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Trans und inter Athlet*innen
Sextests im Sport? Fünf Empfehlungen von Sylvia Schenk
Das Thema trans im Sport polarisiert wie kaum ein anderes. Jetzt hat sich dazu die Juristin und ehemalige Leichtathletin Sylvia Schenk in der FAZ zu Wort gemeldet – mit Verstand und Vernunft, mit Fachwissen und Praxiserfahrung.

Archivbild: Sylvia Schenk im Januar 2024 auf einer Konferenz in Hamburg (Bild: IMAGO / Steinbrenner)
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14. Oktober 2025, 06:04h 5 Min.
Das Thema trans im Sport ist bekanntlich eines der großen Einfallstore für Transfeindlichkeit und in jedem Fall ein Aufreger-Thema. Selbst innerhalb der Community fällt manchen nichts anderes als der terfige Verweis auf das sogenannte biologische Geschlecht ein. Als ob es darum gehe, cis Frauen vor den bösen trans Frauen zu schützen, weil sie ihnen den Sieg und die Medaillen rauben wollen.
Dass dieses Thema kontrovers diskutiert wird, wäre nicht das Problem. Aber es wird zum Problem, wenn Emotionen und Vorurteile mehr wiegen als Sachlichkeit. Dass es Regelungsbedarf gibt, darauf könnten sich wohl alle Seiten einigen, aber Ausschluss kann dabei nicht die Antwort sein – und auch nicht das sogenannte biologische Geschlecht.
Umso erfreulicher, dass sich jetzt eine Juristin und ehemalige Leichtathletin in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Bezahlartikel) mit einem Gastbeitrag zu Wort meldet: "Pauschale Sextests sind keine Lösung". Denn endlich haben wir es mit einer Wortmeldung zum Thema Sport und Geschlecht im Allgemeinen sowie trans und inter im Besonderen zu tun, deren Argumente auf Verstand und Vernunft, auf Fachwissen und Praxiserfahrung beruhen.
Die Rede ist von Sylvia Schenk, Olympiateilnehmerin von 1972, die später als Richterin am Arbeitsgericht arbeitete und seit 2014 die Arbeitsgruppe Sport bei der Organisation Transparency International Deutschland e.V. leitet.
Gravierende Folgen für angebliche Nichtfrauen
Sie beginnt in dem ganzseitigen Artikel mit sehr persönlichen Erinnerungen an ihre Zeit als Sportlerin, als noch körperliche Untersuchungen durch Abtasten für den Geschlechtstest üblich waren, die dann 1968 durch Gentests abgelöst wurden. Sie habe den Test erfolgreich bestanden mit dem amtlich bestätigten Ergebnis: 100 Prozent Frau. Als sie Jahrzehnte später Frauendezernentin in Frankfurt/Main wurde, war sie "bundesweit die einzige mit bestandenem Sextest".
Was sie hier ironisch erzählt, ist in Wahrheit ein ernstes Problem im Sport, ernst deshalb, weil es die Würde und das Recht eines Menschen betrifft:
Schon damals stritten Wissenschaftler, weil ein negatives Ergebnis nicht zwingend die Weiblichkeit ausschließt. Menschenrechtler mahnten, dass eine – unter Umständen falsche – Einordnung als Mann zu gravierenden Folgen für die angeblichen Nichtfrauen führen.
Und so kam es auch – sie nennt hier prominente Fälle aus der olympischen Sportgeschichte wie die von Ewa Janina Klobukowska oder Maria José Martinez Patiño. Chromosomen-Variationen sagen für sich eben noch nichts über die Weiblichkeit oder Nicht-Weiblichkeit aus. Und wir sprechen hier, um das zu betonen, von cis Frauen.
Der internationale Widerstand gegen die Praxis von Gentests nahm wegen der Ungenauigkeit der Ergebnisse und der damit verbundenen gravierenden Eingriffe in Persönlichkeitsrechte weiter zu.
Der kurze Sieg der Vernunft
Der Protest der Athleten-Kommission des IOC zeigte tatsächlich Wirkung. 1999 beschloss das IOC das Ende der pauschalen Tests. Danach gab es nur noch Einzelfallprüfungen.
