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Interview

"Ich wollte ein Buch schreiben, in dem es alltäglich ist, dass nahezu alle queer sind"

Wir sprachen mit Bestsellerautorin Alicia Zett über ihre queere Roman-Dilogie "Camp Rainbow". Der zweite Teil "Zwischen uns die Wolken" ist seit heute im Buchhandel erhältlich ist.


Alicia Zett wurde 1996 geboren, hat Film studiert und arbeitet neben ihrem Autorinnendasein bei einem lokalen Fernsehsender (Bild: Johannes Tran)
  • Von Christopher Filipecki
    31. Oktober 2025, 09:41h 16 Min.

Liebe Alicia, der Herbst hat nun endgültig zugeschlagen. Bist du ein Sommermensch oder freust du dich auch auf die dunkle Jahreszeit?

Ich bin eindeutig Herbstmensch. Ich mag den Sommer überhaupt nicht, auch wenn ich im Sommer Geburtstag habe. Ich hasse Hitze und die ganz helle Sonne. Ich bin zwar gerne schwimmen und am Meer, aber am liebsten, wenn es bewölkt ist. Sommergewitter mag ich auch noch, aber den Herbst liebe ich fürs Lesen und Spazieren. Wenn endlich September ist, bin ich immer richtig froh.

Aber in deinem Buch "Camp Rainbow – Über mir der Himmel" (Amazon-Affiliate-Link ) ist zumindest Sommer. Im zweiten Teil "Zwischen uns die Wolken" (Amazon-Affiliate-Link )bestimmt auch, oder?

Genau, das Camp findet immer nur im Sommer statt. Gibt ja leider nur zwei Wochen Herbstferien, das wäre etwas zu kurz gewesen…

Erzähl uns von der Idee hinter "Camp Rainbow"- hast du schon mal von etwas ähnlichem gehört oder ist es ein ausgedachter Ort, an dem du auch mal gern gewesen wärst?

Ein Verlag hat mal zu mir gesagt, dass zu viele queere Personen in meinem Buch wären und wir noch ein paar heterosexuelle einbauen müssten. Ist auch ok, gibt natürlich auch Heterosexuelle im Leben. (lacht) Ich wollte aber gerne ein Buch schreiben, in dem es alltäglich ist, dass nahezu alle queer sind. Und dann kam mir die Idee: In einem queeren Camp! Da wäre das genau der Fall! Da kann mir niemand sagen, dass dort zu viele queere Charaktere wären, denn das ist nun mal die Voraussetzung, um überhaupt dort hinzufahren.

Auf der anderen Seite war ich drei Jahre in einem Camp vom CVJM, dem Christlichen Verein Junger Menschen – und dort hatte ich auch richtig Spaß. Wir waren am Lagerfeuer und haben Stockbrot gemacht, haben in Stockbetten geschlafen. Ähnlich wie es im "Camp Rainbow" ist. Die Erfahrung habe ich in die Geschichte mit eingewoben. Ich mag es, wenn man gemeinsam in der Natur ist. Am besten auch ohne Handy, um nicht permanent auf TikTok oder Instagram rumzuhängen, sondern lieber im Moment zu sein.

Den Ort, den ich aber im Buch beschreibe, gibt es so nicht. Es gibt leider auch nicht die Art Camp, das habe ich recherchiert. Es gibt zwar Wochenendtrips in Deutschland und im Ausland ähnliche Camps, aber hier bei uns leider nicht. Nur für trans und nichtbinäre Menschen. Allerdings wurde mir dann gesagt: "Alicia, geh doch einfach in ein Theater-Camp, das ist quasi das Gleiche", wegen der hohen Anzahl queerer Menschen. (lacht) Es gibt ja die unterschiedlichsten Arten von Camps…

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"Zwischen uns die Wolken", der zweite Teil der "Camp Rainbow"-Dilogie, ist am 31. Oktober 2025 im ONE Verlag erschienen

Also eine Kombination aus eigenen Erfahrungen und etwas Ausgedachtem. Worum geht es denn in dem zweiten Teil, ohne zu viel zu verraten?

