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Widersprüche

Homo­sexuell und rechtsaußen – wie geht das?

AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel ist lesbisch und möchte Bundeskanzlerin werden. In Österreich gedenkt die queerfeindliche FPÖ an Jörg Haider, der schwul gewesen sein soll.


Jörg Haider war von 1989 bis 1991 sowie von 1999 bis zu seinem Tod Landeshauptmann von Kärnten (Bild: Dieter Brader / flickr)
  • Von Christian Höller
    3. Februar 2025, 06:00h 4 Min.

Die Homosexualität von extrem rechten Politiker*innen sorgt für Diskussionen. In Deutschland hat die AfD die lesbische Politikerin Alice Weidel zur Spitzenkandidatin nominiert. Die Kanzlerkandidatin lebt mit einer Frau zusammen. Das lesbische Paar zieht zwei Kinder groß. Gleichzeitig heißt es im AfD-Wahlprogramm "Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, ist die Keimzelle der Gesellschaft" (queer.de berichtete).Wie halten Weidel und die Afd solche Widersprüche aus?

Die Homosexualität von rechten Politiker*innen ist kein Einzelfall. In den Niederlanden sorgte einst der offen schwule Politiker und Rechtspopulist Pim Fortuyn mit kontroversen Standpunkten für Schlagzeilen. Fortuyn wurde 2002 bei einem Attentat erschossen.

Jörg Haider war Wegbereiter der "neuen Rechten"

Als wichtigster Wegbereiter der "neuen Rechten" in Europa gilt der 2008 verstorbene FPÖ-Chef Jörg Haider aus Österreich. Die queerfeindliche und rechtsextreme FPÖ hält das Gedenken an Haider hoch. Haider hätte in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag gefeiert. Zu diesem Anlass wurde in Österreich vor Kurzem das erste Jörg-Haider-Symposium veranstaltet. Gekommen waren FPÖ-Politiker*innen und frühere Weggefährt*innen von Haider. In der FPÖ werden Gerüchte, dass ihr Ex-Chef schwul oder bisexuell gewesen sein soll, dementiert oder ausgeblendet.

Haider schaffte es als erster Rechtspopulist in Europa, mit einer konservativen Partei eine Regierungskoalition einzugehen. Die im Jahr 2000 zwischen der konservativen ÖVP und der rechten FPÖ gebildete Regierung galt in Europa als Tabubruch. Damals war die FPÖ Juniorpartner in der Regierung, mittlerweile ist sie sie in Österreich zur stärksten Partei aufgestiegen. Der jetzige FPÖ-Chef Herbert Kickl möchte mit Unterstützung der ÖVP neuer Bundeskanzler werden. Queere Menschen haben Angst. Denn die FPÖ spricht sich für queerfeindliche Gesetze wie in Ungarn und in Russland aus (queer.de berichtete).

Haider als Ausnahmepolitiker


In dem neuen Buch "Jörg Haider – Visionär und politischer Rebell: Spuren eines Systembrechers" kommt der Rechtsaußen-Politiker besonders gut weg

Die FPÖ Kärnten informierte im Internet über das erste Jörg-Haider-Symposium auf Schloss Albeck. Es gab eine Podiumsdiskussion zum Thema "Was darf man eigentlich noch sagen?". Dabei ging es laut FPÖ-Homepage "um den Umgang der Medien mit Meinungen abseits des Mainstreams ('Cancel Culture', 'Wokeness'…)." An der Podiumsdiskussion nahmen hochrangige Expert*­innen der "Kronen Zeitung" (größte Tageszeitung Österreichs), der "Kleinen Zeitung" (größte Bundesländerzeitung) und des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks ORF teil.

Auf dem Symposium wurde auch ein neues Buch über Haider vorgestellt. Der Titel des Buches lautet: "Jörg Haider – Visionär und politischer Rebell: Spuren eines Systembrechers". In dem Buch kommt der Ex-Politiker besonders gut weg. "Jörg Haider war nicht nur ein Ausnahmepolitiker und Medienstar seiner Zeit – Zeitgenossen kennen ihn auch als warmherzigen Charismatiker mit Tiefgang", heißt es auf der Homepage des Verlags.

Die Witwe von Jörg Haider, Claudia Haider, gab anlässlich des Symposiums Interviews in österreichischen Medien. In "Madonna" sprach die Witwe darüber, warum für sie eine neue Liebe nicht in Frage kommt: "Ich hatte in unserer Beziehung alles, was man sich als Frau wünschen kann." In der "Kronen Zeitung", der größten Tageszeitung Österreichs, sagte die Witwe auf die Frage, wie sie sich ihren Mann im Alter von 75 Jahren vorstellen würde: "Er wäre ein so fescher 75-Jähriger! Durchtrainiert, braun gebrannt, mit kurzen Haaren." Die Witwe ist überzeugt davon, dass Jörg Haider stolz auf die FPÖ wäre: "Denn der FPÖ ist seinen Weg sehr konsequent weitergegangen, sie hat seine Ideen und Visionen weitergetragen und weiterentwickelt."

Zu Gerüchten, dass ihr Mann schwul sei, hatte Claudia Haider in der Vergangenheit erklärt: "Mein Mann war nicht homo­sexuell." Hätte ihr Mann eine Vorliebe für Männer gehabt, hätte sie sich scheiden lassen, hatte die Witwe in einem Interview mit der "Bunte" betont.

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Haiders homoerotische Dimension

Viele Medien taten sich schwer, Haiders Sexualität zu thematisieren. "Haider schwul? Wer will das wissen?", fragte einst die bürgerliche Wiener Tageszeitung "Presse". Das Wochenmagazin "profil" titelte: "Jörg Haiders anderes Leben: Der schwierige Umgang mit seiner Sexualität." Der Journalist Robert Misik meinte in der deutschen "taz" zum Thema "Haider und die Männer": "Haider war, wie immer man politisch zu ihm stehen mag, eine interessante Figur, und diese lässt sich einfach nicht charakterisieren und porträtieren ohne diese homoerotische Dimension – und möglicherweise auch nicht ohne den inneren Leidensdruck einer nie offen ausgelebten Sexualität." Ein früherer Wiener FPÖ-Landtagsabgeordneter sagte bei einer Veranstaltung über die FPÖ und Haider: "Wir sind die einzige Partei, die 17 Jahre von einem Schwulen geleitet wurde. Das hat jeder gewusst."

Die Homosexuelle Initiative Wien (Hosi Wien) fragte einst: "Ist Jörg Haider schwul?" und erinnerte daran, dass der deutsche Filmemacher und Schriftsteller Rosa von Praunheim schon im Jahr 2000 in einer niederländischen Schwulenzeitung über Haiders Homosexualität berichtet habe. Haider sei, so die Hosi Wien, "kein Renommee für Schwule, keine positive Identifikationsfigur und kein Sympathieträger für schwul/lesbische Anliegen. Aber auch Lesben und Schwulen ist die Wahrheit zumutbar. Sie müssen sich damit abfinden, so schmerzlich das auch sein mag, dass Lesben und Schwule nicht automatisch die besseren Menschen sind, dass Homosexuelle nicht nur Gutmenschen, sondern auch Schlechtmenschen sein können."

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