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Interview
Paul Bunne: "Social Media hat auch schon Dates kaputt gemacht"
Man kennt ihn als einen der ehrlichsten schwulen Content Creators Deutschlands – und auch im Interview mit queer.de spricht er ganz direkt über Sichtbarkeit, Schattenseiten des Berühmtseins und eigene Vorbilder.

Neues mutiges Pressefoto, von den Follower*innen approved: Der Münchner Content Creator Paul Bunne hat sich zu einer festen Social-Media-Größe etabliert (Bild: privat)
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25. Oktober 2025, 14:54h 5 Min.
Ob mit seinen legendären Food-Tastings, ehrlichen Dating-Einblicken oder persönlichen Videos zu Haartransplantation und Blinddarm – auf TikTok begegnet man Paul Bunne gefühlt überall. Der schwule Content Creator nimmt seine Community mit durch den Alltag, und Tabus scheint es für ihn kaum zu geben. Diese Nahbarkeit kommt an: Fast 250.000 Menschen folgen ihm allein auf TikTok, auch auf Instagram wächst seine Reichweite stetig.
Doch wie viel Offenheit ist zu viel? Im Interview mit queer.de spricht Paul Bunne über die Schattenseiten der Sichtbarkeit, über Dates, die durch Social Media zerbrachen – und darüber, warum er sich bewusst auch auf nicht-queeren Events wie dem Oktoberfest zeigt. Denn ihm geht es um mehr als Reichweite: um Präsenz, um Begegnung – und darum, Menschen zum Nachdenken zu bringen.
Mit bald 22 Millionen Likes gehörst du inzwischen zu den erfolgreichsten queeren Content Creatorn Deutschlands auf TikTok. Was hat dich damals dazu bewegt, mit TikTok zu starten – und was war deine ursprüngliche Intention dahinter?
Ich mache seit Jahren Social Media – angefangen bei Joiz TV, später bei Constantin, wo ich die Social-Media-Abteilung mit aufgebaut habe. Trotzdem blieb echte Reichweite lange aus. TikTok war da anders: Der Algorithmus gibt auch kleinen Creatorn Sichtbarkeit. Ich war früh überzeugt, habe TikTok sogar ins Fernsehen gebracht und privat viel mit Storytelling experimentiert. Mein Durchbruch war die Love Story mit Isaac. Seit Januar 2023 poste ich täglich ein Video über eine Minute – das hat mir erste Kooperationen und berufliche Perspektiven eröffnet.

