Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?53132

Kinostart

Wenn das Aussteigerparadies zur Hölle wird

Jude Law spielt gerne etwas zwielichtige Figuren, auch immer wieder mal queere. Im neuen Film "Eden" verkörpert er einen leicht größenwahnsinnigen Aussteiger, der in den frühen 1930er Jahren sein Glück auf Floreana sucht.


Jenseits zivilisatorischer Konventionen: Dr. Friedrich Ritter (Jude Law) und Dore Strauch (Vanessa Kirby) im vermeintlichen Paradies (Bild: Leonine Studios)

Er war gerade mal 25 Jahre alt, als ihn eine schwule Rolle in "Wilde" (1997) zum Star machte. Nicht nur sah Jude Law unverschämt gut aus, er spielte Oscar Wildes jungen, flatterhaften Liebhaber Lord Alfred "Bosie" Douglas mit derart verführerischem Charme und schneidender Arroganz, dass er sich danach um weitere Filmangebote nicht mehr zu sorgen brauchte. Nur drei Jahre später gab es bereits eine Oscar-Nomination für seinen zumindest schwul angehauchten verwöhnten Unternehmersohn Dickie Greenleaf in "The Talented Mr. Ripley".

Seither hat der britische Star ab und zu mal schwule Rollen gespielt, letztmals 2022 in "Fantastic Beasts: The Secrets of Dumbledore". Der zentrale Handlungstreiber dieses Fantasyfilms aus dem "Harry Potter"-Universum ist die frühere Liebesbeziehung zwischen den rivalisierenden Zauberern Albus Dumbledore (Law) und Gellert Grindelwald (Mads Mikkelsen).

- w -

Der dekadenten Zivilisation entfliehen


Poster zum Film: "Eden" startet am 3. April 2025 bundesweit im Kino

In Ron Howards historischem Aussteiger-Drama "Eden" verkörpert Jude Law nun den ganz und gar heterosexuellen Dr. Friedrich Ritter, einen Arzt aus Berlin. Dieser wanderte 1929 mit seiner Geliebten Dore Strauch nach Floreana aus, einer unbewohnten Insel im Galápagos-Archipel, rund 1.000 Kilometer vor der Küste Ecuadors.

Ausgerüstet mit einer Lebensphilosophie aus Nietzsche, Lao-Tse und allerlei Mystik wollte der leicht größenwahnsinnige Aussteiger der ganzen Welt beweisen, dass man die dekadente, zum ewigen Scheitern verurteilte Zivilisation nur überleben kann, indem man ihr entflieht – sein Ziel war nichts weniger, als der Menschheit einen neuen Weg in die Zukunft zu weisen. Den in seiner Heimat aufziehenden Faschismus kommentiert er im Film so: "Es ist immer das gleiche: Demokratie, Faschismus, Krieg, und dann fängt alles wieder von vorne an." Eine Bemerkung, die angesichts der heutigen Weltlage durchaus nachdenklich stimmt.

Mehrere unaufgeklärte Todesfälle

Ritters Experiment lockte weitere Träumende auf die ferne Insel und führte am Ende zu mehreren, bis heute nicht völlig aufgeklärten Todesfällen, die als "Galápagos-Affäre" zahllose Zeitungsartikel, Bücher und Filme inspirierten – der neueste davon "Eden", der die Geschehnisse soweit bekannt nacherzählt. Dazu gehört auch, dass Ritter und Strauch (Vanessa Kirby) in ihrem vermeintlichen Paradies offenbar meist nackt waren; im Film beschränkt sich dies allerdings auf eine Szene, in der Law tatsächlich alle Hüllen fallen lässt.

Weil der Aussteiger auch auf seiner einsamen Insel öffentliche Aufmerksamkeit sucht, schreibt er fleißig Artikel über seine Ideen und sein naturnahes Leben, die von gelegentlich vorbeikommenden Schiffen mitgenommen werden. Auf einem von diesen erreichen auch Heinz Wittmer (Daniel Brühl), seine zweite Frau Margret (Sydney Sweeny) und ihr Sohn Harry (Jonathan Tittel) Floreana. Sie wollen sich von Ritter inspiriert ebenfalls dort niederlassen, wovon dieser jedoch nur mäßig begeistert ist. Er hilft ihnen entsprechend so wenig wie möglich, in der Hoffnung, dass sie bald aufgeben und wieder verschwinden.

