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Sachbuch
Regenbogenfamilien unter die Lupe genommen
In ihrem inspirierenden Buch "Lesben sind die besseren Väter" führt Lisa Bendiek geballt vor Augen, wie queere Eltern kämpfen mussten und müssen. Sie analysiert, bereitet vor, motiviert – und schreckt vielleicht sogar ab.

Symbolbild: Lesbisches Paar mit Kind (Bild: IMAGO / Westend61)
- Von Luise Erbentraut
9. April 2025, 03:02h 4 Min.
"Lesben sind die besseren Väter" (Amazon-Affiliate-Link ) klingt nicht nur nach einem Sachbuch, das provoziert, sondern will es auch. Was Lisa Bendiek mit ihrer Betrachtung queerer Elternschaft vor allem aber schafft, ist, sich einem ebenso emotionalen wie komplexen Thema in zahlenreichen Details zu widmen.
Wie der Untertitel "Regenbogenfamilien als Vorbild für gleichberechtigte Elternschaft" verrät, hat die bei Edition Nautilus erschienene Flugschrift zum Ziel, heteronormative und queere Elternschaft aus queer-feministischer Perspektive in den Vergleich zu stellen. Die Polemik, die bereits der Titel "Lesben sind die besseren Väter" ankündigt und sich durch das Buch durchziehen soll, wie die Autorin einleitend feststellt, rückt allerdings zugunsten dichter Reflexion, kluger Analysen und akribisch aufgearbeiteter Fakten in den Hintergrund.
Reflexion über Polemik
So macht auch den Einstieg in das vielschichtige Thema eine ausführliche und kritische Reflexion der Titelwahl, an der sich das Studium der Sozial- und Kulturanthropologie der Autorin bemerkbar macht. Eine differenzierte Betrachtung von Regenbogenfamilien ist damit ein Versprechen, das sich im Laufe des Buches auch einlöst. Auf 309 Seiten, wovon knapp 50 Anmerkungen und Literaturverweise ausmachen, seziert Bendiek nämlich Geschichte und Rechtslagen queerer Familien(-planung).
Sichtbar werden hier die institutionellen Kämpfe, denen queere Elternschaft zugrunde liegt – und zwar in den unterschiedlichsten Konstellationen, die die Spektralfarben des Regenbogens zum Leuchten bringen: von den verschiedenen Varianten lesbischer Mutterschaft über trans und nichtbinäre Elternschaft bis zu polyamourösen Familienkonstellationen.
Das bisschen Haushalt?

Das Buch "Lesben sind die besseren Väter" ist im März 2025 in der Edition Nautilus erschienen
In den Blick rückt damit auch die Verteilung von Sorge- und Haushaltsarbeit, womit die Autorin dem heteronormativen Pendant – Vater, Mutter, Kind(er) – nicht gerade wenig entgegensetzt. An die Stellen, an denen die wissenschaftlichen Zahlen bisher dünn sind, treten Stimmen, die die Autorin in Interviews eingefangen hat, aber auch ihre eigenen Erfahrungswerte und familiäre Geschichte. Anlass zur thematischen Aufarbeitung hat nämlich einerseits der Corona-bedingte Lockdown gegeben, andererseits aber auch der Tod des Vaters der Autorin, der als Hausmann, wie die Autorin ausführt, in der damaligen Bundesrepublik als Rarität galt.
Es geht also nicht nur um queere Elternschaft, sondern insbesondere um die Frage, wie sich Vaterschaft in Sorge- und Haushaltsarbeit einbringen kann. Zwar mag der Buchtitel nichts anderes erwarten lassen, angesichts der vielseitigen Aufschlüsselung queerer Perspektiven fällt die Berücksichtigung schwuler Elternschaft jedoch vergleichsweise knapp aus.
Farben queerer Elternschaft, die im dargestellten Regenbogen fehlen
Obwohl mit queeren Verwandtschaftsformen auch die Rolle von Ballroom-Häusern für Queers of Color insbesondere in New York seit den 1960er Jahren Erwähnung findet sowie die strategische Adoption, wie sie in Deutschland bis 2001 eine gängige Praxis war, um dem*der Partner*in die Erbschaft zu ermöglichen, werden schwule Perspektiven auf queere Elternschaft weniger ausführlich behandelt, was die Autorin mit empirischer Seltenheit begründet, angesichts der Suche nach einer neuen Vaterschaft jedoch ernüchternd wirkt.
Der Fokus von "Lesben sind die besseren Väter" liegt trotz der detailreichen Sondierung auf kinderbezogener Elternschaft. Dass diese Verwandtschaftsform ein Leben lang auf verschiedenste Arten relevant werden und bleiben kann und in queeren Kontexten auf unterschiedlichste, auch spielerische Weisen adaptiert wird, bleibt damit nur angedeutet.
Queere Elternschaft im globalen Kontext
Deutlich wird allemal, dass Familie und Verwandtschaft etwas Sozialkonstruiertes ist, was die Berücksichtigung vorkolonialer und außereuropäischer Konzepte von Elternschaft unterstreicht und zum Ende nochmal politisch pointiert wird: In einem zeitgenössischen Blick um die Welt kontextualisiert Lisa Bendiek queere Elternschaft auch temporär. In Hinsicht auf die globale Entwicklung wird queere Elternschaft weiterhin stark von rechtlich-politischen Rahmenbedingungen abhängig bleiben.

Autorin Lisa Bendiek, geboren 1988 in Rüdesheim, hat die "Hetero-Kleinfamilie 2.0" im Blut – ihre Mutter war Familienernährerin, ihr Vater Hausmann (Bild: privat)
Hoffnung macht allerdings zu wissen, dass wir uns auf die eigene Community verlassen können: Der überwiegende Teil der Rechte für queere Verwandtschaftsformen wird seit 1990 nämlich nicht durch politische Entscheidungsträger umgesetzt, sondern waren das Resultat individueller Bestrebungen – queere Familien, die bis zur obersten Instanz, dem Bundesverfassungsgericht, aber auch EU-Institutionen geklagt haben, um ihre Daseinsberechtigung auch formal rechtlich besiegelt zu haben.
"Lesben sind die besseren Väter" führt geballt vor Augen, wie queere, lesbische, polyamouröse, aber auch alleinerziehende Eltern kämpfen mussten und müssen. Wer sich mit Elternschaft befasst, findet hier eine fundierte, inspirierende und teils herausfordernde Auseinandersetzung. Sie bereitet vor, motiviert – und schreckt vielleicht sogar ab. Aber sie eröffnet auch hier und da neue Perspektiven auf die eigene Kindheit.
Lisa Bendiek: Lesben sind die besseren Väter. Regenbogenfamilien als Vorbild für gleichberechtigte Elternschaft. Nautilus Flugschrift. Sachbuch. 312 Seiten. Edition Nautilus. Hamburg 2025. Paperback: 22 € (ISBN 978-3-96054-391-6). E-Book: 17,99 €
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