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Debütalbum
Nemo im Schlaraffenland
Mit "Arthouse" hat Eurovision-Sieger*in Nemo das langerwartete Debütalbum veröffentlicht. Mit ordentlich viel Endorphin und queerer Happiness macht es auf Anhieb Spaß – und funktioniert auch im Mainstream.

Nemos Debütalbum hält 14 Tracks bereit, die so bunt sind wie die wandelfähige Optik der nichtbinären Person (Bild: Alex Ostrohliad)
- Von Christopher Filipecki
10. Oktober 2025, 06:10h 4 Min.
Rund anderthalb Jahre nach dem Sieg beim Eurovision Song Contest 2024 in Malmö erscheint das Debütalbum von Nemo. "Arthouse" (Amazon-Affiliate-Link ) hält 14 Tracks bereit, die so bunt sind wie Nemos wandelfähige Optik – und sind aber wesentlich leichter zu verdauen, als man zunächst vermuten konnte.
Als erster nichtbinärer Act hat Nemo Mettler den größten Musikwettbewerb für sich entschieden und die Schweiz zum dritten Mal siegen lassen (queer.de berichtete). Dort fand bereits der allererste ESC 1956 statt. Basel war diesen Mai Gastgeber und organisierte für eine von vielen Seiten hochgelobte Show.
Das Album dürfte ein neues Nemo-Feuer entfachen
Auch Nemo durfte dort, wie es für die Vorjahresgewinner*innen üblich ist, auftreten – und sorgte besonders mit einem mutigen, künstlerisch anspruchsvollen, aber auch ein wenig irritierenden "Unexplainable" im Finale während der Stimmauswertung für viele Fragezeichen in den Köpfen. Schon Nemos Siegersong "The Code" zeigte, dass zwischen dramatischer Oper, Rap und Pop keinerlei Grenzen gesetzt werden brauchen, schließlich lautet die Hook "I broke the code". Das ist einerseits auf die Suche nach Nemos Gender bezogen, andererseits aber auch zweifellos auf das Brechen von Genre-Konventionen.
Es wurde sich ordentlich Zeit gelassen. 17 Monate nach dem ersten Platz in Malmö ist der Hype etwas abgeklungen, könnte nun aber zurückkehren. Die rund 20 Shows umfassende Tour startet pünktlich zum Release des Albums am 10. Oktober und führt mit Zürich (24.10.), Hamburg (27.10.), Berlin (28.10.), Köln (29.10.) und Wien (5.12.) auch in fünf Städte der DACH-Region. Somit dürfte Nemo ein neues Feuer entfachen, da die Kombi aus schillernden Looks, beeindruckender Gesangsakrobatik und kreativen Kompositionen sicherlich zu begeistern weiß.
Die Hooks finden schnell den Weg in den Gehörgang

Das Album "Arthouse" ist seit 10. Oktober 2025 im Handel erhältlich
"Arthouse" bietet schon beim Collagen-artigen Cover einen ersten Eindruck, was es wohl zu hören gibt: Hier treffen Blüten auf Diamanten, Wüsten auf Seen, Eifeltürme auf Kreisel und Pillen auf ein Rehkitz – dazwischen springt Nemo wie in einem selbst kreierten Wunderland durchs Bild. Das sollte inhaltlich ziemlich abgedreht und schwer greifbar werden, oder?
Doch Entwarnung: Final klingt "Arthouse" sehr viel gefälliger als gedacht. Das ist besonders für diejenigen, die sich bisher mit Nemo etwas schwergetan haben, eine Empfehlung, denn schon beim ersten Durchlauf hebt die LP das Gemüt. "Arthouse" ist aufwändig produzierter, aber dennoch überwiegend straighter Pop, in denen die Hooks schnell den Weg in den Gehörgang finden.
Besonders eine Assoziation ist nicht von der Hand zu weisen: 2007 wehte mit "Life in Cartoon Motion" des libanesisch-britischen Musikers Mika ein enorm frischer Wind durch die europäische Musiknation. Superhits wie "Grace Kelly" und "Relax (Take It Easy)" konnte man so gar nicht entkommen. Genau an jenes Gefühl erinnert auch Nemos Erstling – das hat was von Schlaraffenland, ordentlich viel Endorphin und queerer Happiness. Startet der Song "One More Shot" guckt man sicherheitshalber nochmal aufs Handy, ob da wirklich nicht gerade Mika läuft.
Wuschwusch, verliebt!
Ob leicht überfrachtete, aber positiv erschlagende Züge wie ein "Eurostar", die rasant durch den Kopf düsen und bei denen man fast schon protestartig laut mitbrüllen mag oder ein flirty Disco-Stampfer wie "Casanova" – die Laune geht spürbar nach oben. In ähnliche Gefilde wagt sich der Falsett-Ohrwurm "Easy". Hatte Lady Gaga zuletzt mit ihren Halloween-Dark-Pop-Bangern "Abracadabra" und "Dead Dance" großen Erfolg, darf diese Saison auch Nemo mit "Hocus Pocus" mitmischen. Leichte Schauder-Effekte treffen auf den Zauber, den die Person gegenüber auslöst, und dem man sich eben nicht entziehen kann. Wuschwusch, verliebt!
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Lyrisch setzt sich Nemo aber selbstverständlich nicht nur mit dem klassischsten aller Themen auseinander, sondern auch mit queerem Lifestyle und Identitäten. In "God's a Raver" nennt die in Biel geborene Person Gott konsequent eine "She", mit der Nemo auf dem Dancefloor abgeht. In dem äußerst artsy ausbrechenden "Unexplainable" wird besprochen, dass Gefühle nicht immer in Worte zu fassen sind, so wird gen Mitte nicht mehr schön gesungen, sondern mal richtig laut geschrien.
Große Pop-Melodien mit Selbstreflexion in den Songtexten
Das einzige Feature kommt von der genderfluiden Amerikanerin Mia Gladstone. Mit der hat Nemo bereits "Casanova" geschrieben, in dem Rap-Brett "Frog Swamp" darf sie auch selbst ans Mikro. Ruhig wird es neben "Unexplainable" noch in der Dreamy-Drama-Pop-Ballade "Black Hole", das sich in Nemos Brust befindet und zu schmerzen vermag. Mit dem Schweizer Nummer-1-Hit und dem ESC-Gewinner-Song "The Code" endet die Reise in Nemos Kunsthaus.
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Man hätte denken können, dass hier komplett darauf gepfiffen wird, einem breiten Publikum zu gefallen. Stattdessen wählt Nemo aber auf dem ersten Longplayer einen mitreißenden, eingängigen Weg durch große Pop-Melodien mit Selbstreflexion in den Songtexten. Macht auf Anhieb Spaß und funktioniert so im Mainstream, in dem sich Nemo anscheinend weiterhin bewegen mag, auch sehr viel besser.
Links zum Thema:
» Das Album "Arthouse" bei amazon.de
» Homepage von Nemo
Mehr zum Thema:
» Nemo: "Ich glaube, 'Arthouse' ist ein queeres Album!" (10.10.2025)
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