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Serienkritik
Eine College-Serie mit schwuler Hauptfigur
Benny ist stockschwul und gibt wirklich alles, damit niemand an seiner neuen Uni Verdacht schöpft. "Überkompensation" ist unterhaltsam und zeigt viel nackte Haut, aber irgendwie hat man das meiste so oder ähnlich schon mal gesehen.

Der schwule Benny (Benito Skinner, l.) und Miles (Rish Shah) in der zehnteiligen Serie "Überkompensation" (Bild: Prime)
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21. Mai 2025, 06:02h 4 Min.
Wer regelmäßig amerikanische Filme oder Serien schaut, ist wohlvertraut mit dem College-Genre: die große Verunsicherung beim Start des ersten Semesters, die bizarren Rituale der einflussreichen Studierendenverbindungen, die ausschweifenden Partys, die beliebten Stars (sensationell gutaussehend und sportlich) und die verspotteten Außenseiter (Nerds, Queers, Dicke etc.), die erste Liebe – und natürlich die verzweifelten Versuche, endlich Sex zu haben und alles, was dabei so schiefgehen kann.
In den letzten zehn Jahren oder so wurden diese einst rein heterosexuellen Geschichten immer häufiger mit queeren Charakteren und Handlungssträngen angereichert. Meist als Nebengeschichten, etwa über den schwulen besten Freund der Hauptfigur. Doch inzwischen kommt es schon mal vor, dass die Hauptfigur selbst schwul ist wie bei "Überkompensation" (englischger Originaltitel: "Overcompensating"), einer neuen achteiligen Serie auf Amazon Prime.
Dazugehören bei den coolen Bros und Jocks

Original-Poster zur Serie: "Überkompensation" kann seit 15. Mai 2025 bei Prime gestreamt werden
Benny (Benito Skinner, der die Story auch entwickelt hat) konnte sich schon als Kind nicht sattsehen, wenn "George of the Jungle" (1997) leicht bekleidet durch den Dschungel schwang. Doch hat er es bis heute verpasst, seiner Familie oder seinen Freund*innen mitzuteilen, dass er auf Männer steht. Wohl auch, weil das als großer Sportstar zusätzlich schwierig ist und er vom Typ her problemlos als Hetero durchgeht. Nun jedoch, zum Studienstart, ist er immer noch nicht out und will natürlich bei all den coolen Bros und Jocks an der Uni den bestmöglichen Eindruck machen, um nur ja dazuzugehören.
Der Titel der Serie spielt dabei auf die wilden Verrenkungen und absurden Aktionen an, die Benny so veranstaltet, um sein Schwulsein zu verbergen und sich als erfolgreicher, viriler Hetero-Macker zu inszenieren. Zum Beispiel mit Carmen (Wally Baram), die ebenfalls gerade ihr Studium startet und sich ihrerseits im Kreise der kompetitiven College-Girls zu behaupten versucht. Die beiden mögen sich auf Anhieb, aber sehen sich unter dem Erwartungsdruck ihres Umfelds gezwungen, es wenigstens zu versuchen, miteinander Sex zu haben. Da beide darin keinerlei Erfahrung haben und Benny natürlich sexuell null interessiert ist, geht das zwar gründlich schief, wirkt von außen jedoch so, als habe es geklappt, was beiden erst mal etwas Luft verschafft.
Absehbare Story mit unterhaltsamen Umwegen
Dabei wäre da eigentlich schon ein Typ, der Benny interessieren würde: Miles (Rish Shah) studiert Film und versucht scheinbar auch, Benny näher kennenzulernen. Doch der ahnt schon, wohin das führen könnte. Und obwohl er das ja eigentlich auch will, würde es sich bei seinen Bros natürlich ganz schlecht machen, weshalb er Miles ausweicht und abblockt, wo er nur kann. Dabei ist nicht mal ganz klar, ob der überhaupt schwul ist oder einfach nur Anschluss sucht.
Ansonsten passiert in "Overcompensating" all das, was in diesen College-Geschichten immer passiert, allerdings sieht man dabei deutlich mehr nackte Haut als üblich, insbesondere männliche. Die Story wirkt jedoch ziemlich absehbar, und man zweifelt nie ernstlich, dass Benny trotz der zahlreichen, durchaus unterhaltsamen Umwege auf eine erfolgreiche Selbstfindung und Selbstbehauptung zusteuert. Auch wenn sie so richtig vielleicht erst in der zweiten Staffel stattfindet, denn die erste endet mit einem massiven Cliffhanger.
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Chaos und Schönheit des Coming-out
Der Komiker und Schauspieler Benito Skinner, der im kurzlebigen 2022er-Reboot von "Queer as Folk" eine Nebenrolle spielte, erklärte in Interviews, dass die Story von seinen eigenen Erfahrungen mit dem Coming-out im College inspiriert sei. "Ich war lange Zeit ziemlich durcheinander und wusste nicht mehr, wer ich war. Und gleichzeitig liegt im Chaos des Coming-out doch auch eine gewisse Schönheit – etwa, wenn man nach und nach die Menschen findet, bei denen man sich sicher genug fühlt, sich zu öffnen." Zudem gelang es Skinner, erstaunlich viele Stars für Cameos zu gewinnen: von Kyle MacLachlan und Connie Britton über Megan Fox und James Van Der Beek bis hin zu Bowen Yang, die sich bei ihren Kurzauftritten allesamt offensichtlich großartig amüsiert haben.
Doch warum eigentlich macht es immer wieder Spaß, diese College-Geschichten zu schauen, auch wenn man sie so oder ähnlich schon x-mal gesehen hat? Worin liegt der Reiz, jungen, meist attraktiven Menschen bei ihrer chaotischen Selbstfindung unter verschärften Bedingungen zuzusehen? Vielleicht ist es die Erleichterung, dies schon hinter sich zu haben. Die Dankbarkeit, dass einem wenigstens die US-College-Experience erspart geblieben ist. Die nostalgische Erinnerung an die Freiheit, das Chaos und die scheinbar unbegrenzten Zukunftsmöglichkeiten während der eigenen Jugend. "Overcompensating" bietet dies alles, und womöglich reicht das ja schon.
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