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Streamingtipp
Sex, Liebe und andere Grausamkeiten
Der Film "Eiskalte Engel" von 1999 gilt auch unter Queers als Kultklassiker. Eine neue TV-Serie gleichen Namens will an den Erfolg von damals anknüpfen. Sie ist zwar entspannter queer, aber nicht ganz so fies und deutlich weniger sexy.

Gelungene Neubesetzung: Zac Burgess als Lucien Belmont in der neuen Serie "Eiskalte Engel" (Bild: Amazon Studios)
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30. November 2024, 11:42h 4 Min.
Bis heute hält sich die Legende, dass einige Männer beim Schauen von "Eiskalte Engel" (englischer Titel: "Cruel Intentions") realisierten, dass sie schwul sind – weil sie dem damals 25-jährigen, äußerst attraktiven Hauptdarsteller Ryan Philippe einfach nicht widerstehen konnten. Phillipe war zu jener Zeit in seinen Filmen routinemäßig nur leicht bekleidet zu sehen, etwa im Schiffsuntergangsdrama "White Squall" (1996), im Teenie-Horror "I know what you did last Summer" (1997) oder im Disco-Biopic "Studio 54" (1998), in dem er noch dazu einen Bisexuellen spielte, was aber erst im Director's Cut von 2015 so richtig zur Geltung kam.
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Philippe hatte zudem den Respekt der queeren Community, weil er in seiner allerersten Rolle überhaupt gleich den ersten offen schwulen Teenager in einer TV-Serie gespielt hatte, in der US-Soap "One Life to Live" von 1992 – damals ein bahnbrechendes Ereignis.
Verführerische Fiesheit
Aber in "Eiskalte Engel" war er nicht wie sonst überall einfach nur sexy, er spielte den zynischen, reichen Bad Boy mit verführerischer Fiesheit. Und auch wenn im Film am Ende dann doch die moralische Korrektheit siegt, blieb "Eiskalte Engel" in Erinnerung als gelungene Modernisierung von Pierre Choderlos de Laclos' Romanvorlage "Les Liaisons dangereuses", die 1988 mit Glenn Close, John Malkovich und Michelle Pfeiffer schon einmal verfilmt worden war, aber im historischen Originalsetting.
Nun gibt es also von Amazon Prime einen neuen Anlauf und eine erneute Modernisierung. Wieder geht es um reiche, durchtriebene Stiefgeschwister, Lucien und Caroline, die eine Wette darüber abschließen, ob es Lucien gelingt, ein bestimmtes Mädchen zu verführen. Der Preis ist der gleiche: Gewinnt er, darf er endlich auch mit Caroline schlafen. Das Mädchen ist diesmal jedoch nicht die brave Tochter des neuen Schulleiters, sondern die noch jungfräuliche Tochter des afroamerikanischen US-Vizepräsidenten. Und Lucien soll sie nicht nur in sein Bett kriegen, sondern auch davon überzeugen, der Studentinnen-Verbindung beizutreten, in der Caroline wie eine Königin herrscht. Es geht hier also nicht nur um Sex, sondern auch um Reputation und Macht.
Schwule Affäre, lesbischer Kuss
Schon im Film von 1999 gab es eine schwule Figur, Blaine, ein Freund von Philippes Bad Boy. Er hilft ihm dabei, einen anderen, heimlich schwulen Studenten mit kompromittierenden Fotos zu erpressen. In der neuen Serie heißt er Blaise, ist Asiate und lebt sein Schwulsein sehr offenherzig aus – gerne auch mit anzüglichen Sprüchen gegenüber Heteros. Im Film eine klare Nebenfigur, bekommt er in der Serie einen eigenen Handlungsstrang, inklusive potenzielle Liebesgeschichte; wobei lange nicht klar ist, ob es ihm nur um Sex und Manipulation geht oder ob da doch Gefühle im Spiel sind.

Offen schwule Hauptfigur: John Harlan Kim als Blaise Powell (Bild: Amazon Studios)
Auch den legendären lesbischen Kuss von 1999 gibt es wieder (damals zwischen Selma Blair und Sarah Michelle Gellar, die dank ihrer Rolle als "Buffy the Vampire Slayer" heute einen ikonenhaften Status genießt), allerdings in einer anderen Konstellation.
Die Serie ist denn auch ganz unterhaltsam und gibt sich redlich Mühe, an die verruchte Durchtriebenheit des Originals anzuknüpfen, aber so richtig will ihr das nicht gelingen. Vielleicht weil die Geschichte wegen der erheblich längeren Laufzeit verzettelter ist und viel mehr Handlungsfäden für viel mehr Figuren braucht. Und so gut auch dieser neue Cast aussieht, die TV-Adaption ist erheblich weniger sexy und auch weniger fies als der Film es damals war. Sie wirkt eher wie eine Art Weiterführung des Reboots von "Gossip Girl", der 2022 nach nur zwei Staffeln abgesetzt wurde.
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2024 ist man selbstverständlicher queer als 1999
Die Rolle, die einst Philippe spielte, wird vom 22-jährigen Australier Zac Burgess verkörpert – eine durchaus gelungene Neubesetzung. Aber ob es Männer gibt, die wegen seines Auftritts in der Serie ihr Schwulsein entdecken, darf bezweifelt werden. Was natürlich auch daran liegt, dass es heute viel leichter ist als damals, sich das einzugestehen, weshalb es schon längst passiert ist. Und in der Hinsicht ist die neue Serie dann doch noch spannend: Sie illustriert schön, wie viel sich in den letzten 25 Jahren getan hat bei der Darstellung von schwulen Männern in der US-Mainstream-Unterhaltung.
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