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Graphic Novel

Die Macht der Rattenfänger*­innen

Claus Daniel Herrmann erzählt in seiner klugen und empowernden Graphic Novel "Pinke Monster" eine schwule Coming-of-Age-Geschichte zwischen aufoktroyierten Schuldgefühlen und mutiger Emanzipation.


Schüchterne Blicke in der Umkleide: Szene aus "Pinke Monster"

Schuld an gesellschaftlichen Krisen, Gefährdung der öffentlichen Gesundheit, Ursache für wirtschaftliche Probleme – seit jeher werden queere Menschen für eine Vielzahl von Problemen verantwortlich gemacht, die oft nichts mit ihrer Existenz oder ihrem Leben zu tun haben. Die Schuldzuweisungen variieren je nach ideologischer Ausrichtung und Kontext der Gesellschaft. Sie sind häufig geprägt von Vorurteilen, Desinformation und diskriminierenden Narrativen. Dabei sind solche Behauptungen (natürlich) nicht nur faktisch falsch, sondern dienen oft dazu, bestehende Machtstrukturen zu erhalten und queere Menschen zu marginalisieren.

Das gilt nicht nur für große gesellschaftliche Zusammenhänge, sondern zeigt sich auch in individuellen Beziehungen, wo queere Menschen oft für familiäre Konflikte, persönliche Krisen oder das Scheitern traditioneller Erwartungen verantwortlich gemacht werden. Diese Mechanismen verschärfen die Isolation und den Druck, denen queere Menschen ausgesetzt sind, und machen deutlich, wie tief verwurzelt diese Schuldzuweisungen in sozialen Strukturen sind.

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Die Welt der menschenfeindlichen Esoterik


"Pinke Monster" ist Anfang November 2024 im Comicverlag Reprodukt erschienen

Zunächst scheint der 14-jährige Frank davon allerdings nicht betroffen zu sein. Wohlbehütet wächst er als Einzelkind mit Vater und Mutter in einem Einfamilienhaus auf und geht noch zur Schule. Seine große Leidenschaft gilt indes dem Zeichnen. Am allerliebsten malt er Monster und Zombies. Als seine schüchternen Blicke in der Umkleide nach dem Sportunterricht immer wieder auf seine oberkörperfreien Mitschüler wandern, scheint sich ein erstes Begehren in ihm breit zu machen. Dass sich dann auch noch einer von ihnen, sein Klassenkamerad Michael, plötzlich für Franks Zeichnungen interessiert, ist umso aufregender. Eine verheißungsvolle Zeit voller Leichtigkeit will sich ankündigen, doch seinem kranken Vater will es einfach nicht besser gehen. Dieser ist depressiv und Franks Mutter mehr als verzweifelt über dessen Zustand. Als sie dann die esoterische Heilerin Thea hinzuzieht, die den Grund für die Depressionen in den "dunklen Energien im Haus" sieht, geraten plötzlich nicht nur Franks Monster ins Visier.

Der Kölner Illustrator und Comiczeichner Claus Daniel Herrmann erzählt in seiner Graphic Novel "Pinke Monster" (Amazon-Affiliate-Link ) eine schwule Coming-of-Age-Geschichte, die er mit der Welt der menschenfeindlichen Esoterik zusammenbringt. Er zeigt auf, wie Ideolog*­innen selbst über scheinbar rationale Menschen Macht gewinnen können, sobald ihnen genügend Raum gegeben wird. Mit "Pinke Monster" zählte Herrmann 2023 zu den Finalist*­innen des renommierten Berthold Leibinger Comicbuchpreises. Nun erscheint sein Erstlingswerk im November im Comicverlag Reprodukt.

Interpretationsspielraum der Uneindeutigkeit

Herrmanns "Pinke Monster" kommt dabei zunächst in klassischem Schwarz-weiß-Look daher. Erst die Heilerin Thea bringt den – bereits im Titel angeteaserten – pinken Anstrich mit sich, der wie eine eigene metaphorische Erzählebene innerhalb des Werks zu verstehen ist. Sind es zunächst nur Theas Schal, Handtasche, Ringe und ihre Wangen, springt die Farbe schließlich auch auf Frank über.

So eröffnet sich ein Interpretationsspielraum der Uneindeutigkeit, der sich diametral zur eher simplen Handlung steht. Das nimmt man als Leser*in dankbar an – nicht zuletzt, weil es hier und da sehr konstruiert wirkende Szenen gibt. Dazu zählt nicht zuletzt Franks Coming-out vor der eigenen Mutter, das recht plötzlich und nicht minder gewollt anmutend daherkommt.

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Ein Plädoyer fürs Aufmerksamsein

Damit tritt zwar eine gewisse Vorhersehbarkeit des weiteren Handlungsverlauf ein, die der thematisierten Gefahr, die von Ideolog*innen ausgeht, aber keinen Abbruch tut. Gerade auf junge und orientierungslose Menschen können jene Rattenfänger*innen einen großen Einfluss ausüben. Von Faszination bis hin zur Indoktrination ist dabei alles möglich. Beispielhaft spielt Herrmann das an seiner Figurenkonstellation durch und lässt gerade seinen Protagonisten Frank von Faszination über vollständige Emanzipation alle Phasen durchlaufen.

Wie wichtig dabei das Außen ist, zeigt sich hier besonders schön – vor allem sein Mitschüler Michael spielt dabei eine große Rolle. Ein Plädoyer fürs Aufmerksamsein, für den Mut, den es braucht, für sich selbst einzustehen, sich zu emanzipieren und sich auch seinen Nächsten in den Weg zu stellen, wenn es die Situation verlangt. Umso schöner, wenn es – wie bei Herrmann – am Ende auch reichlich belohnt wird.

Infos zum Buch

Claus Daniel Herrmann: Pinke Monster. Graphic Novel. Zweifarbig. 208 Seiten. Reprodukt. Berlin 2024. Taschenbuch: 24 € (ISBN 978-3-95640-441-2)

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Galerie:
Leseprobe "Pinke Monster"
23 Bilder
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