegte Mann" – Teil I
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06.10.24 | 30 Jahre "Der bewegte Mann" – Teil II
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