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Serientipp
Queeres Leben und Lieben im ländlichen Kansas
Die dritte Staffel der schrullig-humorvollen Serie "Somebody Somewhere" ist leider auch die letzte. Dabei hätten wir den kleinen und großen Alltagsdramen der ungewöhnlichen Heldin Sam und ihres schwulen besten Freunds Joel gerne noch länger zugesehen.

Sam (Bridget Everett) und Joel (Jeff Hiller) kennen sich noch aus der Schulzeit (Bild: HBO)
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1. Januar 2025, 13:08h 4 Min.
Dreiviertel aller Erwachsenen und fast die Hälfte aller Jugendlichen in den USA ist übergewichtig, rund 40 Prozent der Bevölkerung gar fettleibig. Wundersamerweise sehen dennoch so ziemlich alle Menschen in amerikanischen Serien und Filmen immer sehr schlank, attraktiv und fitnessgestählt aus. Das ist in "Somebody Somewhere" erfrischend anders – nicht nur spielt die HBO-Serie in einer Kleinstadt mitten im ländlichen Kansas, die Figuren darin sehen auch tatsächlich so aus, wie reale Amerikaner*innen eben mehrheitlich sind: wohlgenährt und eher mäßig attraktiv.
Nur schon das verleiht dem schrulligen, oft witzigen Drama eine ungewohnte Authentizität. Hinzu kommt der inhaltliche Fokus auf sehr alltägliche Dinge. Im Zentrum der Geschichte stehen Sam, Tochter eines Farmer-Ehepaars (er fettleibig, sie Alkoholikerin), und Joel, ihr schwuler bester Freund. Die zwei kennen sich eigentlich noch aus der Schulzeit, wo sie beide im Chor sangen, aber erst als Sam nach Manhattan zurückkehrt (besagte Kleinstadt in Kansas, nicht der berühmte Stadtteil von New York), beginnt die tiefe Freundschaft zwischen ihnen.
Das schwarze Schaf der Familie
Zu Beginn der Serie, deren dritte und letzte Staffel seit Mitte Dezember auf Sky Atlantic verfügbar ist, fühlt sich Sam (Bridget Everett) als das schwarze Schaf der Familie – sie hat keine Beziehung, keinen richtigen Job, isst und trinkt gerne zuviel und schläft auf dem Sofa bei ihrer lesbischen Schwester, die kürzlich an Krebs gestorben ist, was sie zusätzlich aus der Bahn wirft. Ihre andere Schwester Tricia (Mary Catherine Garrison) derweil hat alles, was Sam fehlt: einen Mann, eine Tochter und ihren eigenen erfolgreichen Laden, in dem sie mit ihrer besten Freundin allerlei Krimskrams verkauft.
Dass ihre Familie findet, Sam habe in ihrem Leben bisher nichts zustande gebracht und solle endlich erwachsen werden, bessert ihren Gemütszustand schon gar nicht. Besser werden die Dinge erst, als sie bei einem öden Aushilfsjob Joel (Jeff Hiller) neu kennenlernt, und der sie in eine kleine Gemeinschaft anderer Außenseiter*innen einführt. Diese treffen sich regelmäßig für Spiel, Spaß und vor allem Gesang. Und als Joel die zögernde Sam dazu bringt, in diesem Kreis ihre eingerosteten Gesangskünste wieder hervorzuholen, hat sie nicht nur im Handumdrehen die begeisterte Aufmerksamkeit des ganzen Saals, sondern eine alte Leidenschaft neu entdeckt, auf der sie aufbauen kann.
Queeres Leben im ländlichen Amerika
Außerdem hat sie plötzlich Freund*innen. Neben Joel vor allem den trans Mann Fred (Murray Hill), ein Professor an der lokalen Universität. Und als sich dann rausstellt, dass der Gatte ihrer Schwester mit deren besten Freundin eine Affäre hat, steht ihr eigenes Leben im Vergleich plötzlich gar nicht mehr so schlecht da. Zudem bringt es die entfremdeten und zankenden Schwestern einander wieder näher.

Murray Hill als Fred Rococo in "Somebody Somewhere" (Bild: HBO)
"Somebody Somewhere" erzählt uns über 21 Folgen aus dem Leben, Lieben und Leiden dieser kleinen Gruppe von unspektakulären Normalos in der Lebensmitte, die alle irgendwie versuchen, das Beste aus ihrem Schicksal und den kleinen und großen Alltagsdramen zu machen. Sie tut dies mit hintergründigem Humor, enormer Warmherzigkeit – und illustriert beiläufig, dass selbst im ländlichen Amerika ein queeres Leben nicht nur möglich, sondern geradezu "normal" sein kann.
Die Serie zeigt auch, dass Wahlfamilien manchmal wichtiger sind als klassische Familien, sich daraus jedoch ähnliche Konflikte ergeben. Zu Beginn der dritten Staffel etwa ist Sam damit konfrontiert, dass alle außer sie plötzlich Beziehungen haben und diesen mehr Gewicht geben als der Freundschaft untereinander. Sie fühlt sich einsam, vernachlässigt und versucht gleichzeitig, sich dies nicht anmerken zu lassen, weil sie ihren Freund*innen ihr Glück ja gönnt. Aber als Joel dann wieder mal gerade keine Zeit hat, als sie dringend jemanden zum Reden braucht, fühlt es sich so an, als stünde Sam am gleichen Ort wie zu Beginn der Serie: allein und ratlos, wie es mit ihrem Leben weitergehen soll.
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Freundschaft, Humor, Hoffnung
Aber wir wissen inzwischen auch, dass die ungewöhnliche Heldin von "Somebody Somewhere" über enorme innere Stärken verfügt, auf die sie zurückgreifen kann: ihr großes Herz, ihren unerschütterlichen Humor, ihre Spontanität im Umgang mit anderen, ihre Entschlossenheit, sich trotz allem nicht unterkriegen zu lassen. Dass sie am Schluss ein strahlendes Happy End bekommt, ist zwar unwahrscheinlich – das würde nicht zu dieser feinen, kleinen, ungewohnt lebensnahen Serie passen, deren Figuren wir gerne auch noch eine vierte und fünfte Staffel lang zugesehen hätten, wie sie ihr Leben navigieren.
Aber wenn wir aus "Somebody Somewhere" etwas mitnehmen können, dann vielleicht, dass es immer irgendwie weiter geht, dass es sich lohnt, Freundschaften zu pflegen und dass man Humor und Hoffnung nie verlieren sollte.
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