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"High and Horny"

Immer mehr Chemsex-Tote in London

Alleine in London sterben jeden Monat durchschnittlich drei Menschen an Chemsex. Die Rettung verzeichnet täglich mindestens einen Notruf im Zusammenhang mit Chemsex. Betroffen sind vor allem schwule und bisexuelle Männer.


Slammen beim Sex: Standbild aus der Dokumentation "Chemsex" aus dem Jahr 2015 (Bild: Pro-Fun Media)
  • Von Christian Höller
    16. März 2025, 05:44h 5 Min.

In Großbritannien nimmt der Konsum von Chemsex ein schockierendes Ausmaß an. Dies zeigt ein Dokumentarfilm des TV-Senders ITV mit dem Titel "After the high: Chemsex, beyond the myths". Die Doku wurde gerade im Fernsehen ausgestrahlt und ist über YouTube auch außerhalb von Großbritannien zu sehen.

Der Begriff Chemsex beschreibt den Konsum von chemischen Substanzen beim Sex unter meist schwulen oder bisexuellen Männern. Mit den Substanzen, die oft auf Partys eingenommen werden, können die Männer stundenlang hemmungslosen Sex haben. Verwendet werden dabei etwa Crystal Meth, GHB/GBL, Mephedron und Ketamin.

Chemsex ist auch im deutschsprachigen Raum in der schwulen Szene weit verbreitet. In Teilen der schwulen Community und in Dating-Apps werden dafür auch Begriffe wie "High and Horny" (HnH) und "Party and Play" (PnP) verwendet. Chems werden unter anderem geraucht, gesnifft, aber auch oral oder anal eingenommen, gelegentlich auch gespritzt. Die konsumierten Substanzen bergen verschiedene Risiken, wie die Dokumentation in Großbritannien zeigt. So kann bei Betroffenen ein Kontrollverlust und ein "Blackout" auftreten. Die Männer können die Situation, in der sie sich gerade befinden, nicht mehr beeinflussen. Auch kann es nach dem Konsum zu depressive Episoden, Panikzuständen und teilweise sogar zu Psychosen kommen. Besonders gefährlich ist eine Überdosierung oder die Kombination verschiedener Substanzen, die im schlimmsten Fall tödlich enden können.

Direktlink | Die Doku "After the high" auf YouTube
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Täglich mindestens ein Notruf

Die Dokumentation von ITV beginnt mit dem Interview eines Vaters, der seinen schwulen Sohn verloren hat, weil dieser entsprechende Substanzen konsumiert hat. Der Sohn starb im Alter von 27 Jahren. Dabei handelt es sich um keinen Einzelfall.

ITV News Digital Reporter Sam Leader spricht in der Doku von einer "stillen" Krise mit Drogentoten, die Teile der LGBTI-Community in ganz Großbritannien erschüttert. Schockierend sind die Zahlen, die in dem Film alleine für London genannt werden. Angaben der Londoner Metropolitan Police zufolge sind im Jahr 2023 in der britischen Hauptstadt durchschnittlich drei Menschen pro Monat an den Folgen von Chemsex gestorben. Für 2024 liegen noch keine Zahlen vor. Die Polizei befürchtet jedoch, dass die Zahl der Chemsex-Toten einen Rekordstand erreichen wird.

Kommt es beim Konsum von chemischen Substanzen zu gefährlichen Situationen wird zuerst die Rettung angerufen. Die London Ambulance Service spricht davon, dass bei ihr täglich mindestens ein Notruf wegen Chemsex eingeht. Auch die Zahl der Krankenhausaufenthalte nimmt zu. Naomi Fitzgerald, Medizinerin und Expertin vom King's College Hospital in London, erklärte in der TV-Doku, dass ungefähr 30 Prozent der drogenbedingten Aufnahmen im Krankenhaus in Verbindung mit Crystal Meth und GHB/GBL stehen. Das King's College Hospital ist eines der größten Krankenhäuser in der britischen Hauptstadt.

