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Doku-Serie

Ein Meilenstein queerer Repräsentation im deutschen Fernsehen

Jetzt in der ARD-Mediathek: "Die Küblböck-Story – Eure Lana Kaiser" ist eine kurzweilige, erstaunlich konzentrierte Reihe, die in der öffentlich-rechtlichen Medienlandschaft nahezu singulär wirkt und hoffentlich die Aufmerksamkeit bekommt, die ihr gebührt.


Die dreiteilige Doku-Serie "Die Küblböck-Story – Eure Lana Kaiser" zeigt die berührende Lebensgeschichte von Lana Kaiser, die als Daniel Küblböck durch die Castingshow "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) berühmt wurde (Bild: BR / Gebrüder Beetz Filmproduktion / Armin Weigel)

"Ich fühle mich nicht männlich, ich fühle mich nicht weiblich -- ich fühle mich gut", sagt Lana im Interview zu einer sichtlich irritierten Barbara Schöneberger. "Jetzt machst du's aber spannend", entgegnet diese und lacht verunsichert. Ein erstaunlich mutiger Moment, der sich im Rückblick als wegweisend für die deutsche Medienlandschaft entpuppt: Lana zeigt sich offen androgyn, selbstbewusst und unangepasst.

Lana Kaiser war ein Castingshow-Phänomen der frühen Nullerjahre – und damit eigentlich vor meiner eigenen Zeit. Dennoch habe ich die dreiteilige Doku-Serie "Die Küblböck-Story – Eure Lana Kaiser", die jetzt in der ARD-Mediathek gestreamt werden kann, mit großer Faszination gesehen. Eine kurzweilige, erstaunlich konzentrierte Reihe, die in der deutschen öffentlich-rechtlichen Medienlandschaft nahezu singulär wirkt und hoffentlich die Aufmerksamkeit bekommt, die ihr gebührt. Auch wenn mir ihre Musik nicht zusagt, inszeniert die Serie von Tristan Ferland Milewski Lana als liebenswerte, charismatische, von inneren wie äußeren Zwängen getriebene queere Seele – eine Figur, die man instinktiv umarmen möchte. Ihre zwangslose, manchmal fast naive Positivität wirkt ansteckend. (Manche Fans, meist heterosexuelle Frauen, entwickelten beim Anblick dieses zarten Bühnenwesens regelrechte Mutterinstinkte, wie die Doku zeigt.)

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Schonungsloser Blick auf die sensationsgierige Medienlandschaft

Als ehemalige Castingshow-Teilnehmerin weiß No-Angels-Sängerin Lucy Diakovska nur zu gut, wie gnadenlos dieses System ist: "Wir sind als musikalische Produkte entstanden. Als ganz junger Mensch nimmt dir das die Möglichkeit, dich selbst zu bestimmen, dich selbst zu entwickeln, selbst darauf zu bestehen, wer du bist."

Eine der großen Stärken der "Küblböck-Story" liegt tatsächlich im schonungslosen Blick auf die sensationsgierige deutsche Medienlandschaft jener Jahre. Dass Lana massiver Queerfeindlichkeit ausgesetzt war, überrascht kaum. Doch die Dokumentation führt vor Augen, wie groß der Hass wirklich war – mit Hetzkampagnen, diffamierenden Berichten und einer zutiefst unmenschlichen, heteronormativen Medienmaschine.

Besonders bitter: Oliver Pocher gibt in einer "Parodie" Lana als schwulen Mann im Rock, reißt geschmacklose Witze über schwulen Sex – ein weiteres Mosaik in einem queerphoben Dauerfeuer. Auch TV-Beiträge, in denen vermeintliche Therapeut*innen Lana pathologisieren, sprechen Bände: Man attestiert ihr "Verhaltensstörungen, wie sie typisch sind für Kleinkinder". Eine Anmoderation gipfelt in der Herablassung: "Viele Stars werden erst mit dem Erfolg balla-balla, doch der Eckenfeldener war schon in jungen Jahren ziemlich sonderbar."

Queere Sichtbarkeit inmitten des konservativen Stillstands

Umso trauriger, dass Lana selbst nicht mehr gegen diese Projektionen anreden kann. An ihr mysteriöses Verschwinden und Ableben erinnert die Serie mit Zitaten aus ihrem Hörbuch "Ich lebe meine Töne" (2003), unterlegt mit Aufnahmen eines leeren Tonstudios. Bilder, die das schmerzhafte Fehlen der Künstlerin deutlich machen – auch wenn sich manche Aussagen in der Wiederholung verlieren.