Die TikToks rund um seine American Love Affair Isaac kommen besonders gut bei den Fans an (Bild: privat)
Du gewährst deinen Follower*innen wie kaum ein anderer sehr persönliche Einblicke in dein Leben – sei es in deinen Alltag, auf Reisen oder bei gesundheitlichen Themen. Glaubst du, dass gerade diese Offenheit ein Schlüssel zu deinem Erfolg ist?
Ja, ich erzähle so, als würde ich mit Freunden sprechen – ehrlich, direkt, nahbar. Viele nutzen Social Media als Ersatz für echte Nähe, und mein Content gibt ihnen das Gefühl, dabei zu sein. Das merke ich auch im echten Leben: Menschen wollen mich umarmen, nicht nur ein Foto machen. Diese Nähe entsteht durch Offenheit – ich teile Alltag, Reisen, Gesundheitsthemen, ohne Filter. Das schafft Vertrauen und eine besondere Verbindung zu meiner Community.
Ein zentrales Thema auf deinem Kanal sind deine Crushes und Affären. Warum ist es dir wichtig, gerade darüber offen zu sprechen?
Weil es ehrlich ist – genau darüber spricht man auch mit Freunden. Liebe interessiert einfach jeden, aber kaum jemand redet offen darüber auf Social Media. Ich bin da anders, auch wenn es manchmal schwierig ist, weil andere Personen involviert sind.
Sind deine Dating-Partner in der Regel offen dafür, dass du deine Follower*innen "virtuell" mit zu euren Dates nimmst – oder kommt es auch vor, dass jemand das ablehnt?
Ich frage immer vorher, ob das für sie okay ist. Manche sind offen, andere lehnen es ab – das respektiere ich. Es ist mir wichtig, niemanden zu überrumpeln oder bloßzustellen. Wenn jemand sich unwohl fühlt, nehme ich Inhalte sofort wieder runter. Ich versuche, transparent zu sein, aber auch sensibel mit den Grenzen anderer umzugehen.
Hast du manchmal Sorge, dass öffentlicher Druck – gerade wenn du jemanden ernster kennenlernst – die Kennenlernphase oder eine mögliche spätere Beziehung belasten könnte? Etwa durch ständige Bewertungen und Erwartungen deiner Community?
Ja, total. Ich habe durch Social Media schon Dates kaputt gemacht – zwei, drei Typen, die ich wirklich mochte. Manche wussten nicht, wie viele Leute man damit erreicht. Einmal bekam jemand Panikattacken, weil ihn Leute aus seinem Dorf erkannten. Auch das Wissensgefälle ist schwierig: Der andere kennt mich schon, ich ihn nicht. Ich freue mich inzwischen, wenn Dates mich gar nicht kennen – das schafft echte Augenhöhe. Aber klar, wenn Fans dann sagen "Bring Isaac zurück", ist das für neue Partner auch nicht leicht.
TikTok / Paul Bunne@paulbunne Ich habe mal versucht meine Verhaltensmuster beim Dating zu reflektieren
Originalton – Paul Bunne
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Lass uns über Queerness sprechen: Erlebst du auf Social Media viel Queerfeindlichkeit oder überwiegen die positiven Rückmeldungen?
Die positiven Rückmeldungen überwiegen. Klar, es gibt auch mal queerfeindliche Kommentare, aber meine Community reagiert sofort. Besonders freut mich, wenn auch heterosexuelle Männer auf mich zukommen – zum Beispiel im Club – und sagen, dass sie meinen Content feiern. Das zeigt mir, dass ich auch außerhalb der queeren Bubble Menschen erreiche und vielleicht Vorurteile abbauen kann. Genau das ist mir wichtig.
Wie wichtig ist es dir, ein Vorbild für die queere Community zu sein und Sichtbarkeit zu schaffen? Hast du das Gefühl, dass dir das bereits gut gelingt – oder möchtest du diesen Aspekt noch weiter ausbauen?
Als ich jung war, gab es kaum queere Vorbilder, mit denen ich mich identifizieren konnte. Heute ist mir Sichtbarkeit extrem wichtig – gerade auch außerhalb der queeren Bubble. Ich mache nicht so aktiv queerpolitischen Content wie andere, aber ich thematisiere vieles und unterstütze Creator wie 321maxx, die das super machen. Manchmal reposte ich lieber, statt selbst etwas falsch zu formulieren. Ich will zeigen, dass queere Menschen in jeder Lebensrealität existieren – und dass man sich nicht verbiegen muss, um sichtbar zu sein.

Paul Bunne mit Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission (Bild: privaI
Welche anderen queeren TikToker*innen inspirieren dich bei deiner Arbeit?
321maxx ist für mich wie die queere Tagesschau – super informativ und klar. Jamie Williams bewundere ich für seine offene Art, über sein Leben als trans Mann zu sprechen. Wir sind auch befreundet. Daily Daniel finde ich mutig – er geht auf der Straße in Konfrontation, wenn's nötig ist, und spricht Themen radikal an. Ich selbst bin da zurückhaltender, aber ich feiere, dass er das macht. Diese drei sind für mich echte Empfehlungen, wenn man sich mit queeren Stimmen auf TikTok beschäftigen will.
Stehen bei dir in nächster Zeit größere Projekte an – vielleicht auch mit queerem Bezug?
Gerade lebe ich sehr im Moment. Ich sehe viele Creator, die sich mit Projekten überfordern – Burnout inklusive. Ich fahre bewusst runter, mache nur wenige Kooperationen und verbringe mehr Zeit mit Freunden. Mein letztes großes Projekt war die Wiesn, wo ich bei fast allen Queerevents dabei war – Sichtbarkeit auf einem eher hetero-geprägten Festival ist mir wichtig. Ich gehe auch bewusst auf nicht-queere Veranstaltungen, um dort Präsenz zu zeigen. Wenn ich dabei anecke, ist das okay – ich will Menschen zum Nachdenken bringen.
Links zum Thema:
» Paul Bunne auf TikTok
» Paul Bunne auf Instagram














