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Queerfilmnacht
Zärtlicher Sex in der Kohlemine
Die jungen Bergarbeiter Viet und Nam schuften unter Tage – und lieben sich. Gemeinsam suchen sie Nams Vater, der im Vietnamkrieg verschollen ist. "Viet und Nam" ist ein starkes, kontemplatives Drama über die Traumata der Vergangenheit und deren Bewältigung.

Das queere Bergleute-Drama "Viet und Nam" erzählt die Geschichte einer Liebe, die nicht nur von schwierigen Lebensumständen geprägt ist, sondern auch von nationalen und familiären Traumata (Bild: Salzgeber)
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2. August 2025, 08:12h 3 Min.
Wer ist heute der Ältere? Das fragen sich Viet und Nam, als sie in einem Imbiss Geburtstag feiern. Als schwules Paar wollen sie in der Öffentlichkeit nicht erkennbar sein, also geben sie sich als Brüder aus. Dabei wurden die jungen Bergarbeiter für ihre Liebe noch nie angefeindet. Die Mutter von Nam (Phąm Thanh Hài) findet sogar, er solle Viet (Đào Duy Bảo Định) noch häufiger mit nach Hause bringen. Die internalisierte Homophobie ist größer als die reale.
Die zwei haben einen harten Job, Hunderte Meter unter der Erde bauen sie Kohle ab. Doch selbst in dieser dunklen, menschenfeindlichen Umgebung kommen sie sich näher. Ihre Zärtlichkeit, die sanften Berührungen und der hingebungsvolle Sex bilden einen starken Kontrast zu ihrer staubigen Arbeit.
Eine Wahrsagerin soll helfen

Poster zum Film: "Viet und Nam" läuft im August 2025 in der Queerfilmnacht. Regulärer Kinostart ist am 4. September 2025
Nams Mutter träumt noch immer häufig von ihrem Mann, der im Vietnamkrieg verschollen ist. Gemeinsam mit dem Onkel suchen sie nach der Leiche von Nams Vater. Dafür durchqueren sie das Land von Norden nach Süden. Sie suchen die Hilfe einer Wahrsagerin, graben in Wäldern und passieren Flüsse – und stoßen immer wieder auf die Traumata der Vergangenheit, die sie nicht loslassen.
Ausgehend von der schwulen Liebesgeschichte entfaltet sich eine Erzählung, die eine ganze Familie, ein ganzes Land umspannt: "Viet und Nam", das Drama trägt – zumindest im internationalen Titel – die Namen seiner Hauptfiguren, die zusammengefügt den Landesnamen ergeben.
Der Film wurde in Vietnam verboten
Ein Land, das die Folgen des Krieges von 1955 bis 1975 bis heute spürt. Und das ein autoritäres Regime darstellt, was man bei begeisterten Reiseberichten europäischer Tourist*innen gerne vergisst. "Viet und Nam" etwa wurde verboten, weil es eine "düstere, festgefahrene und negative Sicht" auf das Land vermittle. Die queeren Charaktere waren dagegen kein Problem für die Zensur.
Regisseur Trương Minh Quý findet dafür eine Vielzahl an visuellen und erzählerischen Zugängen: Der Film fühlt sich, vor allem in den Minen-Szenen, dokumentarisch und lebendig an. Das gilt für die Momente der harten Arbeit genau wie der zärtlichen Berührungen. Träumerische Szenen gehen dafür ins Surrealistische – nicht immer ist dann klar, wo sich die Erzählung gerade befindet.
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Einfach, reduziert – und großes Kino
Die Kamera bleibt häufig auf Distanz. In langen Einstellungen ist sie stille Beobachterin, fast ferne Überwacherin. Die Bilder werden kontemplativ, das körnige 16-Millimeter-Material trägt dazu bei. Doch es gibt auch Momente, in denen der Film auf fein komponierte, stilisierte Szenen setzt, etwa beim Friseur, wo die Funken in Zeitlupe fliegen, als würden sie aus einem Kopf strahlen. Die Kraft des Bildes übersteigt die der Worte. Das wirkt reduziert, nahezu einfach, ist aber gerade deshalb großes Kino – und bei über zwei Stunden Dauer nichts für ungeduldiges Publikum.
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Die Figuren sind dabei jedoch nicht immer greifbar, vor allem nicht auf emotionaler Ebene. Nam möchte die Heimat verlassen und anderswo ein neues Leben beginnen. Das führt zu Konflikten, vor allem unausgesprochenen. "Viet und Nam" entzieht sich hier, wie an mehreren Stellen, einer Eindeutigkeit. Nicht alles wird erklärt, vieles bleibt vage, es gibt Leerstellen – was dem Drama eine elegante Mehrdeutigkeit verleiht.
Regisseur Trương Minh Quý beweist mit seinem dritten Langfilm einmal mehr seine symbolisch-poetische, zeitlose Kraft. Eine, wie sie nur das Kino schaffen kann.
Viet und Nam. Drama. Frankreich, Schweiz, Liechtenstein, Vietnam 2024. Regie: Trương Minh Quý. Cast: Thanh Hai Pham, Duy Bao Dịnh Dao, Thi Nga Nguyen, Viet Tụng Le. Laufzeit: 129 Minuten. Sprache: vietnamesische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 12. Verleih: Salzgeber. Kinostart: 4. September 2025. Im August 2025 bereits in der Queerfilmnacht
Links zum Thema:
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