Band 1 ist aus der Sicht von Malin, Band 2 aus der Sicht von Malin und ihrer Schwester Lila, genau ein Jahr später. Lila wird im zweiten Teil das Camp ebenfalls besuchen. Für beide die letzte Möglichkeit, dort hinzufahren, weil man das Camp nur besuchen darf, bis man 18 ist.

Wenn man den ersten Teil gelesen hat, fragt man sich: Wie zur Hölle kommt das zustande, dass Lila dorthin fährt? Sie ist sehr anti und mag keine typischen Queer-Sachen, obwohl sie selbst lesbisch ist. Das gibt es ja auch häufiger, weswegen ich genau so eine Sichtweise auch mal zeigen wollte und wie ihr Werdegang sein kann – von der Haltung, alles abzulehnen, dorthin, die queere Community doch zu lieben und die eigene Queerness besser anzunehmen.

Auf der einen Seite geht es also um Lilas Weg, aber auch um die Neurodivergenz und ADHS von Malin. Lila erfährt dann auch, dass sie auf dem Spektrum ist. Ich habe das beim Schreiben übrigens auch erfahren und gehe mit ihr gemeinsam den Weg. Zusätzlich geht es aber auch um Freundschaft, um Schwesternbeziehungen, um das schwierige Verhältnis zum Vater der Beiden und natürlich um Liebe. Eine Liebesgeschichte, die auch zu den anderen Themen passt, ohne Drama und ohne Misskommunikation, sondern mit guter Kommunikation.

Du bist seit einigen Jahren die wohl bekannteste deutsche Autorin von junger, queerer Literatur. Eine Person, die es nachfolgenden Generationen leichter machen möchte und Identifikationsfläche bietet. Ist das etwas, was du selbst in frühen Jahren vermisst hast, oder konntest du dir schon damals gut Nischen suchen?

Ich hab's auf jeden Fall vermisst. Auf dem Buchmarkt gab es nichts, deswegen habe ich nur Fanfiction gelesen. Da ich selbst lange gebraucht habe, um mir meine Queerness einzugestehen, habe ich selbst viel hetero oder schwule Fanfiction gelesen. Dann gab es Tumblr und dort fanden lesbische Aktfotografien und Zeichnungen statt, die mir eine komplett neue Welt eröffnet haben. Dann wurde es auch in Serien etwas mehr, zum Beispiel gab es bei "Schloss Einstein" und "Gute Zeiten, schlechter Zeiten" ein lesbisches Pärchen. In der Literatur selbst habe ich das aber nicht gefunden, nur in anderen Medien.

Das erste richtig gute queere Buch, was ich gelesen habe, war "Den Mund voll ungesagter Dinge" von Anne Freytag, und da war ich schon 21 und im Studium. Geoutet habe ich mich ungefähr mit 19. Der Drang, diese Geschichten zu erzählen, war schon Jahre in mir. Ich habe immer viele Bücher gelesen, in denen sich männliche Protagonisten in Frauen verliebt haben, weil ich das relaten konnte. Nach dem Buch von Anne wusste ich aber, dass ich genau das auch will. Ich wollte mit meinen Worten anderen das Gefühl geben, was sie mir gegeben hat. Schon in der Grundschule habe ich in Freunde-Bücher als Berufswunsch "Buchschreiberin" geschrieben, dabei dachte ich lange, ich schreibe Fantasy. Das war auch immer mit männlichen Figuren, also ganz anders als das, was ich jetzt tue. Irgendwie schön zu sehen, wie sich so etwas entwickeln kann.

Wie ist das Feedback aus der queeren Community? Ist dein Publikum überhaupt komplett queer?

Deswegen liebe ich Lesungen sehr. Ich hasse zwar große Menschenmengen, aber meine Lesungen sind ein totaler Safe Space. Sehr viele queere Menschen auf einem Haufen. Meine jüngste Leserin ist neun, die älteste, die ich kennengelernt habe, ist Mitte 70. Die Hauptaltersgruppe ist wahrscheinlich zwischen 15 und 30, was im Vergleich zu anderen auch eine recht große Gruppe ist.

