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Sachbuch

Trans Menschen als "Avantgarde einer im Umbruch befindlichen Geschlechterordnung"

Das neue Buch "Bin ich kein:e Feminist:in?" von Emmanuel Beaubatie beschreibt die historische und gegenwärtige Vielfalt feministischer Bewegungen und fordert dazu auf, sie für transinklusive Perspektiven zu öffnen.


Der französische Soziologe Emmanuel Beaubatie plädiert für eine Öffnung der feministischen Bewegung für die Anliegen der trans Community (Bild: CESSP)

Emmanuel Beaubatie, Jahrgang 1986, lehrt heute Soziologie in Frankreich. Seine Dissertation erschien 2021 unter dem Titel "Transfuges de sexe. Passer les frontière du genre" ("Geschlechtswechsler. Die Grenzen der Geschlechter überschreiten"). Er ist selbst trans und weiß deshalb, dass ein trans Leben mitunter von lauter Kampfzonen umgeben ist. Das kann eine ignorante Gesellschaft sein, eine bevormundende Medizin, das können die Medien und ihre Vorliebe für Klischees sein, aber auch Feministinnen, die trans Menschen ihre Geschlechtlichkeit absprechen und sie aus ihren Kreisen verbannen. Und manchmal kommt alles zusammen.

Ein schmales, knallrotes Heft mit dem Titel "Bin ich kein:e Feminist:in?" (Amazon-Affiliate-Link ) ist kürzlich in dem in Wien beheimateten Passagen Verlag erschienen, ein Verlag mit einem exquisiten philosophischen Programm und einer besonderen Vorliebe für Frankreich. Ein Blick ins Verlagsprogramm ist da immer lohnend und eine unbedingte Empfehlung für Liebhaber*innen der gehobenen geistigen Kost. Die oben genannte Frage stellt Emmanuel Beaubatie, um sich sogleich auf eine Exkursion durch die jüngere Geschichte des Feminismus zu begeben (mit Schwerpunkt Frankreich).

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Wer darf Feminismus für sich in Anspruch nehmen?


"Bin ich kein:e Feminist:in?" ist Passagen Verlag erschienen

Anders formuliert lautet die Frage: Wer darf Feminismus für sich in Anspruch nehmen? Wer gehört dazu und wer wird ausgeschlossen? Die Schwarze Feministin bell hooks hatte die Frage mit einem "Feminismus für alle" beantwortet. Das unterschied sie übrigens und bekanntermaßen von vielen weißen Feministinnen, die nicht nur mit trans Menschen ihre Schwierigkeiten haben, sondern ebenso mit Lesben, Schwarzen oder schleiertragenden Frauen und Sexarbeiter*­innen.

Beaubatie unternimmt mit seiner Geschichtsexkursion einen Schnelldurchlauf durch die konkurrierenden feministischen Schulen, die mal im Namen des Universalismus und mal im Namen der Natur auf Exklusivität pochten. Als Dauerstreitfall tritt darin das Thema trans auf, obschon der Autor zu dem Schluss kommt, keine feministische Strömung sei grundlegend transphob, "aber es gibt auch keine, die vollkommen von Transphobie frei wäre".

Der Autor gibt damit zugleich einen Überblick über wechselnde feministische Positionen und ihre Argumente, und das geschieht in einer erfreulich verständlichen Sprache, indem er konkurrierende Modelle inhaltlich auf den Punkt bringt und ebenso klar feministische Holzwege benennt. Etwa die biologische Fundierung von Geschlecht, denn sie übersieht, dass nun mal nicht die Natur Hierarchien erzeugt. Es seien vielmehr "die Herrschaftsverhältnisse, die der Biologie ihre Bedeutung verleihen".

Merkheft mit vielen klugen Einsichten

Beaupartie zitiert an dieser Stelle die Soziologin Christine Delphy, die keinen Zweifel daran hat, dass es soziale Kategorien sind, durch die unsere Körper interpretiert werden: "Das soziale Geschlecht geht dem biologischen voraus." Dieses schmale Heft eignet sich bestens als Merkheft mit vielen klugen Einsichten – etwa zur Geschlechterdifferenz:

Sie bedingen und konstruieren sich gegenseitig, sie haben nur Sinn im Verhältnis zueinander. Heterosexualität existiert nur durch die Verurteilung von Homosexualität, und genauso definiert sich Männlichkeit vor allem durch den Ausschluss jeglicher Form von Weiblichkeit.

Darum ist die Frage, ob trans Personen nicht doch die "Avantgarde einer im Umbruch befindlichen Geschlechterordnung" seien, naheliegend. Ganz abgesehen davon, dass sie die einzige Gruppe ist, die die Welt geschlechtlich von zwei Seiten kennt. Mit der Konsequenz, dass eine Transition immer auch offenbare, "welche Privilegien dabei erworben oder verloren werden".

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Wer es ausführlicher wissen möchte, der wird wohl zur Dissertation greifen müssen, die es aber leider nur auf Französisch gibt. In einer Rezension hieß es dazu:

Emmanuel Beaubatie untersucht Geschlechtsübergänge als Wege der sozialen Mobilität und zeigt damit nicht nur die Vielfalt von trans Erfahrungen und die verschiedenen Register, in denen sie sich entfalten, sondern bettet sie auch in das Gefüge der sozialen Welt ein und legt die hierarchischen Beziehungen offen, die sie durchziehen, wodurch er zu einer 'Normalisierung' dieser Erfahrungen beiträgt. Darin liegt die politische Bedeutung seiner Arbeit.

Das kleine Passagen-Heft ist in dieser Hinsicht wohl nicht weniger politisch.

Infos zum Buch

Emmanuel Beaubatie: Bin ich kein:e Feminist:in?. Passagen Hefte 27. Essay. Aus dem Französischen von Martin Born. 72 Seiten. Passagen Verlag. Wien 2025. Taschenbuch: 12 € (ISBN 978-3-7092-0599-0)

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