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Ab Donnerstag im Kino
Die triste Scheußlichkeit christlicher Dogmen
Der durchweg pessimistische Film "Des Teufels Bad" lebt durch seine starke Bildsprache, die Kamera verliert sich in den Tiefen des Waldes, in den schwindelerregenden Höhen von Wasserfällen, in düsteren christlichen Symboliken.

Ein atmosphärisches Bild Österreichs in der Mitte des 18. Jahrhunderts: Szene aus "Des Teufels Bad" (Bild: Plaion Pictures)
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11. November 2024, 13:57h 4 Min.
"Da wäre Platz für den Herrgottswinkel", huldigt Agnes und deutet in eine leere, finstere Ecke ihres neuen Hauses. Zu einem wirklichen Zuhause avanciert die Hütte für sie nie. Sie ist frisch verheiratet mit Wolf, und ihr Ehemann hat einen Kredit aufgenommen, um sich das Gebäude leisten zu können. Es liegt im dichten Geäst im Wald verborgen, fußläufig zu den Seen, in denen seine bäuerliche Familie fischt. Agnes hat den unbändigen Wunsch, selbst Mutter zu werden und verzweifelt immer mehr an dieser unerfüllten Hoffnung.
Denn ihr Ehemann ist nicht bereit, ihr diesen Wunsch zu erfüllen: Er schiebt sie in der Hochzeitsnacht und in weiteren Nächten von sich und masturbiert hinter ihrem Rücken. Wolf (David Scheid) scheint nicht interessiert an dem Austausch von Intimitäten zu sein, verhält Agnes (Anja Plaschg) gegenüber vielmehr passiv und träge. Man könnte ein unausgesprochenes homosexuelles Verlangen hinter dieser Abstinenz vermuten, diesen Punkt vertieft "Des Teufels Bad" jedoch nicht weiter und belässt Zuschauer*innen wie Hauptfigur im Unklaren. Ihre Freundschaft zu einer gleichaltrigen schwangeren Frau zieht sie stärker in ihre intensive Obsession mit einer gottgewollten Mutterfigur: Sie stiehlt aus der eigenen Resignation heraus ein anderes Neugeborenes und ein wächsernes Christuskind aus der Kirche.
Eine innerlich verrottete Gesellschaft

Poster zum Film: "Des Teufels Bad" startet am 14. November 2024 bundesweit im Kino
"Des Teufels Bad", der auf der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb lief und auch um einen Teddy Award konkurrierte, zeichnet ein atmosphärisches Bild Österreichs in der Mitte des 18. Jahrhunderts; das Drehbuch wurde auf Grundlage von Protokollen jener Zeit verfasst. Der Film wird unterlegt einem sakralen und atmosphärischen Soundtrack der Hauptdarstellerin Plaschg, die unter dem Pseudonym Soap&Skin musikalisch tätig ist. Der durchweg pessimistische Film lebt durch seine starke Bildsprache, die Kamera verliert sich in den Tiefen des Waldes, in den schwindelerregenden Höhen von Wasserfällen, in düsteren christlichen Symboliken. Kameramann Martin Gschlacht wurde in Berlin mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet (queer.de berichtete).
Wiederkehrend ist das Motiv von toten Tieren, das metaphorisch aufzeigt, wie innerlich verrottet die Gesellschaft der Zeit ist. Agnes ist überfordert mit der von ihr erwarteten Rolle als Hausfrau und den damit verbundenen Pflichten, gerät immer wieder in den Konflikt mit Wolfs Mutter, die sie als Belastung empfindet und aufdringlich in ihre Handlungen eingreift. Auf familiäre Unterstützung durch ihre Mutter und ihren Bruder kann sie nicht zählen, sie vereinsamt. Agnes ist so gelähmt von der an sie gestellten Erwartungshaltung, dass sie sich selbst lähmt: Sie wird des Lebens müde und vergiftet sich selbst mit Rattengift. Den Rücken zum zwischenmenschlichen Leben gewandt, sucht sie transzendenten Kontakt zu Gott und flüchtet sich in ehrfürchtige Gebete.

Kameramann Martin Gschlacht wurde auf der Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet (Bild: Plaion Pictures)
Gewaltverbrechen als letzter Ausweg
Da die christliche Gemeinde Suizid als die höchste aller Sünden einstuft, scheint ein Gewaltverbrechen der einzige Ausweg aus ihrer Stagnation zu sein. Es gilt als verachtenswert, sich gegen das gottgegebene Leben zu entscheiden und so keine Erlösung mehr durch den Pfarrer mehr erfahren zu können. Die Verletzung unschuldiger Menschen, so argumentiert der Film eindringlich, schont in der konservativen Vorstellung die Gläubigen vor der zornigen Vergeltung Gottes und dem Einzug in die Hölle. Und hierin liegt der düstere Clou von "Des Teufels Bad": Diese fundamentalistische Auslegung führte insbesondere Frauen und Mütter zu grausigen und vollkommen entbehrlichen Verbrechen. Als mittelbaren Selbstmord wird diese Tat auch bezeichnet. Der Film scheut sich nicht, diese christlichen Dogmen in all seiner tristen Scheußlichkeit aufzuzeigen und zu kritisieren.
Der morbiden Ästhetik und der musikalischen Atmosphäre kann die narrative Dynamik des Films jedoch nicht genüge tun. Den klaustrophobischen Effekt ihres Erstlingswerks "Ich seh Ich seh" kann das Regie-Duo Veronika Franz und Severin Fiala hier nicht erreichen. Trotz einer bemerkenswerten Performance von Hauptdarstellerin Plaschg, die in österreichischem Dialekt sämtliche emotionale Register zieht und engagiert die einzelnen Etappen ihres Leidenswegs verkörpert, schafft das Werk es mitunter nicht, einen Fokus zu setzen. Die Charakterstudie bleibt oftmals zu oberflächlich, und der Film schleppt sich mühsam voran, bis er in einem vorhersehbaren wie brutalen Ende mündet.
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Des Teufels Bad. Historiendrama. Österreich 2024. Regie: Veronika Franz, Severin Fiala. Cast: Anja Plaschg, David Scheid, Maria Hofstätter. Laufzeit: 121 Minuten. Sprache: deutsche Originalfassung. FSK 16. Verleih: Plaion Pictures. Kinostart: 14. November 2024
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