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Buchtipp

Ein zeitlos eleganter schwuler Liebesroman

Der Teenager James fühlt sich in seinem kleinen nordenglischen Dorf schon lange nicht mehr wohl. Doch dann trifft er Luke – und alles verändert sich. "Öffnet sich der Himmel" von Seán Hewitt zeigt, wie wunderschön und zehrend zugleich das erste Verliebtsein ist.


Symbolbild: Ein junges schwules Paar liegt verliebt im Bett (Bild: cottonbro / pexels)

Ein Nagel ist einer von James' wichtigsten Begleitern. Denn immer, wenn er nervös wird, und das ist er oft, drückt er sich den Nagel in die Handfläche. Der Schmerz lässt ihn sich konzentrieren, gerade Sätze sprechen, die richtigen Worte finden. Sein Dad hat ihm diesen Tipp gegeben.

James ist ein Einzelgänger. Der Teenager hat nicht viele Freund*innen. Die Jungs in seiner Klasse können nicht viel mit ihm anfangen, umgekehrt ist es genauso. Das liegt vor allem an seiner Unsicherheit: Er weiß nicht, wie die Jungs unter sich sind, fühlt sich als unverstandener Fremdkörper – denn er ist anders.

Das Dorf steht still, James will fliehen

James ist zurückhaltend, schüchtern und will keinen Ärger. Er spricht gewählter als die anderen, fast hochtrabend. Seit er sich als schwul geoutet hat, wird seine Situation nicht einfacher. Seine Eltern merken zwar, dass ihr Sohn einsam ist, sie können aber nicht zu ihm durchdringen. Der Roman spielt im Jahr 2002, da war alles auch noch weniger selbstverständlich, vor allem im fiktiven Dorf Thornmere im Nordosten Englands. Mit seinen 500 Häusern steht der Ort still, James aber will raus.

All das ändert sich, als er beim Milchausliefern auf einem Bauernhof Luke trifft. James fühlt sich magisch angezogen von dem ein Jahr Älteren. Er wird einmal mehr unsicher, nervös, hat aber keinen Nagel. Stattdessen bohrt er seinen Finger in seine Handfläche, doch es hilft nichts, also drückt er fester, bis es wehtut. Dann schafft er ein paar Worte, eine harmlose Frage nur.

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Er schämt sich für jeden lustvollen Gedanken an andere Jungs


"Öffnet sich der Himmel" ist Ende Juli 2025 im Suhrkamp Verlag erschienen

Beide sind Außenseiter, aber die zwei – keine Jungs mehr, aber noch lange keine Erwachsenen – sind doch grundverschieden. Luke ist selbstbewusst, frech, hat Ideen, wirkt federleicht – zumindest vordergründig. Er macht Ärger, warnen James' Eltern ihn.

Die Anziehung bleibt bestehen, sie steigert sich sogar. James ist wie besessen davon, Luke nahe zu sein. Gleichzeitig aber ist er konstant unsicher und verkrampft. Er schämt sich für jeden Gedanken, für jedes Mal, wenn er sich beim Masturbieren wieder einen Mitschüler vorstellt.

James' Begierde ist grenzenlos

Seán Hewitt, 1990 geboren, hat mehrere preisgekrönte, bislang nicht auf Deutsch übersetzte Gedichtbände veröffentlicht. Das merkt man: Er findet in seinem ersten Roman "Öffnet sich der Himmel" (Amazon-Affiliate-Link ) poetische Worte, um dieses Gefühlschaos zu beschreiben. Es sind intensive, präzise Schilderungen einer allerersten Liebe, die all die widersprüchlichen Gefühle in James auslösen: Sein Verlangen ist endlos, seine Angst genauso. Seine Begierde kennt kaum Grenzen, seine Scham ebenso. Diese Emotionen sind gleichzeitig da, sie bekämpfen und verstärken einander.

All das lähmt James, es lässt ihn auf der Stelle treten. Die Entwicklung der Handlung, die vor allem aus Begegnungen zwischen ihm und Luke besteht, ist entsprechend langsam. Obwohl Seán Hewitt neue, starke Umschreibungen für Unsicherheit einerseits und pubertierendes Begehren auf der anderen Seite findet, zieht sich das schließlich doch etwas in die Länge, wird redundant und rutscht hier und da auch ins Schwülstige ab.

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Der Roman ermöglicht in vielen Momenten eine starke Identifikation

Aber so sind sie eben, die Gefühle eines über die Maßen verliebten Teenagers, der sich zum ersten Mal angenommen und verstanden fühlt. Und der sich Hoffnung macht, dass Luke genauso denkt, an dieser Hoffnung aber zu zerbrechen droht. Denn weil James so ein reflektierter junger Mann ist, neigt er dazu, alles zu zerdenken. Seine Selbstzweifel sind so groß, dass sie fast zu Selbsthass ausarten.

Ein einsamer, unverstandener schwuler Teenager in einem Kaff, dessen Gefühle ihn beherrschen und ihn mal himmelhoch jauchzend, dann wieder zum Tode betrübt stimmen – das mag zwar nicht die originellste Ausgangslage für eine Geschichte sein. Manche werden auch genug haben von betrübenden schwulen Figuren. Doch trotz Längen ist "Öffnet sich der Himmel" – auch dank der Übersetzung von Stephan Kleiner – ein zeitlos eleganter Roman.

Die Figurenzeichnung ist präzise, authentisch und ermöglicht in vielen Momenten eine starke Identifikation. Die ausführlichen Naturbeschreibungen bilden einen verstärkenden Kontrast dazu und schaffen ein atmosphärisches Setting. Seán Hewitt hat einen Roman geschrieben, der zeigt, wie quälend schön es sein kann, zum ersten Mal zu lieben.

Infos zum Buch

Seán Hewitt: Öffnet sich der Himmel. Roman. Aus dem Englischen von Stephan Kleiner. 283 Seiten. Suhrkamp Verlag. Berlin 2025. Gebundene Ausgabe: 25 € (ISBN 978-3-518-43257-0). E-Book: 21,99 €

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