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Einsam – an einem der schwulsten Orte der USA

Frisch getrennt landet Lourenço in Provincetown. Dort pulsiert das queere Leben, doch der Brasilianer bleibt allein – bis er Maurice trifft. Das Drama "High Tide" wirft einen schonungslosen Blick auf einen queeren Mikrokosmos, der weniger einladend ist als er gern wäre.


Das Spielfilm-Debüt "High Tide" von Marco Calvani erzählt von einer schwulen Romanze im queeren Mekka Provincetown (Bild: Cinemien)

Gold, Land, Liebe, Rosen: Das alles gibt es in Brasilien mehr als in den USA, sagt Lourenço. Und doch ist er in den Vereinigten Staaten gelandet. Wobei gestrandet es eher trifft – in Provincetown, einem queeren Mekka, keine zwei Stunden mit der Fähre von Boston entfernt.

Lourenço wurde gerade verlassen. Jetzt finanziert er sich seine Reise mit kleinen Hilfarbeiten unter der Hand. Er hat nur ein Touristenvisum, würde aber gerne bleiben. Denn auch wenn in seiner Heimat mehr Rosen warten – vor seiner Mutter ist er nicht geoutet. Und dass er dreckige Toiletten schrubbt oder Wände streicht, verschweigt er vor ihr. Dass sein Boss ihn ständig anschreit, natürlich auch. Man ahnt: Seine Zukunft sieht er nicht in Brasilien, allen Umständen zum Trotz. Hoffnung und Scham mischen sich hier.

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Die Homo-Hauptstadt der USA


Poster zum Film: "High Tide" läuft seit 30. Oktober 2025 in ausgewählten Programmkinos

Doch wo dann? Und mit wem? Immerhin kommt er bei dem freundlichen älteren Schwulen Scott unter, der immer ein offenes Ohr für ihn hat. Tatsächlich ist die Freundschaft der zwei Männer mit dem großen Altersunterschied sehr authentisch und wohltuend mitanzusehen. Weil Lourenço zudem ziemlich gut aussieht, werden auch die ersten anderen schwulen Männer auf ihn aufmerksam.

Die queere Geschichte von Provincetown reicht weit zurück: 1899 gründete der Künstler Charles Hawthorne eine Kunstakademie, die Künstler*­innen und andere Intellektuelle aus New York anzog. 2010 wurde Provincetown offiziell die homo­sexuellste Stadt des Landes, weil nirgendwo sonst im Verhältnis so viele schwule und lesbische Paare leben.

Maurice, einer der wenigen Schwarzen in Provincetown

Doch Lourenço erlebt Provincetown weniger einladend. Er sucht nach echten, aufrichtigen Kontakten, doch das ist gar nicht so einfach. "High Tide" folgt hier einem Narrativ, das filmisch eigentlich schon ausgereizt ist: Die queere Community, allen voran schwule Männer, können hervorragend feiern, tanzen und Drogen nehmen, was Ernstes bekommen sie aber nicht hin.

Es ist die typische Story eines traurigen Schwulen, die sich erst ändert, als er Maurice begegnet. Seine Figur ist interessant und ungewöhnlich: Er arbeitet als Krankenpfleger in New York und ist einer der wenigen schwarzen Gäste der Halbinsel. Auch seine drogenaffine Clique verkörpert nicht das, was er eigentlich sucht.

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Hochaktuelle Themen, die auch die queere Community beschäftigen

Beide Männer sind attraktiv, doch sie verbinden ebenso strukturelle Unsicherheiten sowie Fragen von Klasse und Rassismus. Das sind in Zeiten von Trumps Vereinigten Staaten hochaktuelle und brisante Themen, die auch die queere Community beschäftigen sollten.

"High Tide", der erste Langfilm von Marco Calvani, macht damit eine Fülle an Motiven auf. Doch gerecht wird das Drama keinem von ihnen so wirklich. Das Skript wirkt eher wie eine Ideensammlung im Entwurfsstadium, das nach deutlich mehr Fokus verlangt. Auch die Harmonie der Figuren ist ausbaufähig – es gibt kaum Raum für Maurice und Lourenço, um sich anzunähern, da landen die beiden schon recht unvermittelt im Bett. Echte, sich entwickelnde Anziehung sieht anders aus.

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Wo findet man Zugehörigkeit?

Dabei ist Marco Pigossi als Lourenço – der mit dem Regisseur verheiratet ist – genau wie James Bland eine gute, glaubwürdige Wahl. Einige Nebenrollen sind darüber hinaus hochkarätig besetzt: Oscar-Gewinnerin Marisa Tomei als klischeehafte Künstlerin, bei der Lourenço arbeitet, und die für ihn kalenderspruchartige Weisheiten parat hält, oder Mya Taylor – bekannt aus "Tangerine" von Sean Baker – als Crystal aus Maurice' Clique. Sind die Frauenfiguren Karikatur oder eindimensional? Ein bisschen beides.

"High Tide" hat ganz deutliches Potenzial, weil es den Blick auf Einsamkeit und Zugehörigkeit an einem der queersten Orte des Landes wagt. Doch der Film will zu viel. Nur stellenweise schafft er es, nachdenklich zu machen und einen ernsthaften Kontrast zu den lauten Partynächten darzustellen. Am Ende bleibt eine profane Erkenntnis: Zugehörigkeit findet man nicht dort, wo es am buntesten leuchtet, sondern wo man wirklich gesehen wird.

Infos zum Film

High Tide. Drama. USA 2024. Regie: Marco Calvani. Cast: Bill Irwin, James Bland, Marco Pigossi, Marisa Tomei, Mya Taylor. Laufzeit: 101 Minuten. Sprache: englisch-portugiesische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 16. Verleih: Cinemien. Kinostart: 30. Oktober 2025
Galerie:
High Tide
4 Bilder
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