Die allermeisten sind queer und/oder neurodivergent, würde ich sagen. Eine häufige Überschneidung. Das ist total schön. Ich freue mich aber genauso, wenn ein hetero Ally dabei ist und mir sagt, dass er oder sie das gerne liest. Auch das trägt immer dazu bei, dass diese Menschen das Leben von Queeren besser verstehen und mehr Toleranz entsteht. Ich habe mein Leben lang hetero Geschichten gelesen und kann auch nachvollziehen, wie sie sich ungefähr fühlen. (lacht) Diese zu lesen, hat mir auch nicht geschadet und ich bin dadurch nicht hetero geworden. Somit freue ich mich auch, wenn nicht-queere Menschen dabei sind.

Feedback bekomme ich meistens in privaten Nachrichten bei Instagram. Oft auch richtig lange Nachrichten, auf die ich meist leider aus Zeitgründen nur mit zwei Sätzen antworten kann. Das bedeutet mir aber ganz viel. Einiges screenshotte ich auch, um es mir an schlechten Tagen anzugucken. Man löst in Menschen Dinge aus, und genau das möchte ich auch.

Ja, für einige ältere Leser*­innen ist es wahrscheinlich so wie "Heartstopper" zu schauen – man verarbeitet ein wenig Negativerfahrungen aus der eigenen Kindheit und Jugend.

Deswegen steht in meinem Profil auch "Writing books for my younger self". Häufiger werde ich gefragt: "Jugendbücher lese ich nicht so gerne, bis zu welchem Alter würdest du sie empfehlen?", ich glaube aber, dass gerade queere Menschen nur in den wenigsten Fällen die Jugend leben konnten, die sie sich gewünscht haben. Deswegen kann damit bestimmt etwas heilen.

Deine Charaktere unterscheiden sich stark in Sexualität und Gender. Wie schwer fällt es dir, all diese Facetten einzubinden? Sind es oft Ideen aus den Medien, Inspiration aus dem privaten Umfeld? Beides?

Alles zusammen, ja. Ich habe früher ganz viele Serien und Filme geschaut, habe auch Film studiert. Im Studium analysiert man auch, wie Figuren funktionieren. Ich treffe aber auf meinen Lesungen und auf Buchmessen viele Personen, die mich inspirieren. Mein Bekanntenkreis ist auch groß. So groß, dass ich gern mal vergesse, auf Nachrichten zu antworten. All diese Personen kommen in Bruchteilen immer mal wieder in meinen Büchern vor. Alles vertreten, verschiedene Familienmodelle, jede Altersgruppe. Früher war ich gar nicht so. Ich dachte, ich wäre die einzig queere Person in der Schule. Im Nachhinein haben sich noch andere geoutet, aber damals war ich das einzige Alien. Und jetzt habe ich ganz viele Aliens um mich herum.

Guckst du auch genau, was du bisher noch nicht in deinen Büchern vertreten hattest, oder passiert das in einem Flow?

Ich glaube, wenn ich gezielt gucken würde, würden sich meine Geschichten total konstruiert anfühlen. Es gibt also kein "Das muss da rein!". Manchmal habe ich ursprünglich die Idee, jemand ist cis und dann ist die Person doch trans. Das passiert ganz automatisch. Für mich ergibt sich das. Das fühlt sich dann einfach gut an. Meistens sind meine Hauptfiguren weiblich und cis, weil ich das auch bin. Aber in den Nebenfiguren probiere ich so viel reinzupacken, wie mir einfällt.

Auch deine eigene, private Beziehung nimmt man immer mal wieder auf Instagram wahr. Ebenso deine Ex-Beziehung mit einem trans Mann. Ist dir das wichtig, auch als Privatperson für Sichtbarkeit zu sorgen?

