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Kinostart

Freud und Leid einer kleinen Drag-Familie

Im melancholischen Drama "The Bearded Mermaid" bekommen wir einen Einblick in das Leben eines Dragqueen-Ensembles in einer französischen Kleinstadt. Fast spannender als der Film ist sein Hintergrund.


"The Bearded Mermaid" spielt in der kleinen französischen Hafenstadt Dieppe (Bild: Cinemien)

Dragqueens durchleben aktuell ereignisreiche Zeiten. Neben trans Menschen sind sie das neue Feindbild sämtlicher Rechtsaußen-Politiker*innen der westlichen Welt, die unter dem Vorwand des Kinderschutzes versuchen, ihre Shows oder Lesungen zu verbieten. In Zürich bedrängten Neonazis die Drag-Leseveranstaltungen für Kinder so lange, bis die Organisatorin sich schweren Herzens entschied, diese aus Sicherheitsgründen nicht mehr durchzuführen.

Gleichzeitig hat sich im Fernsehen "RuPaul's Drag Race" zu einem popkulturellen Phänomen entwickelt, das weit über die queere Community hinaus Begeisterung auslöst und die Drag-Kultur in gewisser Weise neu definiert hat. Derweil scheinen die einst weit verbreiteten Drag-Auftritte in Schwulenclubs seltener zu werden – ebenso wie die Clubs selbst.

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Alltagsdramen hinter der Bühne


Poster zum Film: "The Bearded Mermaid" startet am 28. August 2025 in deutschen Kinos

"The Bearded Mermaid" (im französischen Original "La Sirène à Barbe") ist ein solcher Club in der kleinen französischen Hafenstadt Dieppe, in dem ein Drag-Ensemble jeden Abend ihr Bestes gibt, das nicht besonders zahlreiche Publikum zu unterhalten. Ihre Songs entwickeln sie dabei ebenso selbst wie ihre spektakulären Outfits, und als eines Abends der junge Fischer Erwan (Victor Grillot) in den Club stolpert, ist er sofort begeistert von dieser für ihn neuen Welt. Insbesondere die beiden Stars Sweety Bonbon (Maxime Sartori) und Alonso Gyn (Alonso Ojeda) haben es ihm angetan.

Schon bald landet er erst mit dem einen, dann mit dem anderen im Bett – und wird nach und nach Teil der kleinen Drag-Familie. Doch während sie jeden Abend gut gelaunt ihre Show präsentieren, hadern sie hinter den Kulissen mit ihren Schicksalen: Sweety leidet noch immer unter einem abrupten Beziehungsende, Alonso lebt von einer Aneinanderreihung von One Night Stands, und Club-"Mutter" Béluga (Fabrice Morio) trauert weiterhin seinem vor Jahren verstorbenen Partner nach.

Den Klassikern weit unterlegen

Dieser kleine Film bietet ein paar eingängige Songs und ist durchaus sympathisch, gelegentlich auch berührend, aber die Geschichte selbst ist weder besonders originell noch speziell spannend erzählt. Kein Vergleich mit Drag-Klassikern wie "La Cage aux Folles" (1978) oder "The Adventures of Priscilla, Queen of the Desert" (1994).

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Interessanter als der Film selbst ist die Geschichte dahinter. "La Sirène à Barbe" in Dieppe existiert nämlich tatsächlich. Sein Betreiber und Gründer, Nicolas Bellenchombre, wurde 2018 bei einem Spaziergang mit seinem damaligen Partner von Schwulenhassern angegriffen und schwer verletzt, was ihn in eine tiefe Depression stürzte. Durch die Behandlung nahm er innerhalb eines Jahres 30 Kilo zu, legte sich anschließend den Künstlernamen Dive Béluga zu und beschloss, in Dieppe ein Cabaret zu gründen. Gemeinsam mit seinem Vater renovierte er ein ehemaliges Kino mitten in der Stadt und eröffnete 2021 "La Sirène à Barbe".

Ein Cabaret für Vielfalt, Toleranz und Widerstand

Der Club, in dem regelmäßig Drag-Shows stattfinden, richtet sich laut Bellenchombre "an alle: die Bourgeois, die Proletarier, die Leute, die glauben, dass sie Schwule nicht mögen, alte Omas und Freaks, die sich für zu dick, zu klein oder für nicht sexy genug halten". Bellenchombre sieht sein Cabaret als Symbol für Vielfalt, Toleranz und Widerstand. Und weil er außerdem ein Cineast ist, hat er beschlossen, um ihn herum auch gleich einen Film zu drehen, mit einer allerdings fiktionalen Story. Nicht nur das Drehbuch von "La Sirène à Barbe" stammt von ihm, er ist auch Co-Regisseur – und ein Teil der Darsteller*innen stammt direkt von der Bühne des Clubs.

Vor diesem Hintergrund schaut man den Film mit anderen Augen und etwas milder gestimmt an. Und ertappt sich dabei, wie man die erste Shownummer – "Bienvenue à la Sirène" – fröhlich mitsummt.

Infos zum Film

The Bearded Mermaid. Dramödie. Frankreich 2024. Regie: Arthur Delamotte, Nicolas Bellenchombre. Cast: Alonso Ojeda, Aurélie Decaux, Elodie Lunoir, Fabrice Morio, Maxime Sartori, Victor Grillot. Laufzeit: 95 Minuten. Sprache: französische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 16. Verleih: Cinemien. Kinostart: 28. August 2025.
Galerie:
The Bearded Mermaid
7 Bilder
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