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"Der Ball liegt nun bei der EBU"
JJ wünscht sich ESC ohne Israel
ESC-Sieger JJ bezeichnet es als "sehr enttäuschend", dass Israel trotz des Kriegs gegen die Hamas noch beim Songfestival antreten darf.

JJ nach seinem Sieg am Sonntagmorgen in Basel (Bild: EBU / Corinne Cumming)
- 22. Mai 2025, 09:09h 4 Min.
- Zu Update springen: JJ relativiert Anti-Israel-Aussage, ORF und EBU gehen auf Distanz (14:50h)
Österreichs Gewinner JJ wünscht sich laut einem Zeitungsbericht den Eurovision Song Contest nächstes Jahr in Wien ohne das diesmal auf dem zweiten Platz gelandete Israel. "Es ist sehr enttäuschend, dass Israel noch am Wettbewerb teilnimmt", zitierte die spanische Zeitung "El País" den 24-jährigen Johannes Pietsch. "Ich würde mir wünschen, dass der Eurovision Song Contest nächstes Jahr in Wien stattfindet, ohne Israel. Aber der Ball liegt nun bei der EBU. Wir Künstler können uns nur dazu äußern."
Die Europäische Rundfunkunion (EBU/European Broadcasting Union) ist als Zusammenschluss von öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunkanstalten aus Dutzenden Ländern der Veranstalter des Eurovision Song Contest (ESC), den es seit 1956 gibt.
Welche Voraussetzungen JJ hat, um Israel wieder zu akzeptieren, sagte er im Interview nicht – und wir werden es wohl auch nicht erfahren, denn nun schweigt der 24-Jährige über dieses Thema. So erklärte er etwa am Donnerstag in einem Interview im Radiosender WDR 2: "Zu dieser Thematik möchte ich mich nicht mehr äußern."
Der ausgebildete Opernsänger hatte bei dem in der Nacht zum vergangenen Sonntag in Basel ausgetragenen Wettbewerb mit dem Song "Wasted Love" die meisten Punkte geholt und die internationale Musikshow gewonnen (queer.de berichtete). Gegenüber queer.de hatte er im März von der Freude gesprochen, die queere Community zu repräsentieren (queer.de berichtete). Im Vorjahr hatte der nichtbinäre Musikstar Nemo das größte Musikfestival der Welt für die Schweiz gewonnen.
Lauter werdende Kritik an Israel
Israels Teilnahme am ESC wurde in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert. Hintergrund ist der Krieg gegen die Terrororganisation Hamas, den Israel im palästinensischen Gazastreifen führt. Dieser begann nach dem beispiellosen Massaker durch palästinensische Terroristen in Israel im Oktober 2023. Im Gazastreifen sollen seitdem mehr als 50.000 Menschen umgekommen sein.
Kritik an Israels Teilnahme gibt es allerdings bereits seit Jahrzehnten. In der Vergangenheit zeigten etwa arabische Länder beim israelischen ESC-Beitrag eine Werbeunterbrechung oder verschwiegen in einem Jahr gar einen israelischen Sieg. Manche Forschende sehen in der Fokussierung auf Israel beim ESC, bei dem ja bekanntlich Diktaturen wie das faschistische Spanien oder heute Aserbaidschan mit wenig Kritik aufgetreten sind oder auftreten, als Form von Antisemitismus. Für israelische Fans des ESC hat dies Auswirkungen: Sie wurden bei ihrem Basel-Besuch aufgefordert, keine jüdischen Symbole zu zeigen, um nicht Opfer von Gewalt zu werden.
Auch Nemo hatte sich offen für einen Ausschluss Israels ausgesprochen (queer.de berichtete). Ähnlich hatten sich kürzlich 70 frühere ESC-Teilnehmende in einem offenen Brief geäußert.
Für Israel war am vergangenen Samstagabend die Sängerin Yuval Raphael (24) angetreten. Sie ist eine Überlebende der Terroranschläge auf Israel am 7. Oktober 2023. Sie war damals mit einer Freundin auf dem Nova-Musikfestival, auf dem Terroristen aus dem Gazastreifen ein Massaker anrichteten.
Ihr Song "New Day Will Rise" landete im ESC-Finale in Basel auf Platz zwei; im Publikumsvoting hatte Israel sogar auf Platz eins gelegen. Die Punkte der Dutzenden Fachjurys aus den teilnehmenden Ländern bescherten letztlich Österreich und JJ den Sieg. (dpa/cw)
Update 14:50 Uhr: JJ relativiert Anti-Israel-Aussage, ORF und EBU gehen auf Distanz
Nach viel Kritik an JJs Aussagen zu Israel hat nun seine Plattenfirma eine kurze Stellungnahme des Sängers herausgegeben. Darin relativiert er seine Äußerung: "Es tut mir leid, falls meine Worte missverstanden wurden. Obwohl ich die israelische Regierung kritisiere, verurteile ich jegliche Form von Gewalt gegen Zivilisten überall auf der Welt – sei es gegen Israelis oder Palästinenser." Unklar bleibt, ob er an seiner Forderung eines Ausschlusses des jüdischen Staates aufrechterhält. Weiter erklärte der Österreicher: "Zu diesem Thema werde ich mich nicht weiter äußern."
Auch der Sender ORF, der den ESC nächstes Jahr organisieren wird, möchte sich nicht zu dem Thema äußern: "JJs Aussagen geben seine Privatmeinung wieder", sagte ein ORF-Sprecher. Für den Sender stünden beim ESC die Musik und die künstlerischen Darbietungen im Vordergrund.
Die EBU erklärte als Reaktion auf JJs Forderung nach einem Israel-Ausschluss, man sei ein Zusammenschluss öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten und kein Zusammenschluss von Nationalstaaten. Alle Mitgliedssender seien "berechtigt, jedes Jahr am Eurovision Song Contest teilzunehmen, wenn sie die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen".













