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Streaming-Tipp
"Club der Dinosaurier": Vom Loser zum T-Rex
Anstatt nach der Einnahme von vermeintlichem Testosteron männlicher zu werden, verwandeln sich im ZDF-Sechsteiler "Club der Dinosaurier" zwei pubertierende Jungs in dinosaurierartige Reptilien. Eine progressive Serie, die sich in vielen Belangen etwas traut!

Ben (Shadi Eck) verwandelt sich stückchenweise in einen Dinosaurier (Bild: Frank Dicks / ZDF)
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3. August 2025, 02:10h 4 Min.
Ben und Janni sind beste Freunde – und beide Hals über Kopf verknallt in die neue Mitschülerin Suki. Sie wissen genau, wo sie in der Schulhierarchie stehen: ganz unten. "Hold my Buttermilch", sagt der selbstbewusste Janni und versucht, bei den cool girls der Stufe zu landen – mit einer Zigarette und einem lockeren Spruch. Doch natürlich nimmt ihn niemand ernst, und beim ersten Zug husten sie sich prompt die Seele aus dem Leib.
Mit "Club der Dinosaurier" präsentiert Lutz Heineking eine erfrischend originelle und kurzweilige Coming-of-Age-Serie über zwei Jungs, die es satt haben, übersehen und nicht ernst genommen zu werden. "Du willst kein Unterstufen-Boy sein, du willst auch nicht erwachsen sein", kokettiert Bens Kindheitsfreundin Trine (Hannah Schiller). "Schwierige Lage, Terminator 1."
Eine grüne Pille lässt Schwanz und Horn wachsen
Um bei Suki (Tomomi Themann) Eindruck zu machen, wirft sich Ben (Shadi Eck) kurzerhand in den Wahlkampf zum Oberstufensprecher – ein Posten, den er selbst für "maximal uncool" hält und für den er eigentlich viel zu schüchtern ist. Doch Janni (Diyar Ilhan) hat einen Plan: Vom drogendealenden Mitschüler Corny (Carl Josef Statnik) bekommen sie eine Dose mit Testosteron – dem "Nektar der Alphas". Für Janni ist klar: Das hier ist "der heilige Gral aller Jungs dieser Welt, die bislang von der Evolution verarscht wurden", und so landet die erste grün leuchtende Pille direkt in seinem Burger.
Die Wirkung lässt nicht lange auf sich warten: Ihre Sinne schärfen sich, ihre Fähigkeiten verbessern sich. Ben stottert erst, kann dann aber erstaunlich gut hören und sprechen. Janni braucht keine Brille mehr, sieht gestochen scharf. Doch mit steigendem Konsum beginnt sich ihr Körper zu verändern: Schwanz und Horn wachsen, das Verhalten wird immer aggressiver – sie verwandeln sich zunehmend in Dinosaurier.

Schuldirektor Udo Brückmann (Henning Krautmacher) wird von einem Dinosaurier bedroht (Bild: Frank Dicks / ZDF)
Eine originelle Alternative zum x-ten Vampir- oder Werwolfplot
Dass "Club der Dinosaurier" so gut funktioniert, liegt an mehreren Dingen. Da ist einerseits der gelungene Camp-Charakter: Die banale Geschichte einer Schulsprecherwahl wird durch die absurde körperliche Verwandlung zur bissigen Parodie auf gängige Coming-of-Age- und Body-Horror-Narrative. Eine originelle Alternative zum x-ten Vampir- oder Werwolfplot.
Dazu kommen großartige Nebenfiguren: Etwa Frau Perski (Sonja Gerhardt), die sich gegen die sexistischen Strukturen der Schule stemmt und unbedingt ihr Demokratie-Camp etablieren will. Oder Alpha-Macker Rick (Alessandro Schuster), der als wandelndes Männlichkeitsklischee hervorragend funktioniert – samt Begrüßung: "Na, ihr Kaulquappen." Immer wieder huschen Salamander durchs Bild – ein gelungener Running Gag mit Dino-Referenz. Und auch das Elternarsenal ist karikaturesk pointiert: Bens überachtsame, reiche Eltern, die in ihrer Beziehungskrise weder streiten noch zuhören können, treffen auf Jannis schwule Väter, denen er zwar nichts entgegenzusetzen hat, aber immerhin: "Ich bin Ally", wie er sagt.
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Visuelle Experimentierfreude
Die Mini-Serie wird zunehmend campier, die Dialoge sind pointiert und witzig. Zwar wirken manche Effekte unausgereift und einige Schnitte zu hektisch, doch insgesamt überzeugt "Club der Dinosaurier" durch seine visuelle Experimentierfreude. Umso schöner, das im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sehen – eine progressive Serie, die sich in vielen Belangen etwas traut.
Die Serie reproduziert an manchen Stellen bewusst homophobe Floskeln – allerdings nicht unkommentiert. Stattdessen werden sie in den Kontext eines pubertären, überzogenen Männlichkeitswahns gesetzt, in dem Begriffe wie "Beast Mode, Digga" nicht cool, sondern schlicht peinlich wirken. Am Ende ist es genau diese übertriebene Kompensation, die zur Gefahr wird – für sie selbst und ihr Umfeld.
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Der Konsum von Testosteron funktioniert hier auch als Bild für Suchtverhalten: Die beiden bekommen nicht genug davon, endlich mal was zu fühlen, endlich mal auszuteilen, endlich mal zeigen, "wer der echte Alpha ist". Zwar bleibt der Dealer Corny als Figur etwas flach, doch die ironische Dekonstruktion toxischer Männlichkeitsbilder greift umso stärker. Gerade durch die Überzeichnung wird deutlich: Der Weg zum "Alpha" ist kein Aufstieg – sondern eine rückwärtsgewandte Mutation.
Alle sechs Folgen von "Club der Dinosaurier" können kostenlos in der ZDF-Mediathek gestreamt werden.
Links zum Thema:
» Die Serie "Club der Dinosaurier" in der ZDF-Mediathek
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