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Interview

Wird es mit der Union in der Queerpolitik vorangehen, Sophie Koch?

Wir sprachen mit der neuen Queerbeauftragten der Bundesregierung über ihre Vorhaben, die Versäumnisse der Ampel, konservative Werte, rechten Kulturkampf und die politische Bedeutung von CSD-Demos.


Sophie Koch Anfang des Monats beim Kölner CSD: Die sächsische SPD-Landtagsabgeordnete ist seit Mai 2025 Beauftragte der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Bild: IMAGO / Horst Galuschka)
  • Von Marcel Malachowski
    26. Juli 2025, 14:32h 5 Min.

Frau Koch, Bundeskanzler Friedrich Merz sagte zur Aussage von US-Präsident Donald Trump, dass es nun "offiziell" nur noch zwei Geschlechter in den USA gäbe, er könne es nachvollziehen. Sie auch?

Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass es in Deutschland einen dritten positiven Geschlechtseintrag neben "weiblich" und "männlich" geben muss. Dieses Urteil und damit auch der Geschlechtseintrag "divers" stehen nicht zur Debatte.

Haben Sie als neue Queerbeauftragte der Bundesregierung schon konkrete Vorhaben in Sachen Queerpolitik für die neue Regierung ins Auge gefasst?

Es gibt zwei große Themen, für die ich mir nach jahrzehntelanger gesellschaftlicher Debatte endlich einen positiven Abschluss wünsche. Da ist einmal die Frage der rechtlichen Anerkennung von Kindern queerer Eltern: Das Abstammungsrecht kennt bis heute nur eine Mutter und einen Vater. Wenn also Kinder in beispielsweise lesbische Ehen geboren werden, dann haben sie nicht von Anfang an zwei Eltern. Das kann dramatische Konsequenzen haben, wenn zum Beispiel während der Geburt etwas passiert und die Geburtsmutter stirbt. Dann ist das Kind rechtlich gesehen Vollwaise – obwohl es eine zweite Person gibt, die sozial Verantwortung übernimmt. Ich freue mich also sehr, dass die Justizministerin Stefanie Hubig angekündigt hat, diese rechtliche Ungleichbehandlung zu beseitigen.

Daneben wird es in meiner Amtszeit sicher verstärkt um die Frage gehen, wie wir die Rechte queerer Menschen in Artikel 3 Grundgesetz absichern können: Als das Grundgesetz 1949 beschlossen wurde, galten queere Menschen ja weiter als "widernatürlich" und eben explizit nicht als schutzwürdig. Sie wurden stattdessen in der Bundesrepublik mit demselben Paragrafen 175 weiterverfolgt, den die Nazis vorher verschärft hatten – in der DDR wurde immerhin nur die etwas mildere Form aus der Weimarer Republik eingeführt. Um das also in aller Deutlichkeit zu sagen: Es ist einfach an der Zeit, diese historische Schutzlücke zu schließen. Gerade mit Blick auf die sich verändernde gesellschaftliche Stimmung. Aber ehrlich gesagt bin ich auch da optimistisch: Aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass auch in der Union gerade bei vielen Menschen Denkprozesse stattfinden und die Bereitschaft zu einer solchen Reform steigt.

Aber hätte denn nicht schon die Ampel mit SPD-Beteiligung queerpolitisch viel mehr erreichen können? Als diese startete, gab es große Ankündigungen, aber nicht alles wurde umgesetzt.

Ich bewerte ehrlich gesagt ungern andere Regierungen aus der Ferne. Aber klar ist: Seit der Öffnung der Ehe im Jahr 2017 ist in diesem Bereich viel passiert: Es gibt mittlerweile nur noch wenige Bereiche, in denen queere Menschen rechtlich benachteiligt werden. Das stimmt mich optimistisch, dass wir die wenigen rechtlichen Benachteiligungen auch noch abbauen können. Aber wir müssen aufpassen, dass Erreichtes nicht wieder zurückgedreht wird und queere Menschen wieder aktiv benachteiligt werden. Gerade mit Blick auf die sich verändernde gesellschaftliche Stimmung wird das für die nächsten Jahre sicher eine große Aufgabe.

