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Demos gegen Merz-Äußerung
"Wenn Herr Merz über das Stadtbild spricht, dann meint er auch mich"
Der Kanzler ist wegen vieler Asylsuchender unglücklich über das Bild deutscher Städte. Dagegen gab es Proteste – und die Warnung, dass queere Menschen das nächste Feindbild sein könnten.

In Krefeld demonstrierten knapp 100 Menschen gegen die Merz-Äußerung (Bild: IMAGO / NurPhoto)
- 20. Oktober 2025, 11:16h 3 Min.
Wenige Tage nach der Aussage von Kanzler Friedrich Merz zu Migration im Stadtbild haben Hunderte bis Tausende Menschen am Brandenburger Tor in Berlin für Vielfalt und gegen Rassismus demonstriert. Auch in anderen Städten wie Krefeld oder München kam es zu Protestaktionen.
Mit Feuerzeugen und Handy-Taschenlampen bildeten die Demo-Teilnehmer am Abend in der Bundeshauptstadt ein Lichtermeer und skandierten "Wir, wir, wir sind das Stadtbild!" Redner*innen auf einer Bühne direkt vor dem Wahrzeichen warfen dem CDU-Chef und Bundeskanzler eine mangelnde Abgrenzung zur AfD vor.
Auf zum Teil selbstgemalten Plakaten und Transparenten war zu lesen "AfD-Verbot jetzt!", "Lieber Menschenrechte als rechte Menschen", "Wir freuen uns über alle Menschen" oder "Friedrich Merz – ist das ein Scherz?"
"Wenn Herr Merz über das Stadtbild spricht, dann meint er nicht nur Menschen, die nicht eine weiße Hautfarbe haben, dann meint er auch mich", sagte in Berlin eine trans Frau, die auf der Bühne sprach. Es seien nicht nur vermeintliche Ausländer*innen Hassobjekte, sondern auch queere Menschen gemeint, Pflegebedürftige, Menschen, die in Armut lebten. "Herr Merz, wenn sie davon sprechen, dass Sie dieses Stadtbild stört, dann sollten Sie mal Ihr Weltbild hinterfragen." Immer wieder gab es lauten Applaus aus der Menge für solche Kritik.
Die Organisator*innen in Berlin gaben die Zahl der Teilnehmenden in Berlin mit etwa 5.000 an. Die Polizei schätzte sie auf bis zu 1.800. Zu der kurzfristig angemeldeten Demonstration unter dem Motto "Brandmauer hoch! Wir sind das Stadtbild" hatte ein Bündnis aufgerufen, zu dem unter anderem Eltern gegen Rechts und die Organisation Hand in Hand gehören, die sich gegen Rassismus und für eine offene und solidarische Gesellschaft engagieren.
Hintergrund der Merz-Äußerung
Hintergrund der Demonstrationen war eine Äußerung von Merz am Dienstag in Potsdam. Er war von einem Reporter auf das Erstarken der AfD angesprochen worden. Der Kanzler sagte daraufhin unter anderem, dass man Versäumnisse in der Migrationspolitik korrigiere. "Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen."
Dieses Video lässt abgrundtief blicken. Wir haben einen CDU-Bundeskanzler, der "das Problem mit dem Stadtbild" durch...
Posted by Sven Giegold on Wednesday, October 15, 2025
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Diese Äußerung hatte deutliche Kritik hervorgerufen – ähnlich wie schon Ende Juni, als Merz in einer Talkshow mit Blick auf queere Menschen von einem "Zirkuszelt" gesprochen hatte (queer.de berichtete). Beide Aussagen seien "pauschale Diffamierungen" gewesen, beklagten Demonstrierende.
Spahn unterstützt Merz
Merz bekam dafür aber auch Zustimmung, etwa vom offen schwulen Unionsfraktionschef Jens Spahn: "Der Bundeskanzler hat doch eigentlich etwas ausgesprochen, was jeder sieht, wenn er durch Duisburg geht", sagte der CDU-Politiker der "Bild"-Zeitung. "Irreguläre Migration hat etwas verändert." Neben Duisburg und "manche mittelgroßer deutscher Stadt" nannte Spahn auch Hamburg und Frankfurt, insbesondere die Hauptbahnhöfe dort. Verwahrlosung, Drogendealer, junge Männer, meistens mit Migrationshintergrund, meistens Osteuropa oder arabisch-muslimischer Kulturraum", so beschrieb Spahn die Zustände.

Bei der AfD stieß die Merz-Äußerung auf Freude (Bild: X)
Zuletzt hatten sich frühere einflussreiche Unionspolitiker*innen für eine neue Strategie im Umgang mit der AfD ausgesprochen. Merz hatte die AfD kurz vor der CDU-Präsidiumstagung zum "Hauptgegner" für die bevorstehenden Wahlkämpfe erklärt und war Forderungen aus seiner Partei nach einem Aufweichen der Brandmauer zur AfD entgegengetreten. (dpa/cw)














