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Kommentar
Endlich mal gute Nachrichten für die trans Community
Eine neue Erklärung der World Medical Association (WMA) stellt sich voll und ganz hinter die berechtigten Rechte von trans Menschen in der Gesundheitsversorgung. Die Bundesregierung muss nun handeln!

Symbolbild: Protestschild "Human Rights for All" beim CSD Stuttgart 2025 (Bild: IMAGO / Harald Dostal)
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23. Oktober 2025, 14:06h 5 Min.
Das Jahr 2025 geht sicherlich nicht als ein gutes Jahr für trans, inter und nichtbinäre Menschen in die Chronik ein. Dafür haben seit Anfang des Jahres Donald Trump und seine Regierung mit lauter transfeindlichen Verordnungen gesorgt. Abgesehen von all den anderen transfeindlichen Hotspots dieser Welt. Und manchmal schlagen die üblichen Verdächtigen aus der Community in die gleiche Kerbe, um uns zu erklären, dass wir an der Transfeindlichkeit selbst schuld seien.
Leider ist auch bei uns nicht klar, wo die Reise hingehen wird angesichts der geplanten Evaluierung des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG), der Meldedatenverordnung zum SBGG (die leider noch nicht endgültig vom Tisch ist) und einer queerpolitischen Agenda mit lauter unerledigten Projekten (Grundgesetzänderung Artikel 3, Reform des Abstammungsrechts und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes).
Nicht zu vergessen die Gesundheitsversorgung von trans und nichtbinären Menschen. An der Aktualisierung der Leitlinien für Erwachsene wird seit Jahren gearbeitet und mit einem Ergebnis ist wohl erst 2027 zu rechnen. Immerhin ist nun die Leitlinie für Kinder und Jugendliche in trockenen Tüchern, auf die mit den erwartbaren Attacken von "Emma" & Co. und deren Sympathisanten reagiert wurde.
Bundesärztekammer wertet Transfeinde auf
Zu erinnern wäre hier ebenfalls an den Schock des Jahres 2023, verursacht durch das Bundessozialgericht mit der Ablehnung medizinischer Maßnahmen im Fall einer nichtbinären Person, eine Entscheidung, die in der trans Community große Verunsicherung auslöste. Inzwischen ist das Gesundheitswesen wieder weitgehend zur bisherigen Praxis zurückgekehrt (ausgenommen im Fall nichtbinärer Personen), aber die Bürokratie, lange Wartezeiten und die weiteren Hürden sind geblieben.
Und dann kam im letzten Monat auch noch eine Versammlung von Transfeinden nach Berlin, nämlich die Society for Evidence-based Gender Medicine (SEGM), die hinter verschlossenen Türen tagte. Vom Southern Poverty Law Center in den USA wird sie als eine der aktivsten "Hassgruppen" eingestuft. Sie tut zwar so, als sei sie eine medizinische Fachgesellschaft, tatsächlich ist sie ein Interessenverband, der sich auf pseudowissenschaftliche Argumentation versteht zum Schaden einer geschlechtsbejahenden Gesundheitsversorgung.
Dass die Willkommensrede zur SEGM-Veranstaltung ausgerechnet der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hielt, durfte wohl zu Recht als besorgniserregend kommentiert werden. Denn natürlich bedeutet das eine fatale Aufwertung. Andererseits ist die Bundesärztekammer Mitglied der World Medical Association (WMA). Genau diese WMA war es nun, die endlich die Serie an Negativmeldungen aus dem transfeindlichen Gruselkabinett unterbrach mit einer Erklärung, die sich voll und ganz hinter die berechtigten trans Rechte in der Gesundheitsversorgung stellt.
Das WMA-Papier bleibt vorerst eine Utopie – die wir aber brauchen
Gute Nachrichten sind also noch möglich und lassen uns für einen Moment aufatmen, um freilich in einen Alltag zurückzukehren, bei dem wir wünschten, er würde ein wenig mehr aus der WMA-Erklärung widerspiegeln als er es in Wirklichkeit tut. Was nichts anderes als eine Aufforderung zum Weiterkämpfen bedeutet.
