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Baptistenkirche Zuverlässiges Wort
Schwule und Lesben "vernichten": Verurteilter Prediger fordert Recht auf Hass
Homosexuelle "sollten eigentlich vom Staat irgendwie vernichtet werden", predigte Andy Shamoon. Zweimal wurde er bereits wegen Volksverhetzung verurteilt. Er selbst verweist auf Religions- und Meinungsfreiheit – und legt Revision ein.

Fordert die Todesstrafe für Homosexuelle: Laienprediger Andy Shamoon bei seiner Hetzpredigt zum Pride Month 2023 (Bild: Screenshot Youtube)
- 11. Oktober 2025, 06:38h 4 Min.
Der zweimal wegen Volksverhetzung verurteilte Prediger Andy Shamoon von der Baptistenkirche Zuverlässiges Wort Pforzheim (BKZW) zieht in die nächste Runde: Gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe in zweiter Instanz sei Rechtsmittel eingelegt worden, teilte der Rechtsanwalt des Mannes mit. Damit muss das Oberlandesgericht Karlsruhe den Fall nun prüfen.
Folgt man der Argumentation des Verteidigers vor dem Landgericht und zuvor am Amtsgericht Pforzheim, könnte die Sache am Ende sogar irgendwann am Bundesverfassungsgericht landen. Denn während die Staatsanwaltschaften und Gerichte in einer Predigt Hetze gegen queere Menschen erkannten, forderte der Anwalt mit Verweis auf die Religionsfreiheit und die Meinungsfreiheit im Grundgesetz jeweils Freisprüche für seinen Mandanten.
In zweiter Instanz wurde die Geldstrafe erhöht
Allerdings erfolglos: Nachdem das Amtsgericht den Prediger 2024 im ersten Prozess gegen die laut Verfassungsschutz extremistische BKZW zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt hatte, erhöhte das Landgericht im Berufungsprozess am Donnerstag die Höhe der Tagessätze auf 45 Euro; die Anzahl blieb unverändert (queer.de berichtete). Der Vorsitzende Richter erklärte, der Angeklagte habe in der Predigt homosexuelle und queere Menschen beschimpft, ihre Menschenwürde angegriffen und ihr Lebensrecht verneint.
In einem in erster Instanz vor Gericht gezeigten Video einer Predigt unter der Überschrift "Gott hasst Menschen" spricht Andy Shamoon alias "Bruder Andy" davon, dass Homosexuelle "den Tod verdient" hätten, sie "sollten eigentlich vom Staat irgendwie vernichtet werden (queer.de berichtete). Diese Menschen seien gefährlich. Auch sprach er von einer verwirrten, verdorbenen Gesinnung. Die Rede wurde im Juni 2023 live gestreamt und ein Video davon auf mehreren Internetplattformen veröffentlicht.
Shamoon: Ich nehme die Bibel sehr wörtlich
Im Berufungsverfahren äußerte Andy Shamoon Unverständnis über seine Verurteilung: "Ich wusste nicht, dass das Volksverhetzung ist", sagte der 33-Jährige vor dem Landgericht. Auch nach Lektüre des Urteils aus der Vorinstanz könne er nicht nachvollziehen, welche Elemente volksverhetzend sein sollen.
Im Berufungsverfahren erklärte er, ein "sehr überzeugter Christ" zu sein und die Bibel sehr wörtlich zu nehmen. In der Predigt habe er nur eine Passage aus der Bibel erklären wollen. Er habe aber nicht den deutschen Staat aufrufen wollen, Homosexuelle zu exekutieren, sagte der Mann. "Das ist nicht meine Meinung."
Er räumte ein, das Thema der Predigt im Juni 2023 auch wegen des dann gefeierten Pride Month gewählt zu haben. Die "Propaganda" sei so groß geworden, sagte der Angeklagte. Daher sei sein Ziel gewesen, das Thema ins "christliche Licht" zu rücken und eine andere Sichtweise zu zeigen.
Weiterer Hass-Prediger auf der Flucht
Bereits seit Ende 2021 berichtet queer.de in einem eigenen Schwerpunkt über die radikale Sekte und ihre wiederholten Mordphantasien gegen LGBTI. Als ihr Wortführer gilt der selbsternannte Prediger Anselm Urban, der bereits vor zwei Jahren in der Video-Botschaft "Queer-Beauftragter Sven Lehmann – Repräsentant des Abschaums der Gesellschaft" die Tötung des Grünen-Politikers und aller queeren Menschen im Land forderte. Der Strafverfolgung entzog sich Urban durch Flucht in die USA, wo er Unterschlupf bei seinen Glaubensgeschwistern der Faithful Word Baptist Church in Arizona fand.
Sein Exil hinderte ihn nicht daran, im März 2023 den Ableger der Sekte in Pforzheim zu eröffnen. Dort kam es auch durch andere Prediger immer wieder zu extrem queerfeindlichen Äußerungen, während die von Urban in den Auftritten der Kirche im Internet weiter verbreitet werden.
Extremistische Ansichten
Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) führt die BKZW seit Mai 2023 als Beobachtungsobjekt und sieht sie als extremistische Bestrebung (queer.de berichtete). "Viele Predigten enthalten gewaltbefürwortende Aussagen, die sich hauptsächlich gegen die Menschenwürde richten", heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht. Gefordert werde immer wieder die Todesstrafe für Homosexuelle. Die Gruppierung lehne die demokratische Willensbildung und Entscheidungsfindung ab. Zudem gebe es antisemitische Denkmuster.
Gegen die Hauptverantwortlichen der BKZW wurden den Angaben zufolge mehrere Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. Die Polizei habe die Räumlichkeiten in Pforzheim durchsucht. "Trotz dieser Maßnahmen mäßigten oder distanzierten sich die Verantwortlichen nicht von ihren Positionen." Stattdessen hätten sie die verfassungsfeindlichen Aussagen öffentlich wiederholt und auf diese Weise ihre extremistischen Ansichten weiter verbreitet.
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Neuer Name und Fokus auf "Seelengewinnen"
Das LfV rechnet der Gruppierung derzeit eine niedrige zweistellige Zahl an Personen zu. Über ihre Onlineauftritte erreiche sie aber eine weitaus größere Zahl, erklärte eine Sprecherin. Ungefähr seit dem Jahreswechsel 2024/2025 würden die Räume in Pforzheim nur noch sporadisch genutzt.
Ende 2024 habe die BKZW zudem mehrere Internetpräsenzen in "Deutschlands Seelen Gewinnen" umbenannt und ein neues Logo veröffentlicht. Das LfV geht davon aus, "dass diese Entwicklung auch in Zusammenhang mit der aktuellen Abwesenheit der drei hauptverantwortlichen Prediger steht".
Die Aktivitäten hätten sich vermehrt auf das "Seelengewinnen", also sogenannte Evangelisationsbemühungen, verlagert, erklärte die Sprecherin. Die organisierte Form der Gemeindegründung in Pforzheim sei damit einer loseren Organisationsform – einer Evangelisationsgruppe – gewichen. (cw/dpa)












