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Halluzinationen einer Diva
In Pablo Larraíns Biopic "Maria" über die griechische Opernlegende Maria Callas brilliert Angelina Jolie mit einer Performance von faszinierender Zerbrechlichkeit.

Angelina Jolie als Maria Callas in "Maria" (Bild: Studiocanal / Pablo Larraín)
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7. Februar 2025, 10:13h 4 Min.
"Reservieren Sie mir bitte einen Platz in einem Café, in dem mich die Kellner*innen kennen", weist Maria ihren Butler an. Die Diva sitzt vor einem überdimensionalen, kreisrunden Spiegel, dessen Rand von zahlreichen Glühbirnen umrahmt wird. Routiniert trägt sie ihr dezentes Make-up auf, ein tägliches Ritual. Zuvor hat sie, wie jeden Morgen, ein paar Pillen Methaqualon geschluckt, oder wie sie es nennt: Mandrax. Sie betrachtet ihr Spiegelbild, ihre Lippen formen einen Wunsch: "Mir ist heute nach Bewunderung."
Genau in dieser Lebensphase setzt "Maria" an, Pablo Larraíns Biopic über die griechische Opernlegende Maria Callas. Die strahlenden Jahre ihrer Karriere sind längst vergangen, die großen Bühnen liegen hinter ihr. Der Film arbeitet mit eindringlichen Parallelmontagen: einst eine strahlende Sopranistin im Scheinwerferlicht – jetzt eine mittelalte Frau, deren Stimme versagt, deren Körper unter Medikamentensucht und Erschöpfung leidet. Schließlich bleibt nur noch ein Leben voller Reichtum, aber ohne Sinn – und ohne Musik.
Eine Frau, die ihre eigene Realität zunehmend manipuliert

Poster zum Film: "Maria" läuft seit 6. Februar 2025 bundesweit im Kino
Nach "Jackie" und "Spencer" vollendet Larraín mit "Maria" seine Trilogie über Frauen, die zwischen öffentlichem Glanz und privater Zerrissenheit gefangen sind. In der Hauptrolle brilliert Angelina Jolie mit einer Performance von faszinierender Zerbrechlichkeit. Die bisexuelle Schauspielerin verkörpert eine Frau, die ihre eigene Realität zunehmend manipuliert – äußerlich ruhig, innerlich zerrissen. Sie verweigert sich der Besorgnis ihres Umfelds und erfüllt zugleich jedes (schwule) Begehren an eine Diva: Sie inszeniert Interviews, die eigentlich nur medikamentöse Halluzinationen sind, und zwingt ihre beiden Hausbediensteten – die letzten verbliebenen Menschen in ihrem Leben – dazu, ihr jene Ehrfurcht entgegenzubringen, die mit dem Ende ihrer Karriere verschwunden ist.
Callas verstrickt sich in halbherzige Affären mit älteren, wohlhabenden Männern, will sich aber nie ganz kontrollieren lassen. Nach dem Tod ihres letzten Partners bleibt nur eine leicht verbitterte Witwe zurück, unfähig, erneut Vertrauen zu fassen. Später begegnet sie US-Präsident Kennedy und Marilyn Monroe, doch ihre Aura bleibt auch hier unantastbar. Besonders gelungen sind die Opernszenen: Die Kamera schwebt über das hypnotisierte Publikum, fängt den Orchestergraben in eleganten Fahrten ein. Doch das Lip-Sync überzeugt nicht immer und lässt bisweilen eine irritierende Distanz zwischen Bild und Ton entstehen.
Opernkostüme und Bühnenbilder wirken wie Kunstwerke
In der ersten Hälfte taucht Larraín tief in die Psyche seiner Protagonistin ein und macht das Publikum zu Komplizen ihrer Wahrnehmung. Er spielt mit visuellen Kontrasten – mal erstrahlt alles in nostalgischem Goldbraun, mal dominiert Schwarz-Weiß. Vergangenheit und Gegenwart vermischen sich, Rückblenden zeigen die junge Maria, die als Kind in ärmlichen Verhältnissen gegen Geld singen musste. "Glück hat noch nie eine wunderschöne Melodie hervorgebracht", sagt sie bitter. Besonders die von Edward Lachman eingefangenen Bilder verleihen dem Film eine gemäldeartige, Oscar-nomierte Ästhetik – Paris erstrahlt in opulentem Glanz, Opernkostüme und Bühnenbilder wirken wie Kunstwerke.
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Doch in der zweiten Hälfte verliert "Maria" an Kraft. Anfangs noch unterhaltsam in ihrer Diva-Attitüde, gerät Callas' Selbstmitleid zunehmend in eine monotone Schleife. Sie verliert sich in glasigen Blicken, denkt an ihre Vergangenheit – doch dramaturgisch passiert wenig. Nur zwei Szenen bleiben nachhaltig in Erinnerung: ein intensives Gespräch mit ihrer Schwester, die ihr rät, sich endlich von der Vergangenheit zu lösen, und ein Running Gag über einen Flügel, den ihre Bediensteten schweißgebadet durch das Zimmer schleppen, während Maria sie damit von eigenen Problemen abzulenken versucht. Ansonsten sind die Dialoge oft überraschend leblos.
Mit 124 Minuten ist der Film zu lang geraten. Die Idee, Callas' Halluzinationen als Kommentar auf den eigenen Film zu nutzen, bleibt unausgereizt. Letztlich bleibt "Maria" eine klassische Tragödie über die Einsamkeit einer einst bewunderten Frau, die ihre eigene Legende nicht loslassen kann. Primadonna – einst eine Bezeichnung für die erste Sängerin einer Oper, heute oft Synonym für Exzentrik und Größenwahn – trifft hier in jeder Hinsicht zu. Doch so faszinierend Maria Callas auch war: Larraíns Film hinterlässt letztlich weniger Nachhall, als er könnte.
Maria. Biopic. Deutschland, Italien, USA 2023. Regie: Pablo Larraín. Cast: Angelina Jolie, Pierfrancesco Favino, Alba Rohrwacher, Haluk Bilginer, Kodi Smit-McPhee, Valeria Golino, Alessandro Bressanello, Vincent Macaigne, Stephen Ashfield, Caspar Phillipson. Laufzeit: 124 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. FSK 6. Verleih: Studiocanal. Kinostart: 6. Februar 2025
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