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Die "unordentlichen Erinnerungen" des Schwarzen schwulen Ossis

Vom TV-Kommissar zum Dschungelcamp: "Den Rest hab ich verdrängt" ist eine nette, kleine Biografie, die den positiven und sympathischen Eindruck, den man von Pierre Sanoussi-Bliss in der Öffentlichkeit hat, eindeutig bestätigt.


Pierre Sanoussi-Bliss im Juli 2025 (Bild: IMAGO / Future Image)
  • Von Christopher Filipecki
    21. Oktober 2025, 11:03h 4 Min.

In der diesjährigen Staffel "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" erlangte der mittlerweile 63-jährige Pierre Sanoussi-Bliss den zweiten Platz und wurde in nur wenigen Folgen zum Überraschungsliebling. Nun bringt der offen schwule Schauspieler seine Biografie unter dem Namen "Den Rest hab ich verdrängt. Unordentliche Erinnerungen" (Amazon-Affiliate-Link ) heraus.

Sanoussi-Bliss wird im Sommer 1962 in Ost-Berlin geboren. Er wächst im rund 25 Kilometer entfernten Henningsdorf auf. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater kommt aus Guinea. Weit und breit ist er über viele Jahre der einzig Schwarze Junge und wird immer wieder mit Rassismus konfrontiert. Glücklicherweise ist Pierre aber schlau, ziemlich schlagfertig und hat für fast alles die passende Antwort. Größtenteils ist er beliebt und hat wenig Nachteile aufgrund seiner Hautfarbe.

"Ja, aber wo kommst du eigentlich her?" – "Na, aus Berlin. Hab ich doch grad gesagt." – "Jahaaa! Verstanden! Aber eigentlich?" – Denen habe ich dann unter dem Mantel der Verschwiegenheit erzählt, dass ich das verheimlichte, uneheliche Kind von Mireille Matthieu bin, die ich zu dieser Zeit, wie alle, ganz toll fand.

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Üble Beleidigungen und der erste schwule Sex


"Den Rest hab ich verdrängt" ist am 20. Oktober 2025 im Querverlag erschienen

Während seiner Zeit in der NVA arbeitet er als Koch und hat auch hier kluge Überlebensstrategien, um sich die Monate möglichst angenehm zu gestalten. Anschließend studiert er an der Hochschule für Schauspiel "Ernst Busch" in Berlin und weiß auf Anhieb, dass es genau das ist, was er im Leben braucht und liebt. Er ist damit der erste Schwarze in der DDR, der dies tut.

Auf 272 Seiten erzählt Sanoussi-Bliss auf meist lockere und amüsante Art von üblen Beleidigungen im Alltag, seinem sehr frühen ersten Sex mit einem Mann, der recht eng zum Kreise der Familie gehörte, dem Mauerfall, von Begegnungen mit der renommierten Regisseurin Doris Dörrie, der gemeinsamen Schauspielausbildung mit Simone Thomalla, aber auch seiner insgesamt 18 Jahre andauernden Hauptrolle bei "Der Alte".

Viel Wortwitz lockert die oft auch etwas schweren Themen auf, sodass man mehrfach ins Schmunzeln gerät. Eine gewisse Affinität zur Theaterkultur ist jedoch von Vorteil, da der Autor über weite Strecken von seinem Job auf vielen renommierten Bühnen erzählt und mit vielen Namen der Szene um sich wirft. Spannend, irritierend und verärgernd zugleich ist die Tatsache, dass der Schauspieler nach der Wiedervereinigung im Job plötzlich Nachteile durch die Herkunft seines Vaters spürt und immer wieder zu hören bekommt, man könne ihn nicht besetzen.

Als Schauspieler hatte ich eine fundierte Ausbildung hinter mir, ich hatte schon eine Menge Erfahrungen an großen Häusern gesammelt, ich konnte was, ich hatte Lust, ich besaß jede Menge Leidenschaft, Rollen zu füllen. So habe ich gedacht. Aber das wurde dann immer mehr eingedampft. Bis hier und jetzt und heute: Ich mache das jetzt inklusive Studium seit über 45 Jahren, und es bewegt sich nichts mehr, es wird nichts besser.

Dschungelcamp-Fans werden enttäuscht

Der Anteil über seine Liebe zu Männern bleibt nicht aus, ist aber doch eher knappgehalten. Seinem Mann, von dem er sich erst vor rund einem Jahr trennte, ist ein eigenes Kapitel gewidmet, aber auch hier ist der Umfang recht überschaubar. Wilde Sexstorys dürfen also nicht erwartet werden. Sowieso hat Sanoussi-Bliss ein seriöses Auftreten mit stilistisch prägnant ausgewählten Ausdrücken. Das kommt allerspätestens dann zur Geltung, wenn er Mitte der 2010er Jahre Stück für Stück an Spielzeit bei "Der Alte" verliert und sich mit einem ausführlichen Beschwerdebrief an die ZDF-Programmchefs wendet. Rhetorik on point.

Dschungelcamp-Fans werden hingegen ziemlich enttäuscht – Pierre Sanoussi-Bliss sah seine Teilnahme eindeutig als lukratives Angebot, das er für sich nutzen wollte und erzählt nahezu keine neuen Infos über die Zeit in Australien. Das Thema wird auf vier Seiten abgehakt. Abgerundet wird das kurzweilige Werk mit 16 Farbfotos.

"Den Rest hab ich verdrängt" ist eine nette, kleine Biografie, die den positiven und sympathischen Eindruck, den man von Sanoussi-Bliss in der Öffentlichkeit hat, eindeutig bestätigt. Inhaltlich erwarten einen zwar wenig bahnbrechende Momente – vieles ist hinreichend bekannt oder vorhersehbar – aber dennoch lassen sich mit dem Buch fünf unterhaltsame Stunden verbringen.

Lange Zeit war ich der einzige Schwarze in einer deutschen TV-Serie. Zumindest der einzige, mit einer durchgängigen Rolle. Ja, es gibt eine schwarze Nonne in "Um Himmels Willen". Aber ansonsten: niemand. Wie arm für dieses Land.

Buchpremiere: Am Dienstag, den 4. November 2025 um 19 Uhr stellt Pierre Sanoussi-Bliss seine Autobiografie in der WABE (Danziger Str. 101, Berlin-Prenzlauer Berg) vor.

Infos zum Buch

Pierre Sanoussi-Bliss: Den Rest hab ich verdrängt. Unordentliche Erinnerungen. Mit zahlreichen Farbfotos. 272 Seiten. Querverlag. Berlin 2025. Taschenbuch: 20 € (ISBN: 978-3-89656-363-7). E-Book: 12,99 €

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