Früher habe ich viel, viel mehr geteilt. Wir waren sehr offen, unter anderem auch auf YouTube. Ich bereue das auch nicht, aber manchmal hat man uns oft nur als Paar gesehen. Ich bin für mich aber Alicia und eine eigenständige Person. Deswegen bin ich dahingehend etwas zurückgerudert. Andererseits möchte ich meine Beziehung aber auch nicht verstecken. Ich habe das mal probiert, dann wird man aber irgendwo beobachtet oder im Bus heimlich fotografiert. Das hat sich angefühlt, als wäre die Beziehung ein Geheimnis, ist sie aber nicht. Das ist meine Partnerin. Ich bin stolz auf sie, sie auf mich. Aber ihre Tochter zum Beispiel bleibt geheim. Ich probiere also mit wenigen Schnipseln Regenbogen­familien zu zeigen, auch zu zeigen, dass ich meine eigene Queerness lebe, aber ich bin etwas weniger transparent als früher. In dem Rahmen fühlt es sich gut an.

2018 kam dein Debüt "Traumtänzerin". War das Schreiben damals leichter oder schwerer? Was hat sich danach verändert?

Ich glaube, es war leichter. Man hatte keine Erwartungen an mich, ich hatte keinen Vergleich zu einem anderen Buch. Ich habe mir lediglich ein Jahr Zeit gegeben, in dem ich es schaffen wollte. Vergleichsweise wirklich lang, wenn man bedenkt, dass ich jetzt meist vier bis sechs Monate habe, manchmal sogar weniger. Dahingehend also leichter. Der Zuspruch auf Instagram war auch so groß. Zuvor hatte ich immer Texte unter meinen Beiträgen, die die Community immer toll fanden, sodass dann viele ein richtiges Buch haben wollten.

Aber mein Blick auf "Traumtänzerin" hat sich etwas verändert. Ich hatte keine Lektorin damals, heute empfinde ich vieles als misogyn und queer­feindlich. Außerdem ist der Umgang mit einer Alkoholsucht schwierig und nicht aufgearbeitet. Manche bringen es immer noch mit auf Lesungen und lassen es unterschreiben, ich bin dann persönlich etwas kritisch. Gleichzeitig weiß ich aber, weil es eines der ersten Bücher dieser Art war, wie viel es manchen bedeutet. Aber ich habe das Buch 2017 geschrieben, das sind acht Jahre. In denen habe ich mich eindeutig weiterentwickelt, das finde ich gut.

Das Schreiben macht jetzt auch viel mehr Spaß. Es ist für mich ein richtiges Handwerk, ich gehe da wie an eine Arbeit ran. Jetzt passiert das, dann passiert das, dieses und jenes soll ausgelöst werden. Schwer zu beschreiben. Man lässt Figuren Sachen tun und lernt dabei. Mittlerweile lese ich auch manches dann nochmal durch und denke: Doch, das gefällt mir!

Du hast insgesamt zehn Bücher in nicht einmal fünf Jahren veröffentlicht – das ist unglaublich viel. Hattest du all diese Geschichten schon parat?

An Ideen mangelt es überhaupt nicht. Immer, wenn ein Projekt zu Ende geht, kommt schon die nächste Idee. Vielleicht kommt demnächst ja mal ein Buch, das ich nicht alleine schreibe… und wenn du dann mit jemandem zusammensitzt, kommt wieder etwas ganz Neues in meinem Kopf auf.

Wann entscheidet sich, ob es zusammenhängende Bücher sind, wie aktuell bei "Camp Rainbow", oder ob es eher nur ein gemeinsames Oberthema gibt, wie bei älteren Büchern von dir?

"Not Your Type" war 2021 mein erstes Verlagsbuch. Das lief so gut, dass vom Verlag vorgeschlagen wurde, eine Reihe daraus zu machen. Geplant war das eigentlich nicht. Deswegen tauchen die Figuren dort auch eher lose auf. Bei "Wie Wellen im Sturm" spielen alle drei Bücher an derselben Schule, es ist dieselbe Freundesgruppe, dasselbe Fußballteam – das habe ich im Vorhinein entschieden. Genauso bei "Wer, wenn nicht wir?", das ist eine zusammenhängende Geschichte, die man nicht trennen kann. Für mich ist das bei "Camp Rainbow" nun dasselbe. Zwar ist es nicht ganz so engmaschig, dass man zwingend Band 1 gelesen hat, aber es fehlen einem dann schon Dinge. Und generell wünschen sich Autor*­innen, dass alle Bände gelesen werden, weil so viel miteinander verwoben ist.

