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Ab Donnerstag im Kino
Das genaue Gegenteil von queerem Erklär-Kino
Im faszinierenden, zugleich ruhigen und intensiven Dokudrama "Call Me Agnes" bekommt die die aus Indonesien stammende Protagonistin Besuch von ihrem jüngeren Bruder, der nichts von ihrer Transition weiß.

Szene aus "Call Me Agnes" (Bild: Cinemien)
- Von
26. März 2025, 04:19h 4 Min.
Es gibt Filme, die sind spektakulär in ihrer unspektakulären Art, ungewöhnliche Geschichten zu erzählen. "Call Me Agnes" ist, wie ich meine, ein wunderbares und berührendes Beispiel dafür. Es geht in dem Film um die aus Indonesien stammende und in den Niederlanden lebende trans Frau Agnes. Zusammen mit ihrer Freundin Rini betreiben die beiden in ihrem kleinen Haus in Den Haag eine indonesische Küche mit Lieferservice. Eines Tages taucht Indra auf der Suche nach seinem älteren Bruder auf.
Weil Indra noch ein kleines Kind war, als der Bruder nach Europa ging, um dort ein neues Leben zu beginnen, erkennt er nicht, wer da in Gestalt von Agnes eigentlich vor ihm steht. Indra ist IT-Spezialist und hatte sich um einen Job in den Niederlanden beworben. Agnes ist unsicher, ob sie sich zu erkennen geben soll, und sie ist ebenso irritiert, so plötzlich und unerwartet mit ihrer Vergangenheit konfrontiert zu sein. Andererseits ist sie beeindruckt von Indra. Rini nimmt die Sache in die Hand und tischt Indra kurzentschlossen die Lüge auf, sein Bruder habe eine Nachricht geschickt und denke nicht daran zu kommen. Er soll sich das Wiedersehen aus dem Kopf schlagen.
Die Wiedersprüche einer Person aufdecken

Poster zum Film: "Call Me Agnes" startet am 27. März 2025 im Kino
Das abendfüllende Dokudrama stammt von dem brasilianischen Kameramann und Filmemacher Daniel Donato, der wie Agnes, deren Lebensgeschichte die Vorlage für den Film lieferte, in den Niederlanden lebt. Es ist nicht die erste Zusammenarbeit der beiden. Schon 2018 war der halbstündige Film "Hello my first love, over and out" entstanden.
In einem Statement erklärte Donato: "Meine Arbeit beginnt immer mit der Faszination für eine Person, jemanden, den ich gerne kennenlernen würde. […] Ich möchte in der Lage sein, eine reale Person zu porträtieren und die Widersprüche in ihr/ihm/ihnen an die Oberfläche zu bringen. Deshalb konzentriere ich mich bei meiner Arbeit auf die folgende Frage: Wie kann ich die Widersprüche in einer Person aufdecken und eine fließende und fragmentierte Identität im Film darstellen?"
Ich denke, mit "Call Me Agnes" ist ihm das gelungen. Und Donato hat dabei ganz offensichtlich eine Vorliebe für lange Kameraeinstellungen und langsame Kamerafahrten. Sein Blick nimmt sich beispielsweise viel Zeit für das traumhaft schöne Gesicht von Agnes, nimmt sich überhaupt Zeit, die inneren Regungen und Erregungen der Menschen ganz ohne Drama zu zeigen und doch immer deutlich genug.
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Ein Film, der mit wenigen Worten alles sagt
Faszinierend die zugleich ruhige und intensive Art der Darstellung. Herrlich auch, wie dieser Film über eine trans Frau mit wenigen Worten alles sagen kann. Es ist das genaue Gegenteil von Erklär-Kino – das Outing fällt hier absichtlich aus, weil das trans Sein keine Begründung braucht, nicht erst erklärt werden muss. Es ist einfach ein Stück Leben. Nur einmal, ungefähr in der Mitte des Films, erzählt Agnes wie in einem Interview die Familiengeschichte – und dann ein überraschender Kameraschwenk, und wir sehen, dass Agnes das Ganze gerade Rini erzählt hat, die in dem Moment von einem Zahnarzt behandelt wird. Auch Witz hat seinen Platz in diesem Film.
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Der Film beginnt und endet in einer riesigen Turnhalle: Vier Menschen wärmen sich auf, machen ein wenig Gymnastik und spannen schließlich ein Netz, weil sie gleich Badminton spielen wollen. Dazwischen also Agnes' Begegnung mit der Vergangenheit in der Person des jüngeren Bruders Indra. Verstehen kann man auch ohne Worte: Indra verlässt das Haus, Agnes sieht ihm auf der Straße hinterher und entdeckt später in der Wohnung Indras kleinen Abschiedsbrief: "Schön, dich kennengelernt zu haben, meine Schwester. Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen in Indonesien."
Call me Agnes. Dokudrama. Niederlande 2024. Regie: Daniel Donato. Mitwirkende: Agnes Geneva, Fernando Belfiore, Gianluca Koeswanto, Mak Rini. Laufzeit: 94 Minuten. Sprache: niederländische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 6. Verleih: Cinemien. Kinostart: 27. März 2025
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