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Sachbuch

Eine Anti-Vorurteils-Therapie in Sachen trans

Nachhilfe für die Union: Die Lebensgeschichten der jungen Menschen im neuen Buch "trans* – Don't judge my journey" strafen all jene Lügen, die beim Thema trans immer nur von Verführung, Übereilung, Unreife und Gefahren sprechen.


Fynn erzählt im Buch: "Gemerkt habe ich es mit drei oder vier. Ich hab zu meiner Mama gesagt, dass ich lieber ein Junge sein möchte. Sie hat das nicht so ernst genommen, weil ich ja noch klein war. Später hab ich das dann nochmal gesagt, und immer wieder. Und irgendwann hat sie es ein bisschen ernster genommen." (Bild: Walter Schels / Gabriel Verlag)

Mit der vorgezogenen Evaluierung des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG), so steht zu vermuten und auch zu befürchten, wird die Union die Schere mindestens an den Regelungen für Minderjährige ansetzen. Dass für Kinder und Jugendliche in Sachen Namens- und Personenstandsänderung auch die Selbstbestimmung gelten soll, ist ihr bekanntermaßen ein Dorn im Auge. Unterstellt werden die Unreife und Unmündigkeit von Menschen unter 18 in Fragen des eigenen Geschlechts.

Man kann es nicht oft genug sagen: Beim SBGG geht es nicht um medizinische Maßnahmen, sondern allein um einen neuen Namen und einen passenden Geschlechtseintrag, was im wohl eher seltenen Bedarfsfall auch wieder rückgängig gemacht werden kann. Aber auch die Medizin ist ein lebenswichtiges Thema.

Die Union argumentiert hier gern mit der Kindeswohlgefährdung und verschleiert damit, dass es ihr in erster Linie um das Elternwohl geht. Denn die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen interessiert sie weit weniger als der Schutz der Elternrechte. Da klingen die Argumente leider wie ein copy and paste, für das die Partei rechts außen im Bundestag die Kopier-Vorlage liefert.

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Das Kontra zum Problem der Union


Das Sachbuch "trans* – Don't judge my journey" ist am 25. Juni 2025 im Gabriel Verlag erschienen

Ich mach hier mal 'nen Punkt, denn das soll kein politischer Kommentar werden, sondern nur die Einleitung zu einer Buchbesprechung. Das Buch mit dem schönen Titel "trans* – Don't judge my journey" (Amazon-Affiliate-Link ), erschienen im Gabriel Verlag, herausgegeben von der Journalistin Beate Lakotta (hat lange für den "Spiegel" gearbeitet) und angefüllt mit großartigen Porträtfotos des Fotografen Walter Schels, passt haargenau zum Thema und liefert das Kontra zum Problem der Union.

Denn die 21 Personen, die mit ihren trans Biografien darin versammelt sind, zeugen alle von genau dem, was die Union dieser Gruppe abspricht: reflektiert, selbstbewusst und selbstkritisch zu sein. Kurzum sie beweisen souverän Geschlechtsmündigkeit und auch und gerade diejenigen unter ihnen, die mit einer Detransition den Weg zurückgingen. Nebenbei bemerkt: Man kann Detransitioner sein, ohne gleich in Transfeindlichkeit zu verfallen. Dass dieses Thema nicht ausgeklammert wurde, spricht allemal für die Publikation.

In dem Buch kommen Kinder und Jugendliche zu Wort, die von der Herausgeberin und dem Fotografen über viele Jahre begleitet wurden. In einer Reihe von thematisch sortierten Kapiteln kommen all diese jungen Menschen ausführlich im O-Ton zu Wort, dazwischen wunderschöne Porträtaufnahmen, die zugleich die Stadien ihrer Transition eindrucksvoll dokumentieren.

