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TV-Tipp
So queer war noch keine deutsche Serie!
Sein Vater ist plötzlich gestorben, sein nerviges Studium bricht er ab, die Beziehung kriselt: Lalos Welt gerät aus den Fugen. So queer – und so gut – wie "Schwarze Früchte" war schon lange keine deutsche Serie mehr.

Lamin Leroy Gibba als Laro in "Schwarze Früchte". Die Serie kann in der ARD-Mediathek gestreamt werden, am 18. Oktober 2024 ab 23:00 Uhr läuft sie zudem auf ONE (Bild: ARD Degeto / Jünglinge Film / Studio Zentral / Claudia Schröder)
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18. Oktober 2024, 12:02h 4 Min.
Die Schwiegereltern kennenlernen – es gibt wahrscheinlich entspanntere Momente in einer Beziehung. Aber heute ist es soweit. Nach zwei Jahren sollen Tobias' spießige Eltern seinen Freund Lalo treffen. Dass der mit Mitte 20 sein Architekturstudium gerade erst abgebrochen hat, solle er besser nicht erwähnen, bittet Tobias ihn auf dem Weg zum gepflegten Klinkerhaus. Das kann ja heiter werden.
Wird es – nicht. Lalo zieht seine Schuhe nicht früh genug aus, kippt den guten Rotwein auf Ex runter, reagiert auf übergriffige Fragen zu Rassismus-Erfahrungen zurecht gereizt. Und, impulsiv wie er ist, kontert: Wer hat nochmal wen betrogen, die Mutter den Vater oder andersrum?
Lalo ist eine echte Nervensäge
"Schwarze Früchte", die neue queere und postmigrantische ARD-Serie (ab heute zum Streamen in der ARD-Mediathek sowie ab 23:00 Uhr auf ONE), verlässt sich ganz am Anfang vielleicht ein bisschen zu sehr auf altbekannte Motive, die sie um die Aspekte schwul und Schwarz sein erweitert. Aber es lohnt sich, alle acht Folgen zu schauen. Denn so queer war schon lange keine deutsche Serie mehr. Und so gut auch nicht. Queerness versteht die Serie dabei nicht nur sexuell- obwohl es Dickpics auf Grindr, Wichse im Bett und unverbindlichen Oralsex gibt – sondern größer.
Lalo, gespielt von Lamin Leroy Gibba, ist zwar super lieb und sympathisch, aber auch eine richtige Nervensäge. Das merkt nach und nach sein ganzes Umfeld: Los geht's, als sein Freund Tobias (Nick Romeo Reimann) nach dem Auftritt bei seinen Eltern eine Pause braucht.
Karla trifft ihre Ex beim Klassentreffen
Dabei ist Lalo ohnehin überfordert: Vor acht Wochen ist sein Vater überraschend gestorben. Er hat noch gar nicht wirklich realisiert, dass er tot ist, da will seine Mutter schon die ganzen Erinnerungen wegwerfen. Und dann schmeißt er auch noch sein Architekturstudium, das hat eh nur genervt. Stattdessen will er Künstler werden. Sein Projekt: eine Installation. Irgendwas mit Videos. Sein bester Freund Bijan (Benjamin Radjaipour, bekannt aus "Futur Drei"), selbst Künstler, ist nicht ganz so überzeugt davon.
Besser läuft's bei Karla (Melodie Simina), seiner besten Freundin seit Schulzeiten. Die wurde gerade befördert. Und schon muss sie sich anhören, dass sie nur aufgestiegen ist, weil sie eine Frau und Schwarz ist. Damit könne sich das Unternehmen schmücken. Als sie bei einem Klassentreffen ihre Exfreundin trifft, stürzt sie das zusätzlich ins Gefühlschaos.
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Queerness vor und hinter der Kamera
"Schwarze Früchte" ist für die deutsche Serienlandschaft ein echter Meilenstein. Denn ja, queere und postmigrantische Repräsentation ist wichtig, weil beides zu Deutschland dazugehört – und aktuell so bedroht ist wie schon lange nicht mehr. Aber genauso wichtig ist, dass es nicht nur ein paar schwule Rollen gibt, sondern sich echte Queerness auch in der gesamten Produktion, vor und hinter der Kamera, widerspiegelt. Aus "All you need", wo vier Heteros schwule Klischeemänner gespielt haben, hat man offenbar gelernt
Aber: Repräsentation und Beteiligungen bringen nichts, wenn das Ergebnis nicht überzeugt. Die acht Folgen von "Schwarze Früchte" machen jedoch wirklich großen Spaß. Die Dramedy-Serie lässt einen das Lebensgefühl dieser Hamburger queeren und Schwarzen Bubble spüren, nimmt sie und ihre Probleme – Sexismus, Queerfeindlichkeit, Rassismus – ernst, aber ganz ohne didaktischen Zeigefinger. Aber die Serie macht sich auch liebevoll lustig über die Befindlichkeiten dieser "woken" Bubble: über Lalo, der jeden Konflikt aussprechen will, dem vieles "einfach zu krass" ist oder er mal wieder was nicht "spürt".
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Die Serie ist kein Plädoyer
Vor allem in den Konflikten – und davon gibt's mehr als genug – zeigt sich das Talent von Hauptdarsteller Lamin Leroy Gibba, der die Serie als Headautor gemeinsam mit einem Writers Room schrieb. Und auch in den vielen absurden, awkward Momenten der Serie gelingt die Mischung aus Drama und Comedy wunderbar. Und "Schwarze Früchte" sieht auch noch richtig gut aus. Claudia Schröder und Louis Malcolm Saidou Reiss finden coole, oft nahe Perspektiven, der Look insgesamt ist sehr hochwertig.
Bei solchen wie ähnlichen Projekten ist schnell die Rede von einem "Plädoyer". Doch "Schwarze Früchte" ist genau das nicht – zum Glück. Die Serie unter der Regie von Elisha Smith-Leverock und David Uzochukwu gibt Menschen, die sonst wenig gehört und gesehen werden, Räume für ihre Geschichten. Die sind mal komplett anders als die der Mehrheitsgesellschaft. Oft aber auch ganz ähnlich. Aber vor allem gehören sie selbstverständlich dazu – ganz ohne Plädoyer.
Links zum Thema:
» "Schwarze Früchte" in der ARD-Mediathek
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