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Nach Berlin
NRW will als zweites Land Diskriminierung durch staatliche Stellen verbieten
In Berlin wehrte sich die CDU noch mit Händen und Füßen gegen ein Landesantidiskriminierungsgesetz. In NRW soll es nun kommen – unter einem CDU-Ministerpräsidenten.

NRW-Gleichstellungsministerin Josefine Paul arbeitet am ersten LADG in einem Flächenland (Bild: MKJFGFI NRW / S. Schürmann)
- 3. November 2025, 14:32h 3 Min.
Ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) soll die rechtliche Stellung Benachteiligter gegenüber staatlichen Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen stärken. Der Entwurf enthalte einen Katalog von Diskriminierungsmerkmalen, erläuterte NRW-Gleichstellungsministerin Josefine Paul (Grüne) in Düsseldorf. Demnach soll es allen Landesstellen verboten sein, jemanden etwa aufgrund von Merkmalen wie der sexuellen Identität, des Geschlechtes, der Nationalität, der Herkunft, der Religion, des Alters oder aufgrund von antisemitischen oder rassistischen Zuschreibungen zu diskriminieren.
Der Entwurf wird nun zunächst von Verbänden beraten. Das im schwarz-grünen Koalitionsvertrag angekündigte Gesetz soll in der zweiten Jahreshälfte 2026 in Kraft treten.
NRW will vorangehen
Für kommunale Behörden wird es nicht gelten. "Das Land geht in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich voran", erläuterte Paul. Als Beispiele nannte sie etwa Schulen, Hochschulen und Finanzämter. NRW sei das erste Flächenland, das eine solche Novelle einführe. Bislang existiert ein LADG nur im Stadtstaat Berlin.
Mit dem Gesetz solle eine Schutzlücke, die bisher bei Diskriminierung durch öffentliche Stellen bestehe, geschlossen werden, sagte Paul. Denn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz des Bundes umfasse nur den privatrechtlichen Bereich, unter anderem Fragen des Wohnungsmarktes oder des Arbeitsplatzes in der Privatwirtschaft.
Ein Misstrauensvotum gegen staatliche Stellen sei das nicht, versicherte die Ministerin. Es liege aber auf der Hand, dass es angesichts zunehmender Diskriminierungserfahrungen bundes- wie landesweit weiteren Handlungsbedarf gebe.
Wenn Mädchen im Mathe-Unterricht schlechter benotet werden
Das Gesetzesvorhaben soll Personen stärken, die etwa bei Anträgen oder einer Bewerbung in einer staatlichen Stelle aufgrund persönlicher Merkmale benachteiligt werden. Als weiteres praktisches Beispiel nannte die Ministerin, wenn im Mathematik-Unterricht Mädchen systematisch benachteiligt und schlechter benotet würden.
Aber: "Es reicht nicht, einfach ein diskriminierendes Verhalten zu behaupten", betonte Paul. Wer bei der entsprechenden staatlichen Stelle eine Diskriminierung beklage, benötige Indizien, die nahelegten, dass es sich tatsächlich um eine Benachteiligung handle. Zwar sei eine erleichterte Beweisführung geplant, allerdings keine Beweislastumkehr. Die betroffenen Beschwerdeführer könnten unterstützt werden durch die 42 Beratungsstellen der Freien Wohlfahrt für Antidiskriminierung in NRW.
Der Gesetzentwurf normiere deutlich, dass Abhilfe vor eventuellen Schadensersatzansprüchen stehe, erklärte Paul. "Erst wenn klar ist, dass diese Abhilfe so nicht möglich oder nicht mehr zumutbar ist, entsteht auch ein möglicher Anspruch auf Schadenersatz." Der wiederum richte sich stets gegen das Land, nicht gegen einzelne Behördenmitarbeiter. Die sollen durch Fortbildungen entsprechend sensibilisiert werden.
In Berlin befürchtete die CDU Missbrauch durch Dunkelhäutige
In Berlin gibt es das Landesantidiskriminierungsgesetz seit 2020. Damals war es von AfD, FDP und auch von der CDU bekämpft worden. CDU-Oppositionsführer Burkard Dregger erklärte damals etwa im Stadtparlament, das Gesetz stelle die Landesbediensteten unter Generalverdacht und äußerte außerdem die Befürchtung, dass sich kriminelle Menschen "erkennbar afrikanischen Ursprungs" auf das LADG berufen könnten (queer.de berichtete). Am Ende blieb die heraufbeschworene Klagewelle von Kriminellen (jeder Hautfarbe) aber aus (queer.de berichtete). Im Wahlkampf forderte die Berliner CDU zwar 2023, das Gesetz wieder abzuschaffen (queer.de berichtete). Nach ihrem Wahlsieg beschlossen CDU und SPD aber im Koalitionsvertrag: "Das Landesantidiskriminierungsgesetz bleibt erhalten und wird weiter fortentwickelt" (queer.de berichtete).
Josefine Paul ist seit 2022 Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen im Kabinett von Hendrik Wüst (CDU). Im Sommer sorgte sie wegen ihrer Hochzeit für Schlagzeilen: Sie heiratete die ehemalige sächsische Justizministerin und heutige Landtagsabgeordnete Katja Meier, die ebenfalls den Grünen angehört (queer.de berichtete). (dpa/cw)