Eindrücklich sind die Bilder von Ricardo Simonetti, der im knallpinken, bodenlangen Mantel durch die Schneelandschaften Niederbayerns schreitet. Anstatt als ironische Brechung wirkt dieser Auftritt wie eine Zurückeroberung: Er schreibt queere Sichtbarkeit inmitten des konservativen Stillstands neu in die Natur ein, verleiht ihr Farbe, Würde und Freiheit.

Ergänzt durch Gespräche mit Lanas Vater und ihrer ehemaligen Chefin in der Jugendarbeit sowie durch die Kamera, die katholische Ikonografien und die Enge des Dorflebens einfängt, wird deutlich, wie sehr dieser Konservatismus zum Problem wurde. Lanas Mutter, die ihr einprügelte, dass "nie etwas aus ihr werden würde", erscheint als gewaltvolle Figur. Der Vater – später zeitweise ihr Manager – bleibt dagegen erstaunlich unkritisch beleuchtet: Ob er jemals über seine Rolle, über fehlende queere Unterstützung oder über seine eigene Erziehung reflektierte, bleibt offen. Eine Leerstelle, die auch die Adoptivmutter, "Kult-Oma" Kaiser, mit ihrem reichen Immobilienhintergrund nicht füllt – gerade ihre Existenz verweist darauf, wie wenig Halt und Sensibilität Lana vom Vater zuteilwurden, ein Aspekt, den die Serie kaum beleuchtet.

Ärgerliches Deadnaming

Zu Beginn jeder Episode betont ein Hinweis: Die Serie erzählt von einer "Person, die sich kurz vor ihrem Ableben als trans sichtbar machte", weshalb unterschiedliche Namen und Pronomen auftauchen. Dass in den alten DSDS-Beiträgen der Name Daniel Küblböck auftaucht – der Name, unter dem Lana damals berühmt wurde – ist nachvollziehbar. Dass jedoch Freund*innen, Ex-Partner und Wegbegleiter*innen teils weiterhin den alten Namen benutzen, bleibt ärgerlich – und birgt für den deutschen Mainstream gefährliche Konnotationen.

Umso wichtiger das Statement des Künstlers Philipp Gufler, der Lana eine Video-Installation widmete: "Wir können leider Lana heute nicht mehr fragen, wie sie möchte, wie wir über sie vor ihrem Coming-out als trans Frau. Deswegen habe ich mich dazu entschieden, nur noch von ihr als Lana Kaiser zu sprechen, weil ich ihr Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung ganz zentral finde." Dem ist nichts hinzuzufügen. Periodt.

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Eine widersprüchliche Reise voller Rückschritte und Selbstzweifel

Die Serie zeichnet Lanas Wandlungen nach: vom androgynen, optischen Björk-Pendant über eine Phase muskulöser Maskulinität (für die sie öffentlich gefeiert wurde, während sie ihr früheres Auftreten schmerzhaft abwertete – "Das geht ja für Männer gar nicht", sagt sie spöttisch im Interview) bis zu ihrem späten trans Coming-out. Diese widersprüchliche Reise, voller Rückschritte und Selbstzweifel, vermittelt die Dokumentation erstaunlich eindrücklich. Zugleich stellt sie die Frage nach sicheren Räumen für queere Sichtbarkeit: Was bleibt, wenn jemand ständig öffentlich ausgestellt wird, ohne private Rückzugsorte? Mit welchem Mut zahlt man den Preis der Sichtbarkeit, wenn die erste Erfahrung damit Abwertung und Spott ist?

Lanas Tod auf einem Kreuzfahrtschiff – nach tagelangem Vermisstsein für tot erklärt – macht die Serie schließlich zu einem schmerzhaften Nachruf. Sie lässt einen zurück mit dem Wunsch, dass Lana irgendwo diesen sicheren Ort, dieses Glück im eigenen Körper gefunden haben möge. Vielleicht ist die "Küblböck-Story" visuell nicht immer inspiriert, doch sie ist ein Meilenstein queerer Repräsentation im deutschen Fernsehen.

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