Zuhören und Ernstnehmen sind die besten Wegbegleiter einer Transition

Die Lebensgeschichten dieser jungen Menschen strafen all jene Lügen, die immer nur von Verführung, Übereilung, Unreife und Gefahren beim Thema trans sprechen. Wieder einmal bestätigt sich, dass Zuhören, Ernstnehmen und Beobachten die besten Wegbegleiter einer Transition sind und wie wichtig gerade die Unterstützung durch die Eltern und das unmittelbare soziale Umfeld sind. Eltern, die ihre Probleme zu den Problemen des Kindes machen, sind als Eltern eine Fehlbesetzung.


Autorin Beate Lakotta und Fotograf Walter Schels (Bild: Walter Schels)

Die Erfahrungen mit dem Coming-out und die ersten Schritte der Transition bringen erwartungsgemäß wiederkehrende Erzählungen auf der Suche nach dem Selbst hervor, so individuell Biografien am Ende bleiben. Beruhigend zu lesen, dass es neben negativen Erfahrungen der Ablehnung, des Mobbings doch auch so viele positive Geschichten gibt. Natürlich kann die Erkenntnis, trans zu sein, immer beides bedeuten – Befreiung und Verunsicherung. Doch klar wird auch, trans zu sein, ist keine Wahl.

Während der Lektüre habe ich als die so viel ältere trans Frau diese jungen Menschen immer wieder auch beneidet. Denn Sie haben heute die Möglichkeit, die meiner Altersgruppe verwehrt blieb, nämlich so früh wie möglich auf die richtige Lebensspur zu kommen. Ich bewundere ihre so herzerfrischende Offenheit und Ehrlichkeit.

Beispiele aus dem Buch

Leonie meint, es brauche einen Regenschirm gegen Vorurteile, der leider auch mal kaputt gehen könne. Dann würden Tränen fließen. "Aber das passiert jetzt nur noch sehr selten." Elisa: "Ich bin jetzt 13. Ich bin ein Mädchen, nur dass ich früher im Körper von einem Jungen gesteckt habe. Also: Da stecke ich immer noch drin. Aber mein Kopf war schon immer weiblich."

Die Eltern von Ben Julian hatten sein Trans-Sein erst als "kindliche Phase" abgetan, aber mit der Pubertät kamen die Depressionen. "Heute bin 24 Jahre alt und mache eine Ausbildung zum Ergotherapeuten." Er habe etwas Wesentliches begriffen: "Dass es in meinem Leben mehr als das gibt. Dass mich mehr ausmacht als diesen Weg." Womit er seine erfolgreiche Transition meint.

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Maxine berichtet: "Mein Vater hat mich inzwischen als seine Tochter akzeptiert. Er nennt mich auch Maxine. Das ist schön, aber ich hätte diese Akzeptanz früher gebraucht." Und Magnus, mit mexikanischer Herkunft, beschreibt, wie belastend dieser Stress mit Ärzten und OPs war. "Aber wenn ich es nicht gemacht hätte, wäre es umso schlimmer. Dann hätte mich, glaube ich, niemand so kennengelernt, wie ich wirklich bin."

Und ein letztes Beispiel: Ben H. ist Polizist geworden und natürlich ein Mann. "Was ich gemacht hätte, wenn es keine Möglichkeit der Behandlung gäbe? Ich hätte nicht weiterleben wollen. Ich wäre in mir selbst gefangen gewesen. Es wäre nicht mein Leben gewesen. […] Es ist schwer, dieses Unglücklichsein zu beschreiben."

Aber es sollte nicht schwer sein, dieses Buch in die Hand zu nehmen und zu lesen. Es erfüllt die besten Voraussetzungen für eine Anti-Vorurteils-Therapie in Sachen trans. Der Unions-Fraktion im Bundestag jedenfalls sei es wärmstens empfohlen und natürlich all jenen, die diese selbstbewussten und selbstkritischen trans Kinder und Jugendlichen aus nächster Nähe erleben wollen, die mir oft lebensklüger vorkamen als viele Erwachsene.

Infos zum Buch

Beate Lakotta, Walter Schels: trans* – Don't judge my journey. Sachbuch ab 13 Jahren. 208 Seiten. Gabriel Verlag. Stuttgart 2025. Taschenbuch: 18 € (ISBN 978-3-522-30756-7). E-Book: 13,99 €

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