Die Konflikte häufen sich

Doch die Wittmers bleiben trotz aller Widrigkeiten und haben schon bald ein stabileres Haus und einen ergiebigeren Gemüsegarten aufgebaut als Strauch und Ritter. Die Spannungen in der kleinen Aussteigergemeinschaft vervielfachen sich mit der Ankunft einer weiteren Gruppe: Eine angebliche Baronin Eloise Wehrborn de Wagner-Bousquet (Ana de Armas) mit gleich zwei jungen Liebhabern (Felix Kammerer, Toby Wallace) lässt sich am Strand nieder und will dort ein Luxushotel namens "Hacienda Paradiso" aufbauen. Ein offensichtlich absurder Plan, den die Wittmers mit ebenso großer Skepsis betrachten wie Ritter, derweil die "Baronin" versucht, sie gegeneinander auszuspielen. Die Konflikte häufen sich – und plötzlich kommen Messer und Schusswaffen ins Spiel.

Direktlink | Offizieller deutscher Trailer
Datenschutz-Einstellungen | Info / Hilfe

Was 1934 auf Floreana wirklich geschah, ist bis heute nicht völlig geklärt. Der Film basiert auf der Interpretation von Margret Wittmer, die über die Ereignisse ein Buch verfasst hat und von allen Beteiligten am längsten lebte, nämlich bis ins Jahr 2000, wo sie im hohen Alter von 95 auf Floreana starb. Ihre Nachkommen leben noch immer auf der Insel und betreiben dort heute, ironischerweise, ein Hotel: die Wittmer Lodge.

Friedrich Ritter derweil hat es nicht geschafft, die Menschheit von ihrem Kurs abzubringen. Jude Law spielt den Hobby-Philosophen als allzu sehr von sich selbst überzeugten Egomanen, der gerne große Denker zitiert, selbst jedoch wenig zustande bringt. Und der letztlich auch als Aussteiger versagt, weil er ohne die von gelegentlichen Insel-Besucher*innen mitgebrachten Lebensmittelvorräte wohl schon längst hätte aufgeben müssen.

Für immer jung

Fürs queere Auge hat Ron Howards unterhaltsames Aussteiger-Drama nur am Rande was zu bieten: Neben dem kurz hüllenlosen Law und der stets leicht bekleideten Gruppe um die "Baronin" hat immerhin Oscar Wilde noch einen kleinen Auftritt. Bei einem Essen nämlich schwärmt die "Baronin" von ihrem Lieblingsbuch, das sie immer und überall dabeihabe: "The Picture of Dorian Gray" – und wie toll es doch sein müsse, ewig jung zu bleiben.


Jude Law als Lord Alfred Douglas im 1997 veröffentlichten Kinofilm "Wilde" (Bild: Sony Pictures)

Nicht nur schließt sich damit der Kreis zu Laws Karrierestart, der 52-jährige britische Star selbst fand kürzlich in einem Interview, er hätte in seinen jungen Jahren sein attraktives Äußeres bei der Rollenwahl stärker ausnutzen sollen: "In meinen frühen 20ern habe ich versucht, gegen mein Aussehen zu spielen, und jetzt, wo ich schlaff und kahlköpfig bin, wünschte ich, ich hätte es besser gemacht."

So schlaff und kahlköpfig ist er ja nun auch wieder nicht, wie man sich in "Eden" überzeugen kann. Außerdem haben die schwulen Fans seine wichtigsten Frühwerke bestimmt in ihrer gut sortierten Filmsammlung. Und darin wird Jude Law, wie Dorian Gray, zum Glück ewig jung bleiben.

Infos zum Film

Eden. Survival-Thriller. USA 2024. Regie: Ron Howard. Cast: Jude Law, Ana de Armas, Vanessa Kirby, Daniel Brühl, Sydney Sweeney, Felix Kammerer. Laufzeit: 129 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. FSK 16. Verleih: Leonine Studios. Kinostart: 3. April 2025
-w-