Aber auch die physischen Angriffe gegen CSDs, gegen Queers und queere Orte häuften sich in den letzten Monaten, teils in schwerer Form, nicht nur im Osten Deutschlands. Müssen queere Menschen denn jetzt in Deutschland wieder Angst haben?

Angst ist selten ein guter Begleiter. Aber natürlich verändert sich die Stimmung in unserer Gesellschaft und weltweit, das spüren wir alle.

Der Juso-Vorsitzende sagte kürzlich auf dem SPD-Parteitag, der Feind sei die Normalität. Ist Ihre Partei, die SPD, nicht zu behäbig geworden, diese Normalität der Menschenverachtung allerorten anzugreifen?

Nun ja, ich spreche ja hier als Beauftragte der Bundesregierung, nicht als Sozialdemokratin. Aber es gibt eine Sache, die ich mir gerade von allen Parteien wünsche: Die verschobene Wahl der Richter*innen zum Bundesverfassungsgericht hat in aller Deutlichkeit gezeigt, dass Kampagnen, die in rechten Kreisen entworfen und groß gemacht werden, einen sehr konkreten Einfluss auf politische Entscheidungen haben können. Und ja, auch rund um die Rechte queerer Menschen gibt es Debatten, in denen ich Anzeichen dafür sehe, dass solche Kampagnen Wirkung zeigen. Deshalb, so scheint es mir, werden gerade zwei sehr konservative Werte ziemlich wichtig: Eine klare Haltung und ein klarer Fokus auf das Ziel, Menschenrechte zu verwirklichen. Und der Anstand im Umgang miteinander, sich auf die Situation eines Gegenübers einzulassen. Aber das gilt ehrlich gesagt für alle Parteien, die sich für unsere Demokratie stark machen.

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Aber wenn man einige Politiker*innen von der CDU/CSU so hört, könnte man glauben, diese wollen mit Freude zurück in die "guten, alten Zeiten" der 1950er Jahre: Die Kirche soll sich nur noch zu Sinnstiftung äußern, Regenbogenfahnen werden verbannt, Sexarbeiter*innen sollen kriminalisiert werden, eine angebliche "Sexualisierung der Gesellschaft" wird kritisiert. Was sagen Sie denn dazu?

Auch CDU und CSU sind Volksparteien, in denen es sehr unterschiedliche Positionen gibt. Das finde ich grundsätzlich auch nicht verkehrt. Im Gegenteil: Die große Stärke von Volksparteien ist ja, dass dort bereits Debatten und eine Art Vorauswahl stattfinden, und nicht alle Positionen erst am Kabinettstisch oder im Plenarsaal des Bundestages erst aufeinandertreffen. Die Frage ist natürlich, welche Position sich am Ende durchsetzt. Da würde ich sagen, wir stehen ganz am Beginn der Wahlperiode und werden in den nächsten Jahren sicher noch viele Diskussionen führen. Das ist auch gut so. Für mich ist dabei nur wichtig, was ich eben schon erwähnt habe: Der Anstand, sich auf die Situation des Gegenübers einzulassen, und eine grundsätzlich klare Haltung für Menschenrechte und unsere Demokratie.

Einige der großen CSDs in Deutschland und den westlichen Ländern wirken mittlerweile sehr unpolitisch und werden auch von Medien nur noch als Fun-Events dargestellt. Müssen die CSDs nicht wieder sehr viel politischer werden?

Ich persönlich erlebe CSDs ehrlich gesagt sehr unterschiedlich. Ja, es gibt die großen CSDs in Berlin, Köln und Hamburg. Aber ich kenne auch sehr viele kleinere CSDs beispielsweise im ländlichen Sachsen, bei denen es um sehr viel geht. Die Menschen dort organisieren CSDs bewusst als Reaktion auf Anfeindungen und erstarkende rechte Strukturen. Davor habe ich ziemlich großen Respekt. Und ehrlich gesagt stimmt mich das auch ziemlich optimistisch: Es gibt viele Menschen, die in einer nicht einfachen Situation unsere Rechte und unsere Demokratie verteidigen.

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