Direktlink | Alicia Zett über den ersten Band "Camp Rainbow – Über mir der Himmel"
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Wie ist denn das Gefühl, wenn plötzlich auf einem Buch der Aufkleber "Spiegel Bestseller-Autorin" auftaucht?

Der Sticker ist mir tatsächlich nicht so wichtig. Aber das Gefühl, wenn man online guckt und da dann das eigene Buch auftaucht – manchmal wird man nämlich nicht benachrichtigt und muss selbst nachgucken – da rutscht einem wirklich alles in die Hose. Gleichzeitig hat man aber Angst, nicht draufzustehen, weil es eine Erwartungshaltung an sich selbst gibt und man doch so gerne möchte. Gerade zweite Bände haben es schwer, queere Bücher werden sowieso seltener gekauft als hetero Geschichten.

Mein Anspruch an mich selbst, ist auch nicht, das zu schaffen. Ich habe das nun viermal hingekriegt, das ist schon mega gut. Natürlich hätte ich gerne mal einen Platz 1, aber das ist aktuell noch sehr unrealistisch. Ich lebe so schon meinen Traum. Ich darf Bücher schreiben und bin seit diesem Frühjahr Vollzeitautorin. Das ist wichtiger.

Bis dahin hast du noch nebenbei beim Fernsehen gearbeitet. Würdest du sagen, die Arbeit dort hat dir auch beim Schreiben geholfen?

Nein. Das war ganz klassisch, dass man mir genau gesagt hat, was ich machen soll. Das war nichts Kreatives. Ich kann aber nicht gut weisungsgebunden und unkreativ arbeiten. Viele stellen sich die Arbeit als Grafikerin sehr kreativ vor, das ist sie im Vergleich zum Schreiben aber gar nicht. Es ist so, als ob man ein labbriges Käsesandwich mit einem Nudelauflauf vergleichen würde. Hat beides Käse mit dabei, aber das eine isst man halt so richtig gerne und das andere eher im Notfall. (lacht)

Ich bin keine Büroperson. In der Bahn zu sitzen, in einem tristen, grauen, traurigen Raum acht Stunden zu bleiben, obwohl man nach zwei Stunden schon fertig ist, ist einfach nicht meins. Ich arbeite meist sehr effektiv, schnell und ohne Pausen, die restlichen Stunden gucke ich dann einfach aus dem Fenster und sehe meine Lebenszeit an mir vorbeiziehen. Das war zuletzt also nur noch eine Überbrückung für mich. Nun habe ich mich getraut und es läuft auch gut.

Sowas kann sich aber immer ändern. Auch die politische Lage darf man dabei nicht aus dem Blick verlieren. Meine Bücher wurden zum Beispiel bisher noch nicht übersetzt, was auch Gründe hat. Viele Länder kaufen keine queeren Geschichten ein, erst recht nicht, wenn Queerness der Hauptfokus ist. Ein Kollege wurde tatsächlich darum gebeten, vor der Übersetzung eine schwule Liebesbeziehung im Nebenplot im zweiten Band herauszuschreiben. Der erste Band war schon übersetzt, er hat das dann aber abgelehnt. Somit wird es den zweiten Band nun niemals übersetzt geben, obwohl er mit einer Übersetzung viel mehr Geld machen könnte. Das sind politische Themen, mit denen man sich als Schreibender gar nicht beschäftigen möchte, man muss es aber automatisch, weil queer zu sein leider politisch ist.

Meine Bücher sind mein kleiner politischer, rebellischer Akt. Eine Art Aufklärung, die manche vielleicht besser verstehen als beim bloßen Zugucken auf dem CSD. Manche sträuben sich dann und beschweren sich über Lederklamotten oder Nacktheit und dass in allen Serien eine queere Figur drin sein muss. Dabei wäre ein Aufeinander-Zugehen so viel schöner. Vielleicht gibt es ja nochmal eine Übersetzung, mal sehen…

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Bleibst du dem Genre denn treu? Ein queerer Thriller wäre doch bestimmt auch toll!

