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Sachsen-Anhalt
Nach Schönebeck-Skandal: Hunderte beim CSD Dessau
Ende April sabotierten die Behörden den CSD Schönebeck. Am Samstag wurde nun in Sachsen-Anhalt erneut demonstriert. Wir waren in Dessau-Roßlau vor Ort.

Der CSD in Dessau-Roßlau stand unter dem Motto "Politisch, praktisch, queer – it's still a riot" (Bild: Ferdinand Uhl)
- Von Jonas Venediger
18. Mai 2025, 13:10h 4 Min. - Zu Update springen: Queerfeindlicher Übergriff durch drei Fußballspieler
Blauer Himmel, warme Sonne, kühler Wind: Am Samstagnachmittag fand in der Muldestadt Dessau-Roßlau die fünfte CSD-Demonstration statt. Unter dem Motto "Politisch, praktisch, queer – it's still a riot" versammelten sich mehr als 700 Versammlungs-Teilnehmer*innen.

Den Demozug begleiteten eine Vielzahl von Fahnen (Bild: Ferdinand Uhl)
Noch bevor die Zubringer-Demonstration mit über hundert von überall angereisten Menschen vom Hauptbahnhof den Marktplatz erreichte, trug der kühle Wind bereits seit einer Stunde Musik, gute Laune und die letzten Stimmen der Podiumsdiskussion durch die Straßen der Stadt. Alsbald zog die Haupt-Demonstration mit Musik, Tanz und Redebeiträgen durch Dessau. Immer wieder wird auch von den Geschehnissen beim CSD Schönebeck erzählt, wo die Stadt die Versammlung mittendrin für beendet erklärt hat.
Schönebeck – ein Behördendesaster
In Schönebeck, ebenfalls in Sachsen-Anhalt, sollte am 26. April der dritte Christopher Street Day stattfinden. Doch vier Stunden, bevor die Versammlung eigentlich hätte enden sollen, erklärte die Versammlungsbehörde die Demo mit fragwürdigen Begründungen für beendet (queer.de berichtete). Diese Entscheidung sorgte für viel Entsetzen in der queeren Community. Die Pride-Veranstalter*innen fordern personelle und juristische Konsequenzen und werten das Ganze als "vollkommen inakzeptablen Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte" (queer.de berichtete).

Über 700 Menschen beteiligten sich am CSD Dessau (Bild: Ferdinand Uhl)
In Dessau hält sich das Ordnungsamt zurück. Der leichte Regen und die Windböen, die über die Versammlung fegen, kurz bevor sie den Marktplatz ein letztes Mal erreicht hat, mindert nichts an der guten Stimmung. Zwischenfälle, ausgelöst durch Rechtsextreme, hat es in Dessau nicht gegeben, und doch richtet man den Blick mahnend und ängstlich in die Zukunft. Eine unionsgeführte Regierung und eine immer weiter erstarkende, gesichert rechtsextreme AfD lösen bei queeren Menschen in der gesamten Bundesrepublik Beklemmung aus. Eben solche soll aber keinesfalls vereinnahmend sein, sondern vielmehr dafür sorgen, dass sich noch mehr Menschen weltweit auf die Straßen trauen.
"Wir müssen gemeinsam auf die Bühnen, die Marktplätze und sichtbar werden!", sagte Schwester Rosa-La-Ola Grande von und zu Lutschmunda vom Orden der Schwestern der perpetuellen Indulgenz in einem Redebeitrag. "Wir müssen zeigen, dass auch wir das Recht zu Lieben haben!"
Großes Polizeiaufgebot
In den vergangenen Jahren waren CSD-Veranstaltungen immer wieder rechtsextremen Bedrohungen und sogar Gegenprotesten ausgesetzt. Die Polizei hat nach diesen Ereignissen reagiert, sodass der CSD Dessau von einem großen Aufgebot der örtlichen Polizei und Beamt*innen der Bereitschaftspolizei Magdeburg abgesichert wurde. Es kam zu keinen Zwischenfällen, die einer Intervention durch die Polizei bedurfte. Die Demo verlief "friedlich und störungsfrei", erklärte Polizeisprecherin Annett Ropella gegenüber der Regionalpresse.

Der Marktplatz von Dessau war voll von Menschen, die interessiert zuhörten (Bild: Ferdinand Uhl)
Als vertrauensbildende Maßnahme und um queerfeindlichen Angriffen und Hasskriminalität zu begegnen, war – wie schon beim CSD Köthen 2024 – ein Stand der Ansprechperson für die Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und intergeschlechtlichen Menschen bei der Polizei des Landes Sachsen-Anhalt auf dem Marktplatz aufgebaut. Auch ein Konfliktmanagemen-Team der Polizei war vor Ort.
Das Signal von Dessau: Sichtbarkeit und Solidarität sind notwendig
Trotz des feindlicher werdenden Klimas finden von Jahr zu Jahr mehr queere Demonstrationen in Deutschland statt. Vor allem in ländlichen Regionen, auch im Osten Deutschlands, trauen sich immer mehr Menschen, einen eigenen CSD zu organisieren. Diese Demonstrationen sind nicht nur politische Versammlungen, sondern oft auch die einzigen Tage im Jahr, an denen sich queere Menschen in ihrem Ort sicher genug fühlen, sie selbst zu sein. Sie schaffen temporäre Schutzräume und senden zugleich ein deutliches Signal: Sichtbarkeit und Solidarität sind notwendig – gerade dort, wo sie noch keine Selbstverständlichkeit sind.
Update 16.55h: Queerfeindlicher Übergriff durch drei Fußballspieler
Nach dem friedlichen Verlauf des CSD Dessau-Roßlau kam es am Samstagabend doch noch zu einem queerfeindlichen Übergriff. Nach Angaben der Veranstalter*innen vom Sonntag belästigten drei Männer auf dem Dessauer Marktplatz zunächst mehrere CSD-Teilnehmer*innen. Nach Ansprache durch die Veranstaltungsleitung und Ordnungskräfte äußerten sie schließlich offen queerfeindliche Beleidigungen. Unter anderem soll der Satz "Mit Merz an der Macht werdet ihr Schwuchteln beseitigt" gefallen sein.
Im weiteren Verlauf schlug einer der Männer der anwesenden Veranstaltungsleitung unvermittelt ins Gesicht. Die Polizei griff umgehend ein und nahm Strafanzeige auf. Nach Angaben der CSD-Organisator*innen handelt es sich bei den Tätern um aktive Spieler des Fußballvereins SG Abus Dessau.
"Der Vorfall stellt einen massiven Angriff auf die queere Community und die demokratische Öffentlichkeit dar", erklärten die Veranstalter*innen in einer Pressemitteilung vom Sonntag. "Er bestätigt in erschreckender Weise die anhaltende Bedrohungslage für queere Menschen – auch in unserer Stadt – und verdeutlicht, wie gesellschaftliche Stimmungsmache von rechts zunehmend in tätliche Angriffe umschlägt."
Vom Fußballverein forderten die Pride-Organisator*innen eine "unverzügliche Stellungnahme", eine Distanzierung von den Aussagen und Taten der beteiligten Spieler sowie "disziplinarische Konsequenzen".















