https://queer.de/?54727
Koblenz
Klöckner hofiert Hetzportal "Nius"
Die Bundestagspräsidentin hielt trotz Kritik eine Rede beim Sommerfest der CDU Koblenz beim "Nius"-Finanzier Frank Gotthardt.

Die Radikalisierung der CDU kommt in fröhlich-bunten Farben: Klöckner am Sonntag bei dem CDU-Empfang vor einem Banner des Gotthardt-Unternehmens CompuGroup Medical (Bild: CDU Koblenz / Instagram)
- 18. August 2025, 07:21h 4 Min.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, die mit Verweis auf ein Neutralitätsgebot in den letzten Monaten mit Regenbogen-Verboten für Kritik sorgte, hat am Sonntag das Sommerfest der CDU Koblenz eröffnet, im "Innovationszentrum" des örtlichen Unternehmens CompuGroup Medical.
Gründer und Verwaltungsratsvorsitzender Frank Gotthardt ist parteilos und Ehrenvorsitzender des rheinland-pfälzischen CDU-Wirtschaftsrats, macht aber vor allem als Millionen-Geldgeber für das Rechtsaußenportal "Nius" Schlagzeilen. Das setzt mit dem großen Finanzpolster auf eine polarisierende Berichterstattung bis hin zu Kampagnen, etwa gegen SPD-Vorschläge zur Karlsruhe-Besetzung. "Nius" setzt auch auf Queer- und speziell Transfeindlichkeit, andere rechte Stimmungsmache von Migration bis Bürgergeld und letztlich auf einen Abbau der Brandmauer zwischen Union und AfD – was Personen und Koalitionen ebenso betrifft wie Themen und Argumentationsweisen.
Trotz entsprechender Kritik im Vorfeld – ein SPD-Ortsverein hatte gar eine Online-Petition zum Rücktritt der Politikerin wegen des geplanten Auftritts gestartet – war Klöckner der Einladung gefolgt, bedankte sich in einer Rede beim Gastgeber, dem sie auch lächelnd die Hand schüttelte. Laut SWR betonte sie in der Rede, Demokratie sei die Vielfalt von Meinungen. "Man muss sich auch die Meinung eines anderen zumuten. Auch wenn es nicht die Mehrheitsmeinung von mir ist, von meiner Familie, den Redaktionszimmern oder einigen Gruppierungen."
/ Lars Wienand | Klöckner schüttelte Gotthardt die HandZweiter Termin in Koblenz heute. pic.twitter.com/WsHtuBNM9C
Lars Wienand (@LarsWienand) August 17, 2025
|
Ein Mitschnitt der Rede wurde zunächst nicht publiziert. Laut dem Journalisten Lars Wienand (T-Online) sagte Klöckner in der Rede weiter, sie sehe die Frage der Meinungsfreiheit als das nächste bestimmende Thema nach Flüchtlingskrise und Corona. Die linke Tageszeitung "taz" und "Nius" unterschieden sich "in Methodik nicht so sehr" und in der Demokratie sei es Pflicht, beide zu ertragen.
Laut "Rhein-Zeitung" sagte Klöckner, die Presse habe sich mit Kritik an der Veranstaltung ein Thema gesucht, das sich "hochschaukeln" lasse. Dabei mache "nicht die Einfalt, sondern die Vielfalt" Demokratie aus. Die Politikerin habe auf Umfragen verwiesen, dass viele Menschen Angst hätten, ihre Meinung zu äußern. "Eine Demokratie ist nicht dann stark, wenn alle der gleichen Meinung sind", sagte Klöckner demnach, "sondern sie ist dann stark, wenn man aushält, dass es andere Meinungen gibt – auch wenn es unbequem ist."
Entsprechend lebe auch die Medienlandschaft von Meinungsvielfalt, fasst die Zeitung die Rede weiter zusammen: "Dass man beispielsweise die Tageszeitung 'taz' eher im linken Spektrum verorte und 'Nius' 'eben mehr auf der anderen Seite', sei in unserer Demokratie ausdrücklich erlaubt. 'Deshalb cancele ich weder die 'taz' noch Herrn Gotthardt.'"