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Die dunkle Seite bei Chemsex

Die TV-Doku zeigt das Ausmaß der Chemsex-Problematik aus verschiedenen Perspektiven. Es ist das erste Mal, dass für das Londoner Gesundheitssystem entsprechende Zahlen über Chemsex-Fälle veröffentlicht werden. In der Doku wird Kritik an der britischen Regierung und am National Health Service (NHS) geübt. Der NHS-Dienst ist als staatlicher Gesundheitsdienst für die medizinische Versorgung aller Menschen in Großbritannien zuständig. Doch nach Ansicht von Expert*innen tut der NHS im Zusammenhang mit Chemsex zu wenig. "Ich möchte, dass der NHS die Komplexität des Thema versteht", so Naomi Fitzgerald. Auch soll eruiert werden, wie viele Ressourcen benötigt werden, um sich um die betroffenen Menschen zu kümmern. Sie, so Fitzgerald, könne nur für das King's College Hospital sprechen. Aber sie vermutet, dass die Situation in anderen Krankenhäusern ähnlich ist. Die Medizinerin appelliert an die Gesellschaft, der Chemsex-Sucht mit einer mehr sympathischeren und verständnisvolleren Sicht zu begegnen.

Auch Inspector Allen Davis von der Metropolitan Police in London sieht Handlungsbedarf. Er sagte in der TV-Doku: "Menschen sterben, junge Männer sterben. Wir müssen etwas tun." Chemsex sei nicht nur in London ein Thema, er sei dazu auch von Polizeikräften im ganzen Land kontaktiert worden. Im Jahr 2023 registrierte die Londoner Polizei 380 mutmaßliche Straftaten im Zusammenhang mit Chemsex. Dabei ging es hauptsächlich um Gewaltdelikte und Sexualdelikte. "Es gibt eine Art dunkle Seite in allem, was wir sehen", so Allen Davis. Er äußerte die Vermutung, dass es im Zusammenhang mit Chemsex viele nicht angezeigte Vergewaltigungen gibt.

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Auf Vorsichtsmaßnahmen achten

Die Zunahme von Chemsex in Teilen der schwulen Community hängt damit zusammen, dass sexuelle Begegnungen mit den Substanzen viel intensiver und länger erlebt werden. Betroffene berichten von rauschartigen und hemmungslosen Zuständen, was zu gewalttätigen Übergriffen und Vergewaltigungen führen kann. Expert*innen raten daher in diesem Zusammenhang zu entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen. Ganz wichtig ist der Konsens beim Sex und beim Konsum von chemischen Substanzen. Personen, die Chems nehmen, sollen immer darauf achten, nie die Kontrolle zu verliefen. Auch soll im Auge behalten werden, wie es den Partnern geht. Zu den Vorsichtsmaßnahmen gehört zudem, sich vorab zu informieren, welche Substanzen konsumiert werden. Auch soll immer eine Person dabei sein, die im Notfall helfen oder Hilfe organisieren kann.

Im deutschsprachigen Raum kommt es ebenfalls zu Todesfällen im Zusammenhang mit Chemsex. 2023 sind in Köln diesbezüglich vier Menschen gestorben, berichtet die dortige Aidshilfe. Ein besonders extremer Vorfall ereignete sich in Wien. Dort wurde 2023 ein Wiener im sogenannten Chemsex-Prozess wegen Vergewaltigung mit Todesfolge zu sieben Jahren Haft verurteilt (queer.de berichtete). Laut Gerichtsangaben habe der Angeklagte einen Mann zu sich nach Hause gelockt und mit der Droge Liquid Ecstasy betäubt. Dann habe sich der Täter mehrfach an dem Mann vergangen und das Ganze gefilmt. Ein Psychiater sagte im Verfahren aus, der Angeklagte leide an einer schweren Persönlichkeitsstörung, die durch jahrelangen Drogenkonsum begünstigt worden sei.

Früheren Studien zufolge haben in Österreich rund 20 Prozent der homo- und bisexuellen Männer chemische Substanzen beim Sex konsumiert, wobei nicht alle abhängig wurden. Manche Männer haben die Substanzen ohne Zwischenfälle konsumiert. Dann gibt es eine zunehmende Zahl von Männern, die nach dem Konsum mit gesundheitlichen und psychischen Problemen zu kämpfen haben. Hinter dem Drogenkonsum kann oft ein tief liegendes Stigma- und Schamerlebnis liegen. Bei der Genesung und in der Therapie geht es unter anderem darum, dass betroffene Männer einen Zugang zu den eigenen Gefühlen finden und sich mit verdrängten Themen wie Scham und Ausgrenzung auseinandersetzen.

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