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Kommentar

Gott liebt alle – aber weiß das auch das Erzbistum Köln?

Die deutschen katholischen Bischöfe setzen sich in einem neuen Papier dafür ein, Queersein an Schulen sichtbar zu machen. Das klingt fast revolutionär – doch für Jubel ist es zu früh.


Kein großer Fan von queerer Sichtbarkeit: Rainer Maria Kardinal Woelki, seit 2014 Erzbischof von Köln (Bild: IMAGO / Political-Moments)

Die katholische Kirche hängt beim Thema Queerness wieder einmal zwischen Himmel und Erde. Noch Anfang Juli 2025 zeigte die katholische Kirche in Deutschland, dass sie mit Veränderung so umgeht wie ein scheuer Ministrant mit Weihrauch: vorsichtig wedelnd, in der Hoffnung, dass niemand hustet. Statt das lange angekündigte Heft zur Anerkennung queerer Vielfalt in kirchlichen Schulen zu veröffentlichen, entschied der Ständige Rat der Bischöfe: "Überarbeitung" (queer.de berichtete). Übersetzt heißt das: Wir packen das mal leise in die Schublade, vielleicht gerät es ja in Vergessenheit.

Wenn Wissenschaft zur Versuchung wird

Was war passiert? Das Themenheft "Sichtbar anerkannt: Vielfalt sexueller Identitäten" hatte gewagt, auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu verweisen. Ein Affront! Die Kirche, die sich seit Jahrhunderten auf göttliche Offenbarung beruft, sieht in Biologie offenbar Teufelswerk.

Moraltheologe Franz-Josef Bormann etwa echauffierte sich über Begriffe wie "Cis-Jugendliche", als handele es sich um ein okkultes Ritual. Vielleicht hätte man ihn beruhigen sollen: Es gibt keine Messe im Namen des Cis.

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Der Heilige Geist trägt jetzt Regenbogenfarben

Doch dann die Wendung, fast biblisch: Die Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichte jüngst ein 48-seitiges Papier, das die Anerkennung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt fordert (queer.de berichtete). Es regt sich was. Die Kommission fordert erneut queere Sichtbarkeit – ja, Sichtbarkeit! – in katholischen Schulen. Ihr Vorsitzender, Bischof Heinrich Timmerevers, erklärt öffentlich, Schule müsse ein Ort sein, "an dem Kinder und Jugendliche Schutz vor Diskriminierung erfahren."

Das klingt fast revolutionär – zumindest so lange, bis ein gestandener Moraltheologe oder das Erzbistum Köln den Aufruf kassieren.

Regenbogenverbot in Köln – Maria, hilf!

Es bleibt kompliziert: Während einige Bischöfe die Fenster öffnen, zieht man andernorts die Vorhänge zu. Das Erzbistum Köln, sonst bekannt für Dom, Weihrauch und Karneval, hat bekanntermaßen ein Problem mit Farbe. Ein Lehrer wurde gemahnt, weil er ein Regenbogen-Hoodie trug – vermutlich zu viel Hoffnung in einem Outfit (queer.de berichtete). Und als man bei der Eröffnung einer neuen Schule bunte Zeichen setzen wollte, hieß es: "Nicht unter diesem Kreuz!" (queer.de berichtete). Die Eltern protestierten. Und man fragte sich: Hat man in Köln wirklich mehr Angst vor einem Regenbogen als vor den Missbrauchsskandalen?

Meine Mutter, der liebe Gott und das Bodenpersonal

Schon meine Mutter, tiefgläubig und Organistin in der katholischen Gemeinde, wusste: "Der Glaube ist schön, aber das kirchliche Bodenpersonal – schwierig." Der deutsche Papst Ratzinger war ihr suspekt, aber dass ihr Sohn schwul war, erfüllte sie mit Stolz. Ich habe daraus gelernt: Zwischen göttlicher Liebe und kirchlicher Verwaltung liegt oft eine Himmelsleiter voller Bürokraten.

Die katholische Kirche in Deutschland ist kein monolithischer Block, eher eine lose Verbindung aus Erleuchteten und Erschrockenen, aus Dogmatikern und Pragmatikern, aus Bischöfen, die den Regenbogen sehen – und solchen, die immer noch die Sintflut fürchten. Aber diese Firma mit gerundet 739.410 Mitarbeitenden allein in Deutschland und einem Gesamtvermögen von geschätzt rund 435 Milliarden Euro hat auch eine klare Hierarchie.

Zwischen Himmel und Hierarchie

Es ist also keine Frage des Glaubens, sondern der Macht. Ob sich die Kommission für Erziehung und Schule wirklich durchsetzt, hängt nicht von göttlicher Eingebung ab, sondern von den internen Mehrheiten zwischen Dogmatikern und Pragmatikern. Vielleicht braucht die katholische Kirche keine weiteren Synoden, sondern ein Coming-out.

Der Aachener Bischof Helmut Dieser hatte es 2022 bereits vorgemacht: Er nannte Homosexualität "gottgewollt" (queer.de berichtete). Ein Satz, der in Rom wahrscheinlich als Häresie gilt, aber am Rhein immerhin Applaus bekommt. "Liebe kann nicht Sünde sein", sagte der Bischof. Ein Satz, der so einfach wie radikal ist – und Rom vermutlich in eine Art theologischen Schnappatmungszustand versetzte.

Eine Schande, dass die Regenbogenflagge in manchen kirchlichen Schulen trotzdem auf der schwarzen Liste steht.

Amen zum Regenbogen

Der "Synodale Weg" bleibt eine Art kirchliches Pilgerlabyrinth: ein Schritt vor, zwei zurück, dreimal bekreuzigen. Doch eines ist sicher – der Himmel hat Platz für mehr als zwei Geschlechter. Denn wenn der liebe Gott tatsächlich all seine Geschöpfe liebt – dann vermutlich auch jene, die nicht ins binäre Raster passen. Und wer weiß: Vielleicht trägt der Heilige Geist längst schon heimlich Pastellfarben.

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