Parallel dazu änderte sich auch die Einstellung zu Transgender in vielen Ländern. Das IOC erlaubte Transfrauen von 2004 an den Start, wenn sie rechtlich in ihrem Heimatland als Frauen anerkannt waren, sich einer irreversiblen geschlechtsangleichenden Operation unterzogen hatten und seit mindestens zwei Jahren fortdauernd weibliche Hormone einnahmen.
Die Diskussion hielt indes an und führte 2015 schließlich zu der erfreulichen und aus heutiger Sicht fast revolutionär zu nennenden Entscheidung, dass das IOC sich von der Vorgabe einer Geschlechtsangleichung bei trans Frauen verabschiedete und schon die Einnahme von weiblichen Hormonen für ausreichend erklärte unter Berücksichtigung eines definierten Hormonspiegels. Doch ganz so einfach lief dies nicht, denn nun führten die festgelegten Werte zu teils schwerwiegenden Gesundheitsproblemen bei intergeschlechtlichen Frauen.
Kulturkampf statt Menschenrechte
Wir sehen daran nicht nur, wie komplex das Thema Geschlecht und Sport tatsächlich ist und dass es hier eben nicht um einen brachial geführten Kulturkampf à la Trump gehen kann, sondern dass es am Ende um menschenrechtliche Fragen geht. Das zumindest anerkannte das IOC und gab den internationalen Verbänden 2021 schließlich "Rahmenprinzipien zu Fairness, Inklusion und Nichtdiskriminierung in Bezug auf Genderidentität und Geschlechtsvariationen" an die Hand.
Leider führten all diese Bemühungen nicht zu einer Befriedung der Situation. Torpediert wurden sie zuletzt durch Donald Trumps Politik, die wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert und das schwierige Thema endgültig auf die schiefe Ebene führte, wie Sylvia Schenk schreibt. Fatal, dass dabei auch nicht zwischen trans und inter unterschieden wird. Die Folge ist aktuell ein "Regulierungswirrwarr", der nun wieder zu verpflichtenden genetischen Geschlechtstests führte und die auf diese Weise wieder offenen Fragen in die nationalen Verbände brachten, die sich jedoch wegducken würden, wie Schenk meint.
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Fünf Empfehlungen für eine Positionierung des deutschen Sports
Die Autorin beschließt ihren Artikel mit fünf Empfehlungen, denn unsere Rechtsordnung biete sehr wohl "den Rahmen für Eckpfeiler einer Positionierung des deutschen Sports" – und das sind:
Erstens sollte es grundsätzlich keinen Ausschluss aus dem Freizeit- und dem nationalen Wettkampfsport geben. Verhältnismäßigkeit und Fairness sind die entscheidenden Prinzipien. Darauf lasse sich aufbauen.
Zweitens bedarf es einer Offenheit für künftige Erkenntnisse. Wie sich Transition und sportliche Leistung zueinander verhalten, muss individuell und abhängig von den jeweiligen Disziplinen entschieden werden.
Drittens: "Ein Gentest darf nur bei Freiwilligkeit erfolgen. Es bestehen erhebliche Zweifel an der Freiwilligkeit, wenn ein Sextest Voraussetzung für Startberechtigung ist." Das rechtliche Risiko von Stigmatisierung und Verletzung des Offenbarungsverbots, wie es das Selbstbestimmungsgesetz vorgibt, bleibt zu klären.
Viertens: Schenk verlangt umfassende Aufklärung und psychologische, medizinische und rechtliche Beratung im Fall von Gentests.
Fünftens bedarf es der internationalen Solidarität, um in allen Ländern die gleichen Standards bei Aufklärung und Beratung zu erreichen.
Dem muss hier wohl nichts hinzugefügt werden – allenfalls der Wunsch, dass die Debatte mit mehr Sachlichkeit geführt wird. Sylvia Schenk gibt dafür jedenfalls eine passende Vorlage.