Ja, ich träume immer noch von einer bisexuellen Kriminalhauptkommissarin! Wenn "Bones" zum Beispiel queer wäre, das wäre so toll. Ich schreibe aktuell an etwas ganz anderem, verrate hiermit aber noch nichts. Ich bin gespannt, wie die Leute darauf reagieren.

Was sind deine queeren Medien, die du gerne konsumierst?

Ich habe die Serie "Arcane" geliebt, weil Queerness hier ganz alltäglich eingebaut wird. Meine Partnerin liebt "Grey's Anatomy", da gucke ich aber immer nur mit, wenn es eine lesbische Storyline gibt. (lacht)

Leider gibt es echt wenige Filme. Auch wenn ich aus dem Film komme, habe ich mich letztendlich für Literatur entschieden, weil die Produktion von queeren Filmen oft nicht so gerne gefördert wird. Das kostet bis zu Millionen, die nicht investiert werden, weil sie leider faktisch nicht so gut laufen. Also wieder ein Politikum. Und wenn, dann müssen eher zwei Männer mitspielen, weil man denkt, dass dort zumindest noch die heterosexuellen Frauen mitgucken, weil queere Männer oft sexualisiert werden. Auch nicht so cool.

Beim Schreiben von Geschichten brauche ich weniger Geld, deswegen mache ich das. "Heartstopper" oder "Love, Simon" wurden verfilmt und ich finde, dass meine "Wie Wellen im Sturm"-Reihe auch das Potenzial hat, weil Parallelen zu "Heartstopper" da sind – weil es aber zwei junge Frauen sind, ist die Hürde größer. Am Ende geht es immer ums Geld.

Zuletzt: Wie fühlst du dich mit der aktuellen queeren Situation in Deutschland und weltweit?

Ich weiß nicht, ob es jemals einen Hochpunkt gab, der der beste meiner Lebzeit war und es nun wieder bergab geht. Man spürt aber diese Anspannung von allen Seiten. Anspannungen schaukeln sich auch immer gegenseitig hoch. Hast du einen Riss, kommen mehr Risse dazu, statt dass der erste direkt gekittet wird. Ich weiß auch nicht, ob es etwas bringt, mit manchen zu reden und sie vom Gegenteil zu überzeugen. Einige Ansichten sind einfach so tief verankert. Gerade wenn man nach Amerika guckt und sich diese Gehirnwäsche ansieht, das macht mir Angst. Je mehr du in eine Richtung gehst, desto mehr Zuspruch bekommst du von den Befürworter*innen, gleichzeitig von denen, die auf der anderen Seite stehen, was dich dann aber meist auch in deiner radikalen Haltung vorantreibt. Sehr beunruhigend.

Mein Lebenstraum war es immer mit meiner Familie am Grand Canyon ein Foto zu machen. Aktuell weiß ich nicht, ob das jemals passieren wird, weil ich mich dort nicht hintraue. Gleichzeitig möchte ich aber auch die positiven Dinge sehen und mir nicht jeden Tag sorgen machen. Ich darf queere Bücher schreiben, wir haben mehr Repräsentation in Serien und Büchern, wir werden lauter, halten zusammen, so gut wie möglich. Ich bin ein positiver Mensch und probiere aufs Leben weiterhin positiv zu blicken.

Infos zu den Büchern

Alicia Zett: Camp Rainbow – Über mir der Himmel. 464 Seiten. ONE Verlag. Köln 2025. Taschenbuch: 15 € (ISBN 978-3-8466-0258-4). E-Book: 9,99 €

Alicia Zett: Camp Rainbow – Zwischen uns die Wolken. 432 Seiten. ONE Verlag. Köln 2025. Taschenbuch: 15 € (ISBN 978-3-7517-7539-7). E-Book: 9,99 €

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