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Interview
Jurassica Parka: "Am Anfang liefen Tränen der Überforderung"
Jurassica Parka ist seit vielen Jahren eine feste Größe in der Drag-Szene – nun brilliert sie in einem queeren Club-Musical. Wir sprachen mit ihr über die damit verbundenen Herausforderungen, emotionale Szenen und die aktuelle politische Lage.

Jurassica Parka gehört zu Deutschland bekanntesten Dragqueens (Bild: IMAGO / Future Image)
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26. April 2025, 09:47h 5 Min.
Im legendären Berliner Nachtclub SchwuZ wird seit einiger Zeit nicht mehr nur getanzt, sondern auch gestaunt: Denn das queere Club-Musical "Flush" ist eine emotionale Achterbahnfahrt – von witzig über traurig bis hin zu charmanten Fremdscham-Momenten, in denen man sich bei den eigenen Dating-Ausrutschern wiedererkennt.
Produziert von Florian Winkler-Schwarz (ein Interview mit ihm findet ihr hier), liefert "Flush" beste Unterhaltung – so erfolgreich, dass alle bisherigen Vorstellungen ausverkauft waren. Im Herbst soll es deshalb weitere Termine geben, die zeitnah auf der Website des Musicals bekannt gegeben werden.
Das Musical porträtiert auf unterhaltsame Weise die verschiedensten Szenarien, die man nachts auf einer queeren Clubtoilette erleben kann. Dabei greift es auch wichtige Themen wie Ageshaming auf. Mit ironischem Spiel mit Klischees und Stereotypen hält es der queeren Community zugleich den Spiegel vor, hinterfragt gewohnte Denkmuster und regt zum Nachdenken an.
Der Cast ist ideal gecastet – jede Rolle scheint passgenau besetzt. Mit dabei ist auch die Drag Queen Jurassica Parka (45), die seit vielen Jahren fest zur queeren Showlandschaft gehört. Im Interview mit queer.de spricht sie über diese besondere Erfahrung, zeigt sich aber auch nachdenklich angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland und weltweit.

Der Cast von "Flush": Robin Cadet, Jurassica Parka und Felix Heller spielen insgesamt 18 verschiedene Rollen (Bild: SchwuZ)
Jurassica, du hast in deinem Leben schon vieles ausprobiert – von Partyreihen über Talkshows bis hin zu Serienrollen. Nun bist du Ensemblemitglied eines Club-Musicals. Was bedeutet das für dich?
Das bedeutete für mich besonders am Anfang der Proben einen sehr großen Schritt raus aus der Komfortzone. Mich neben zwei professionelle Musicaldarsteller zu stellen und zu singen – ich habe mich am Anfang sehr geschämt und tatsächlich liefen einige Tränen der Überforderung. Ich habe auch noch nie so viel Text lernen müssen. Aber Komponist, Vocal Coach, Regisseur und letztendlich Felix und Robin als Bühnenkollegen haben mich sehr behutsam und empowernd dazu gebracht, meine Stimme mit Selbstbewusstsein zu benutzen, und es ist eine große Freude!
Welche Unterschiede hast du bei der Vorbereitung auf dieses Musical festgestellt, zum Beispiel im Vergleich zu Serien wie "Boom Boom Bruno" oder "Loving Her"?
Vor der Kamera spielst du klein, da zeigst du Gefühle durch einen Blick, eine Gesichtsregung oder einen Atmer. Auf der Bühne spielst du groß, deine Stimme muss viel lauter sein, das war für mich erstmal ungewohnt, aber durch meine Tätigkeit als Moderatorin bin ich ja alles andere als ein Bühnenneuling.
Wie würdest du deine Rolle und das Musical "Flush" in wenigen Worten beschreiben?
Ramona ist die gute Seele des Stücks, und sie rahmt mit dem Herz auf der Zunge und losem Mundwerk die Handlung ein, sie ist der rote Faden, den das Stück durch die vielen Rollenwechsel von Felix und Robin auch braucht.
Mit welchen Szenen aus dem Musical kannst du dich persönlich besonders gut identifizieren, vielleicht weil du schon Ähnliches erlebt hast?
Am meisten nachfühlen konnte ich eine Szene, in der Ramona und ihr bester Freund Paul einen recht emotionalen Streit haben. Ich habe eine beste Freundin seit über 30 Jahren, mit der ich immer sehr eng bin, und die Szene hat mich sehr angefasst, was dem Stück aber gut tut.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit deinen beiden Ensemble-Mitgliedern? Kannst du dir von ihnen in Bezug auf das Schauspiel noch einige Tipps abgucken?
Absolut! Ich habe mir noch nie etwas daraus gemacht, einfach nachzufragen oder mir Rat zu holen, wenn ich etwas nicht kenne oder weiß – ich denke, deshalb arbeiten viele Menschen auch ganz gern mit mir zusammen. Ich sauge gern Wissen auf, und das hab ich natürlich während der Proben ständig getan.

Das queere Musical "Flush" feierte am 9. April Weltpremiere im Berliner SchwuZ (Bild: SchwuZ)
Für alle, die dich vor dem Musical vielleicht noch nicht kannten: Wie würdest du dich in ein oder zwei Sätzen beschreiben?
Seit über 20 Jahren als Drag im Geschäft, vom Club zu Social Media, dann auf die Bühne und dann vor die Kamera, einige behaupten, ich sei die Barbara Schöneberger der Travestie: Spaß am Job und ich nehme mich selbst nicht allzu ernst.
Kommt dein Drag-Name daher, dass du ein großer Fan der "Jurassic Park"-Filme bist, oder steckt etwas anderes dahinter?
"Jurassic Park" und Sarah Jessica Parker von "Sex and the City" sind die zwei Namensgeberinnen. In erster Linie wollte ich aber einen Namen, den es noch nicht gab. Ich bin also seit jeher bei Google im Ranking ganz oben gewesen, das war mir wichtig.
Wie wohl fühlst du dich aktuell, wenn du in Drag-Outfits durch die Straßen Berlins läufst?
Das ist tagesformabhängig, manchmal sind mir Blicke scheißegal, manchmal will ich mich ihnen nicht aussetzen. Als Drag mit über zwei Metern Körpergröße wirst du immer gesehen und beobachtet. Ich wohne in der Schöneberger Bubble, hier interessiert es aber eigentlich keinen wirklich, wie ich durch die Straßen laufe, in der Großstadt zu leben ist da ein großes Geschenk.
Kommt es aber auch zu Beleidigungen oder anderen unangenehmen Vorfällen?
Na klar, meistens brüllen irgendwelche Halbwüchsigen aus ihren geleasten Mercedessen sowas wir "Transe" oder "Scheiß-Schwuchtel". Das passiert aber nur hier und da mal. Ich denke, weil ich eben so groß bin und mir über die Jahre ein sehr dominantes Auftreten antrainiert habe, trauen sich viele nicht, die gern würden.
Was stimmt dich (dennoch) optimistisch für die Zukunft in Berlin und ganz Deutschland?
Oh je, bis vor kurzem hab ich immer gesagt, gerade wenn es um die AfD und die Aushöhlung demokratischer Werte geht, dass ich auf das wirklich gut geschriebene Grundgesetz und unseren Föderalismus vertraue, aber besonders die letzten Entwicklungen in den USA lassen mich staunen und erschreckt zurück. Nach wie vor ist mein Mantra: Nächstenliebe, Menschenverstand und Respekt werden siegen! Aber das ist kein Sprint, sondern ein Dauerlauf.
Links zum Thema:
» Website zum Musical "Flush"
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