Die Erklärung wurde ursprünglich 2015 auf der WMA-Generalversammlung in Moskau verabschiedet (was für ein makabrer Ort für ein solches Statement), um nun, zehn Jahre später, in einer überarbeiteten Fassung anlässlich einer diesmal in Portugal stattgefundenen Generalversammlung der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Der in eine Präambel, in allgemeine Grundsätze sowie in Empfehlungen gegliederte Text beschert eine wirklich empowernde Lektüre. Würden all die darin genannten Grundsätze und Empfehlungen verwirklicht sein, brauchte es wohl keinen trans Aktivismus mehr und wir könnten endlich anfangen, ein Leben ohne Diskriminierung und Stigmatisierung zu leben. Wir würden uns dann nämlich in einer Gesellschaft wiederfinden, die vollständig ernst macht mit den Menschenrechten. Mit anderen Worten das WMA-Papier bleibt vorerst eine Utopie. Auf jeden Fall eine, die wir brauchen.
Ein Aufruf zum solidarischen Handeln
Und mindestens ebenso sehr brauchen wir Verbündete. Die Mehrheit der WMA-Mitglieder dürfen wir wohl als solche verstehen. Ihre Empfehlungen richten sich an Ärzt*innen, Mitgliedsorganisationen und Berufsverbände sowie an Regierungen. Sie alle sind aufgefordert, eine "individuelle, multiprofessionelle, interdisziplinäre und erschwingliche geschlechtsbejahende Versorgung […] zur Verfügung zu stellen".
Das setzt voraus, die geschlechtliche Selbstidentifikation zu respektieren, Kinder und Jugendliche in ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit mit einzuschließen, die Wissenskompetenz zu erweitern, ein inklusives Arbeits- und Lernumfeld zu ermöglichen, sich an Fortbildungen zu beteiligen und noch einiges mehr. In Richtung Ärzt*innen gesprochen, heißt es beispielsweise, "sich gegen Gesetze und Praktiken aussprechen, die die Menschenrechte von Transgender-Personen verletzen". Was nichts anderes als solidarisches Handeln meint.
In Richtung Regierungen gibt es die Forderung, "einen umfassenden Rechtsrahmen zu verabschieden und umzusetzen, um Transgender-Personen vor Diskriminierung und Gewalt zu schützen und ihre uneingeschränkte Teilhabe an der Gesellschaft zu unterstützen, einschließlich des Zugangs zu erschwinglicher und hochwertiger geschlechtsbejahender Versorgung."
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Der umfassende Rechtsrahmen steht in Deutschland noch aus
Liebe Bundesregierung, die Forderung geht an Sie. Das SBGG der Vorgängerregierung war da nur ein Anfang – der umfassende Rechtsrahmen steht noch aus. In einen solchen würde beispielsweise die vom Innenministerium (BMI) geplante Meldedatenverordnung schon mal gar nicht passen. Denn selbst wenn die Verordnung ein explizites Verbot der Erstellung von Listen von Personen enthält, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, dann ist das nur ein Verbot und heißt eben auch, dass solche Listen möglich sind. Einer elektronischen Patientenakte kann widersprochen werden. Wenn, dann sollte das auch für die "Lebensakte Datenspeicherung" gelten.
Die WMA hat noch ein paar Forderungen mehr: Erhöhung der Akzeptanz von geschlechtlicher Vielfalt, Finanzierung von Forschung, Schutz derjenigen, die im Gesundheitsbereich geschlechtsbejahende Behandlungen anbieten. Und schließlich: "Organisationen, die Transgender-Personen vertreten, als wichtige Interessengruppen und fachkundige Mitwirkende in die Entwicklung von Gesundheitspolitiken, klinischen Protokollen, Aufklärungsmaterialien und Versorgungsmodellen einbeziehen." Da gibt es jedenfalls noch reichlich Luft nach oben. Reden Sie mit uns. Ansonsten noch Dank an die WMA für ihre klare Positionierung für trans Rechte.
Links zum Thema:
» WMA Statement on Trans People