CDU: Kritik "intolerantes Demokratieverständnis"
Bereits zuvor hatte die CDU Koblenz Kritik an dem Sommerfest zurückgewiesen. Die CompuGroup Medical gehöre zu den größten Koblenzer Arbeitgebern, schrieb die Partei bei Facebook. Es sei eine Eskalation, dass die örtlichen Grünen mit ihrer Kritik an der Veranstaltung "ein Koblenzer Vorzeigeunternehmen diskreditieren, nur weil ihnen der Unternehmensgründer und heutige Verwaltungsvorsitzende politisch nicht passt. Die derzeit von den Grünen betriebene Hetze wirft ein bezeichnendes Licht auf ihr eigenes, gegenüber allen Andersdenkenden intolerantes Demokratieverständnis." Der Rhein-Zeitung sagte Josef Oster, CDU-Bundestagsabgeordneter und Kreisvorsitzender aus Koblenz: "Wir lassen uns nicht vorschreiben, wo wir uns treffen, mit wem wir uns treffen und worüber wir reden." Gotthard und seine Frau hatten CDU und FDP im Bundestagswahlkampf mit Großspenden bedacht.

Toleranz und Demokratie im CDU-Sinne: Screenshots der "Nius"-Startseite mit zwei "Artikeln" vom Sonntag, die mit verhetzenden Verdrehungen Stimmung gegen Drag Queens und CSDs und nebenbei gegen queerfreundliche Politiker machen. In sozialen Netzwerken sorgt das für zusätzliche queerfeindliche Kommentare
Politiker*innen aus der Union – wie aus der AfD – geben "Nius" unter Ex-"Bild"-Chef Julian Reichelt immer wieder Interviews und Statements, etwa in einer Einzelgesprächsreihe mit dem queerfeindlichen früheren "Bild"-Parlamentsredakteur Ralf Schuler. Oder sie tauchen im morgendlichen Talk-Format auf, wo unter anderem die queerfeindliche Aktivistin und Autorin Birgit Kelle Dauergast ist. Dabei greift das Portal, das inzwischen auch einige Radiolizenzen nutzt und eine Mehrheit am österreichischen Pendant "Exxpress" hält, auch immer wieder liberalere Unionspolitiker*innen an.
Wochenlange Schlagzeilen gegen den Regenbogen
Klöckner wurde im März zur Bundestagspräsidentin gewählt. In den letzten Monaten stand sie innerhalb der queeren Community in der Kritik, weil sie nach ihrer Amtsübernahme dass Hissen der Regenbogenfahne zum CSD Berlin untersagte (queer.de berichtete). Sie weitere den Kampf auch auf andere Teile des Bundestagsgebäudes aus: So rückte die Bundestagspolizei aus, um Regenbogenfahnen in Abgeordnetenbüros zu entfernen (queer.de berichtete). Außerdem untersagte sie der Bundestagsverwaltung, als Gruppe am CSD teilzunehmen (queer.de berichtete).
Bundeskanzler Friedrich Merz unterstützte den Kampf Klöckners gegen die Regenbogenfahne in einer Talkshow mit den Worten: "Der Bundestag ist kein Zirkuszelt" (queer.de berichtete). Während die Verbote zu vielen sie befürwortenden queerfeindlichen Kommentaren in Politik und sozialen Netzwerken führten, gab Klöcker immer wieder Interviews, in denen sie sich verteidigte. Sie habe "noch zu keinem Thema so viel Zuspruch und Zuschriften bekommen", lobte sie sich in einem Podcast (queer.de berichtete). Was von Kritiker*innen oft als Kulturkampf bezeichnet wurde, stellte sie als Durchsetzung eines Neutralitätsgebotes dar. (cw)













