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Kommentar

Der Justizminister stößt trans Eltern vor den Kopf

Der Referentenentwurf von Bundesjustizminister Marco Buschmann zum Abstammungsrecht will an der "traditionellen Elternschaft von Mutter und Vater" nicht rütteln. Trans Eltern sollen in Geburtsurkunden weiterhin misgendert werden.


Symbolbild: Familie Lehwald-Crawford mit trans Mutter Carly (r.) in der US-Dokuserie "Becoming Us" (Bild: ABC)

Im Januar dieses Jahres veröffentlichte das Bundesjustizministerium (BMJ) ein Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungs- und Familienrechts. Inzwischen ist dazu ein Referentenentwurf bekannt geworden – nämlich das Abstammungsrechtsreformgesetz (queer.de berichtete). Es soll der gesellschaftlichen Entwicklung, wie sie sich etwa durch die Ehe für alle, aber auch durch weitere Familienformen ergeben hat, Rechnung tragen. Also schauen wir uns das Modernisierungsvorhaben einmal genauer an.

Zur Erinnerung: Keine Bundesregierung zuvor trat jemals mit einem "Aktionsplan Queer Leben" an wie die Ampelkoalition bei ihrem Regierungsantritt Ende 2021. In dem umfangreichen Papier waren alle Versäumnisse der vorangegangenen Regierungen der letzten Jahrzehnte in Sachen queer aufgelistet – gleich, ob es um den Bereich rechtliche Anerkennung, Teilhabe, Sicherheit (Stichwort Gewaltschutz) oder um Gesundheit ging. Das ließ die Hoffnungen in der queeren Community mächtig aufblühen.

Queerpolitische Bilanz der Ampel eher dürftig

Doch was ist aus dem queerpolitischen Ehrgeiz geworden? Für den Bereich rechtliche Anerkennung sind fünf Projekte aufgelistet: Änderung des Artikel 3 des Grundgesetzes (Stichwort Schutz der sexuellen Identität), das Abstammungs- und Familienrecht, das Selbstbestimmungesetz, die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und schließlich das Thema Geflüchtete LSBTIQ unter dem Aspekt ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit.

Die eher dürftige Bilanz: Lediglich das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) ist nach drei Jahren Regierungsarbeit realisiert worden und tritt bekanntlich am 1. November in Kraft. Wir müssen hier die unselige Diskussion um das SBGG mit all ihrer berechtigten Kritik an bestimmten Regelungen nicht wiederholen, denn eines ist damit auf jeden Fall erreicht: Der diskriminierungsfreie, weil gutachtenfreie Zugang zum richtigen Geschlechtseintrag und Namen durch Selbstauskunft. Das immerhin ist geschafft, wenn auch mit Blick auf das Thema Geflüchtete mit leider zu vielen Ausschlüssen.

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Wir wollen moderner werden, aber die Tradition nicht anrühren

Nun also, ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl, steht ein weiteres großes Reformvorhaben in den Startlöchern des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens – das Abstammungs- und Familienrecht. Vor neun Monaten fiel mein Kommentar zu den Eckpunkten ernüchternd aus. Denn das Thema trans Eltern kam dort einfach nicht vor. Deshalb die Frage: Hat sich mit dem Referentenentwurf in dieser Hinsicht jetzt etwas verändert?

Nein, obgleich in Artikel 5 des Entwurfs Bezug genommen wird auf das SBGG. Auch wenn in der Einleitung zum Gesetzentwurf vom Reformbedarf gerade durch das SBGG die Rede ist, also Regelungsbedarf bestehe "für Menschen mit geändertem, keinem oder dem Geschlechtseintrag 'divers', die die Eltern eines Kindes sind oder werden wollen", lautet die verquere Schlussfolgerung daraus: Es bedürfe einer Reform, "die die traditionelle Elternschaft von Mutter und Vater bestehen lässt […]". Genau das aber funktioniert nicht bei trans Elternschaft, die in einem wesentlichen Punkt eben nicht "traditionell" aufgestellt ist.

Das BMJ scheint hier nach der Devise zu verfahren, wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Wir wollen moderner werden, aber die Tradition nicht anrühren. Das ist ungefähr so, als ob man auf hundert Prozent Digitalisierung setzt, aber nur Faxgeräte dafür zur Verfügung stellt. Klarstellen möchte ich: Ich beschränke mich hier ausdrücklich auf das Thema trans Elternschaft und verkenne keineswegs die enormen und überfälligen Verbesserungen, die die Reform unter anderem für nichteheliche, gleichgeschlechtliche und sogenannte Regenbogenfamilien bringt.


Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will den Referentenentwurf zum Abstammungsrecht am 25. Oktober 2024 mit Vertreter*innen der Landesjustizverwaltungen diskutieren (Bild: Julia Deptala)

Das Selbstbestimmungsgesetz wird einfach ignoriert

Was heißt das nun konkret? Mit "Tradition" meint das BMJ: "Ein Kind hat auch künftig nur zwei rechtliche Eltern." Einverstanden, aber dann folgt: "Die Frau, die das Kind gebiert, ist auch künftig stets die Mutter des Kindes […]." Und genau hier liegt der berühmte Hase im Pfeffer. Denn wir kennen ja längst gebärende Väter, nämlich trans Männer, deren Geschlechtszugehörigkeit per Gerichtsbeschluss als männlich festgestellt wurde und die weiter gebärfähig sind. Mit der Geburt eines Kindes wird mal eben die geänderte Geschlechtszugehörigkeit übergangen und so getan, als existiere sie nicht, um den trans Mann mit der Geburt kurzerhand als Mutter in die Geburtsurkunde des Kindes einzutragen.

Die vorangegangene Personenstandsänderung ist also das Papier nicht wert, auf dem sie beglaubigt wurde. Nun hat gerade jüngst der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass Personenstandsänderungen verbindlich in allen EU-Mitgliedsstaaten anerkannt werden müssen (queer.de berichtete). Und auch das SBGG sagt nirgendwo, dass eine Personenstandsänderung nur eingeschränkt gültig sein soll. Im Gegenteil, es bekräftigt deren vollumfängliche Gültigkeit, und es bekräftigt, was 2011 und 2017 das Bundesverfassungsgericht als verbindlich verkündete – nämlich die Beantwortung der Geschlechtszugehörigkeit unabhängig von körperlichen Merkmalen zu ermöglichen.

Ein trans Vater wird als "Geburtsmutter" misgendert

Was das BMJ mit "Tradition" meint, findet sich in § 1591 BGB, wo es heißt: "Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat." Geändert werden soll lediglich der Begriff Mutter in "Geburtsmutter", um etwa in lesbischen Ehen mit zwei Müttern eine eindeutige Zuordnung zu ermöglichen. Es ist die "Geburtsmutter", die als erstes Elternteil in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen wird. Der Eintrag für das zweite Elternteil ist für trans und nichtbinäre Menschen dann eher problemlos, welch Wunder, weil hier der jeweils aktuelle Personenstand Berücksichtigung findet. Im Gesetzentwurf heißt es dazu: "Hat eine Person einen geänderten, keinen oder den Geschlechtseintrag 'divers', wird sie in gleicher Weise Elternteil des Kindes wie eine Frau oder ein Mann, ohne dass ihr Geschlecht der Zuordnung entgegensteht."

Immer dieser Ärger mit der Biologie, der gar nicht sein müsste, wenn wir ein wenig unverkrampfter auf die Lebenswirklichkeit einer kleinen Gruppe von Menschen schauen würden – in unserem Fall von trans und nichtbinären Menschen im Allgemeinen und von trans Männern im Besonderen. Es ist offensichtlich, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen fein ist mit der Mutter- und Vater-Zuordnung. Weshalb sich für sie nichts, aber überhaupt nichts ändern würde, würde der § 1591 BGB beispielsweise eine kleine Ergänzung erfahren, wo es dann heißen könnte: "Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat, ausgenommen in Fällen einer geänderten Geschlechtszugehörigkeit. Näheres regelt das Abstammungsrecht in Verbindung mit dem SBGG."

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Jedenfalls darf eine Änderung des Personenstands keine Geschlechtszugehörigkeit zweiter Klasse sein. Denn Transsein ist eine Lebenswirklichkeit, wie sie es in Fragen der Geschlechtsidentität für den großen Rest der Gesellschaft eine ist. Darin unterscheiden wir uns in nichts. Wir leben nicht im Modus des Als-ob, auch wenn das immer wieder gewisse Leute mit ihrem ignoranten Biologismus behaupten.

Der Entwurf ist respektlos gegenüber trans Menschen

Trans und nichtbinäre Menschen weiterhin in ihrem Geburtsgeschlecht ansprechen zu wollen, das nicht ihrer Geschlechtsidentität entspricht, kann ich nicht anders als borniert nennen. Wer das mit einem biologisch fundierten Geschlechtsbegriff zu rechtfertigen versucht, sagt doch nur, dass ihm der Anstand fehlt, um anderen Menschen respektvoll zu begegnen. Fatal wird es nur, wenn Reformen ausgerechnet diejenigen ausklammert und so offensichtlich benachteiligt, die diese Reform am dringendsten nötig hätten.

"Wer Gender Trouble im Abstammungsrecht aussäht, wird queere Rechtsmobilisierung ernten." So kommentierte die Anwältin Lucy Chebout den Passus zur trans Elternschaft im SBGG. Wer es mit der Selbstbestimmung ernst meint, der muss das Identitätsgeschlecht auch im Fall der biologischen Elternschaft voll anerkennen. Warum nicht zur Abwechslung in Sachen Freiheitsrechte mal einen großen Wurf landen? Der Referentenentwurf zum Abstammungsrecht bleibt beim Thema trans Elternschaft klar hinter der Ziellinie.

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